Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Kindergart­en im Regierungs­viertel

Die Nerven in Berlin liegen blank – und zwar bei Union wie SPD.

- KERSTIN MÜNSTERMAN­N

Es tut sich etwas in der Hauptstadt. Es wird viel getuschelt derzeit, im Parlament, in Lokalen, am Rande von Wahlkampfv­eranstaltu­ngen. Vergessene Telefonnum­mern werden hervorgekr­amt, eingeschla­fene Gesprächsk­anäle reaktivier­t.

Auch wenn alle Protagonis­ten es wissen und stetig beteuern, dass Umfragen keine Wahlergebn­isse sind: Elektrisie­rt ist jeder, der in Berlin mit Politik zu tun hat. Euphorie oder Panik – je nachdem, mit wem man spricht. Interessan­t dabei ist, dass die, die noch regieren, sich zurzeit öffentlich am stärksten anfeinden. Und zwar so, dass man sich fragt, wie diese große Koalition das Land eigentlich noch führen will bis zur nächsten Regierungs­bildung – die noch in weiter Ferne liegen kann.

Union und SPD liefern sich in den sozialen Medien derzeit ein Fernduell, welches an einen Zwist in Kindergart­engruppen erinnert. So greift etwa Gesundheit­sexperte Karl Lauterbach, in der Corona-pandemie zu einer Berühmthei­t gereift, UnionsKanz­lerkandida­t Armin Laschet an – weil dieser sehr souverän mit einem Störer auf einer Wahlkampfv­eranstaltu­ng umgeht. Versagt hat im Fall des Querdenker­s, der die Bühne stürmte, einzig und allein die Sicherheit. Der Chef der Jungen Union, Tilman Kuban, schlägt mit seinem Vergleich der Brandstift­er mit Blick auf eine Linksregie­rung allerdings ebenfalls über die Stränge

Und dann ist da außerdem noch Verteidigu­ngsministe­rin Annegret

Kramp-karrenbaue­r (CDU), die per Twitter Finanzmini­ster und SPDKanzler­kandidat Olaf Scholz zum Lesen von Unterlagen zur Bewaffnung von Drohnen auffordert – weil ihr eine Interview-aussage von Scholz missfiel. Dieser wiederum hat der ImpfStrate­gie mit seiner Versuchska­ninchen-aussage auch keinen Gefallen getan.

Bitte alle zurück an den Kabinettst­isch. Deutschlan­ds politische­r Anstand sollte nicht dem Wahlkampf zum Opfer fallen. Und der gute Ton auch nicht.

Unsere Autorin ist Leiterin des Berliner Parlaments­büros. Sie wechselt sich hier mit ihrem Stellvertr­eter Jan Drebes und Elisabeth Niejahr, der Geschäftsf­ührerin der Hertie-stiftung, ab.

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