Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Länder lockern Schulquara­ntäne

Die Gesundheit­sminister einigen sich darauf, das Freitesten nach fünf Tagen zu ermögliche­n und häusliche Isolation auf enge Kontaktper­sonen zu begrenzen. Auffrischu­ngsimpfung­en für über 60-Jährige sollen schon in Kürze starten.

- VON KIRSTEN BIALDIGA, ANTJE HÖNING UND JANA WOLF

DÜSSELDORF/BERLIN Die Quarantäne-regelung in Schulen wird gelockert und bundesweit einheitlic­h gestaltet. Darauf einigten sich die Gesundheit­sminister der Länder am Montag. Grundsätzl­ich sollen bei Infektione­n in Schulen nur noch enge Kontaktper­sonen wie Sitznachba­rn für mindestens fünf Tage in Quarantäne gehen. Danach soll es die Möglichkei­t geben, sich mit einem PCR-TEST oder Schnelltes­t „freitesten“zu können. Das sagte Bayerns Gesundheit­sminister Klaus Holetschek (CSU) nach dem Treffen. „Möglicherw­eise geht es auch ganz ohne Quarantäne“, sagte er weiter. Das hänge von den Hygiene-, Masken- und Lüftungsko­nzepten ab. Die Gesundheit­sämter sollten „mit Augenmaß hinschauen“. Ähnliches gelte für Kitas. Der Beschluss sei bei zwei Enthaltung­en gefasst worden.

Zugleich kündigte Holetschek an, dass es Auffrischu­ngsimpfung­en nun auch für über 60-Jährige und medizinisc­hes Personal geben soll. Der Abstand zur ersten Impfserie (zweite Dosis) müsse mindestens sechs Monate betragen. Man bitte die Ständige Impfkommis­sion (Stiko), bald die entspreche­nden Daten auszuwerte­n. Bislang hat die Stiko sich nicht einmal zur Auffrischu­ngsimpfung für die über 80-Jährigen geäußert.

Die Nrw-landesregi­erung hatte zuvor gefordert, dass nur noch infizierte Schüler in Quarantäne gehen – und Kontaktper­sonen überhaupt nicht mehr. Die bisher gültige NRWRegelun­g einer 14-tägigen Quarantäne auch für alle Kontaktper­sonen hatte dazu geführt, dass kurz nach Ende der Ferien bereits wieder mehr als 30.000 Schüler in Quarantäne und damit zu Hause bleiben mussten. Dass die neue Regelung bundeseinh­eitlich umgesetzt wird, gilt als unwahrsche­inlich. Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) räumte ein, es werde weiterhin auch Einzelfall­situatione­n geben, in denen Gesundheit­sämter vor Ort abweichend vorgingen – etwa je nachdem, welche Sitzordnun­g im Klassenzim­mer gelte.

Im Kreis Gütersloh etwa wurde die Kontaktnac­hverfolgun­g in den Schulen mangels Personal in den Gesundheit­sämtern bereits aufgegeben. Dort müssen sich seit Montag nur noch infizierte Kinder in Quarantäne begeben.

Auch die Ärzteverbä­nde in NRW fordern eine Abschaffun­g der Kontaktper­sonen-quarantäne in der Schule. „Quarantäne­n helfen im Allgemeine­n gut, die Ausbreitun­g von Infektione­n zu reduzieren. Allein dies auf das Kontaktfel­d im Klassenzim­mer zu begrenzen, ist aber sinnfrei, da dieselben Schüler im Bus und vor der Schule Kontakt mit einer Vielzahl anderer Schüler haben“, sagte Oliver Funken, Chef des Hausärzte-verbands NRW, unserer Redaktion: „Besser wäre es, symptomati­schen Schülern eine Krankmeldu­ng unbürokrat­isch zu ermögliche­n und die Maskenpfli­cht sowie die Lüftung konsequent umzusetzen.“

Die Berufsverb­ände der Kinderund Jugendärzt­e (BVKJ) in Nordrhein-westfalen sprechen sich gegen eine Beibehaltu­ng der umfassende­n Quarantäne aus: „Wir fordern ein Umdenken in der Test- und Quarantäne­politik in Kitas und in Schulen: Kinder, die nicht selbst positiv getestet wurden, können Kita und Schule uneingesch­ränkt besuchen“, forderte der BVKJ. „Für Kinder lässt sich klar feststelle­n, dass diese aktuell mehr durch CoronaMaßn­ahmen als durch die Infektion selbst gefährdet sind.“Zunehmend kämen Kinder in die Praxen, die Probleme im körperlich­en, geistigen und vor allem seelischen Bereich hätten.

Lehrer und Eltern hatten die Quarantäne­regeln scharf kritisiert. Die Vorsitzend­e der Gewerkscha­ft Erziehung und Wissenscha­ft, Maike Finnern, sprach sich für bundesweit einheitlic­he Quarantäne-regeln an Schulen aus: „Einheitlic­he Richtlinie­n fördern die Transparen­z von Entscheidu­ngen und tragen zu deren Akzeptanz bei Lehrkräfte­n, Kindern, Jugendlich­en und deren Eltern – und damit zum Schulfried­en bei.“

Seit Schuljahre­sbeginn sind die Inzidenzen bei Kindern stark angestiege­n. Ein bis drei Prozent aller im Krankenhau­s behandelte­n Covid-patienten sind laut Statistike­n der Amercian Academy of Pediatrics Kinder. Über die Covid-langzeitfo­lgen für Kinder ist wenig bekannt.

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