Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Länder lockern Schulquarantäne
Die Gesundheitsminister einigen sich darauf, das Freitesten nach fünf Tagen zu ermöglichen und häusliche Isolation auf enge Kontaktpersonen zu begrenzen. Auffrischungsimpfungen für über 60-Jährige sollen schon in Kürze starten.
DÜSSELDORF/BERLIN Die Quarantäne-regelung in Schulen wird gelockert und bundesweit einheitlich gestaltet. Darauf einigten sich die Gesundheitsminister der Länder am Montag. Grundsätzlich sollen bei Infektionen in Schulen nur noch enge Kontaktpersonen wie Sitznachbarn für mindestens fünf Tage in Quarantäne gehen. Danach soll es die Möglichkeit geben, sich mit einem PCR-TEST oder Schnelltest „freitesten“zu können. Das sagte Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) nach dem Treffen. „Möglicherweise geht es auch ganz ohne Quarantäne“, sagte er weiter. Das hänge von den Hygiene-, Masken- und Lüftungskonzepten ab. Die Gesundheitsämter sollten „mit Augenmaß hinschauen“. Ähnliches gelte für Kitas. Der Beschluss sei bei zwei Enthaltungen gefasst worden.
Zugleich kündigte Holetschek an, dass es Auffrischungsimpfungen nun auch für über 60-Jährige und medizinisches Personal geben soll. Der Abstand zur ersten Impfserie (zweite Dosis) müsse mindestens sechs Monate betragen. Man bitte die Ständige Impfkommission (Stiko), bald die entsprechenden Daten auszuwerten. Bislang hat die Stiko sich nicht einmal zur Auffrischungsimpfung für die über 80-Jährigen geäußert.
Die Nrw-landesregierung hatte zuvor gefordert, dass nur noch infizierte Schüler in Quarantäne gehen – und Kontaktpersonen überhaupt nicht mehr. Die bisher gültige NRWRegelung einer 14-tägigen Quarantäne auch für alle Kontaktpersonen hatte dazu geführt, dass kurz nach Ende der Ferien bereits wieder mehr als 30.000 Schüler in Quarantäne und damit zu Hause bleiben mussten. Dass die neue Regelung bundeseinheitlich umgesetzt wird, gilt als unwahrscheinlich. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) räumte ein, es werde weiterhin auch Einzelfallsituationen geben, in denen Gesundheitsämter vor Ort abweichend vorgingen – etwa je nachdem, welche Sitzordnung im Klassenzimmer gelte.
Im Kreis Gütersloh etwa wurde die Kontaktnachverfolgung in den Schulen mangels Personal in den Gesundheitsämtern bereits aufgegeben. Dort müssen sich seit Montag nur noch infizierte Kinder in Quarantäne begeben.
Auch die Ärzteverbände in NRW fordern eine Abschaffung der Kontaktpersonen-quarantäne in der Schule. „Quarantänen helfen im Allgemeinen gut, die Ausbreitung von Infektionen zu reduzieren. Allein dies auf das Kontaktfeld im Klassenzimmer zu begrenzen, ist aber sinnfrei, da dieselben Schüler im Bus und vor der Schule Kontakt mit einer Vielzahl anderer Schüler haben“, sagte Oliver Funken, Chef des Hausärzte-verbands NRW, unserer Redaktion: „Besser wäre es, symptomatischen Schülern eine Krankmeldung unbürokratisch zu ermöglichen und die Maskenpflicht sowie die Lüftung konsequent umzusetzen.“
Die Berufsverbände der Kinderund Jugendärzte (BVKJ) in Nordrhein-westfalen sprechen sich gegen eine Beibehaltung der umfassenden Quarantäne aus: „Wir fordern ein Umdenken in der Test- und Quarantänepolitik in Kitas und in Schulen: Kinder, die nicht selbst positiv getestet wurden, können Kita und Schule uneingeschränkt besuchen“, forderte der BVKJ. „Für Kinder lässt sich klar feststellen, dass diese aktuell mehr durch CoronaMaßnahmen als durch die Infektion selbst gefährdet sind.“Zunehmend kämen Kinder in die Praxen, die Probleme im körperlichen, geistigen und vor allem seelischen Bereich hätten.
Lehrer und Eltern hatten die Quarantäneregeln scharf kritisiert. Die Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, Maike Finnern, sprach sich für bundesweit einheitliche Quarantäne-regeln an Schulen aus: „Einheitliche Richtlinien fördern die Transparenz von Entscheidungen und tragen zu deren Akzeptanz bei Lehrkräften, Kindern, Jugendlichen und deren Eltern – und damit zum Schulfrieden bei.“
Seit Schuljahresbeginn sind die Inzidenzen bei Kindern stark angestiegen. Ein bis drei Prozent aller im Krankenhaus behandelten Covid-patienten sind laut Statistiken der Amercian Academy of Pediatrics Kinder. Über die Covid-langzeitfolgen für Kinder ist wenig bekannt.