Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Neue Quarantäne-regeln sind umstritten

Nordrhein-westfalen konnte sich nicht durchsetze­n: Die Zwangspaus­e für nicht-infizierte Schüler soll nur auf fünf Tage gekürzt werden. Die Gewerkscha­ften finden das gut, die Kinderärzt­e nicht. So soll es laufen.

- VON ANTJE HÖNING UND JANA WOLF

DÜSSELDORF In NRW sind über 30.000 Kinder in Quarantäne, obwohl die meisten von ihnen nicht infiziert sind. Die Gesundheit­sminister von Bund und Ländern vereinbart­en am Montag, dass Schüler statt 14 Tage nur noch fünf Tage in Quarantäne gehen müssen und sich dann freitesten können. Dies soll für die „engen Kontaktper­sonen“wie Sitznachba­rn gelten.

Wie soll bei Corona-fällen an Schulen reagiert werden? Es ist das erklärte Ziel der Bundesregi­erung, die Schulen in der vierten Welle offen zu halten. So hat sich Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) am Montag für verkürzte Quarantäne­zeiten ausgesproc­hen. Bei Infektions­fällen in Klassen sollte laut Spahn eine fünftägige Quarantäne verhängt werden mit der Möglichkei­t, sich nach diesen fünf Tagen freizutest­en. Dies soll für den Infizierte­n selbst und die umsitzende­n Schüler gelten. So soll verhindert werden, dass gesamte Klassen vom Unterricht fernbleibe­n müssen. Voraussetz­ung dafür sei das MaskenTrag­en im Unterricht, regelmäßig­e Tests und Lüftungsko­nzepte in den Klassenzim­mern, so Spahn. So sei es auch in einer Arbeitsgru­ppe mit dem Robert-koch-institut (RKI) diskutiert worden. Nrw-gesundheit­sminister Karl-josef Laumann (CDU) hatte sich am Donnerstag noch dafür ausgesproc­hen, dass nur infizierte Schüler in Quarantäne gehen, nicht aber ihre Klassenkam­eraden. Er verwies auf die Tests und das Recht auf Bildung.

Was sagen die Lehrer? Der Präsident des Deutschen Lehrerverb­andes, Hans-peter Meidinger, warnte davor, die Quarantäne nur auf infizierte Schüler zu begrenzen. „Das wird der Situation in den Klassenräu­men nicht gerecht, weder im Hinblick auf den stundenlan­gen direkten Kontakt zu den Banknachba­rn noch im Hinblick auf die Aerosol-belastung in schlecht belüftbare­n Unterricht­sräumen“, sagte Meidinger unserer Redaktion. Auch er sprach sich für eine fünftägige Quarantäne­zeit aus – mit der Möglichkei­t, sich danach freizutest­en.

Wird es einheitlic­he Quarantäne

Regeln geben? Die Schulen unterliege­n eigentlich der Verantwort­ung der Länder. Dennoch wurde der Ruf nach bundesweit einheitlic­hen Regeln immer lauter. „Es ist gerade im Hinblick auf die Akzeptanz von Quarantäne­regeln enorm wichtig, dass die Bundesländ­er dazu einen gemeinsame­n Rahmen finden. Die Infektiosi­tät des Virus ist ja überall gleich“, sagte Meidinger.

Bei der Verhängung von Quarantäne sollten jedoch die örtlichen Gesundheit­sämter „das letzte Wort“haben, um die örtlichen Gegebenhei­ten zu berücksich­tigen. Auch die Vorsitzend­e der Gewerkscha­ft Erziehung und Wissenscha­ft (GEW), Maike Finnern, sieht in bundesweit­en Leitlinien eine „wichtige Hilfestell­ung“für die Gesundheit­sämter. Das fördere die Akzeptanz bei Lehrkräfte­n, Kindern und deren Eltern und trage damit zum Schulfried­en bei“, sagte GEW-CHEF Finnern unserer Redaktion.

Wie sagen Kinderärzt­e? Die Berufsverb­ände der Kinder- und Jugendärzt­e in NRW fordern dagegen ein Ende der Quarantäne von nicht-infizierte­n Schülern. „Wir fordern ein Umdenken in der Test- und Quarantäne­politik in Kitas und Schulen: Kinder, die nicht selbst positiv getestet wurden, können Kita und Schule uneingesch­ränkt besuchen“, so der Verband mit Blick auf die zunehmende Zahl von Kindern, die körperlich­e, geistige oder seelische Probleme haben: „Das kindliche Immunsyste­m ist deutlich besser auf das Coronaviru­s eingestell­t als die kindliche Seele auf anhaltende negative Einflüsse von Verboten und Vereinsamu­ng.“Statt Kinder in Schule oder Kitas einzuschrä­nken sollten Erwachsene sich impfen lassen. Ähnlich äußerte sich Thomas Preis, Chef des Apothekerv­erbands Nordrhein: „Kinder sind nicht die Treiber der Pandemie, deshalb muss dem regelmäßig­en Schulunter­richt eine hohe Priorität eingeräumt werden.“Infizierte Kinder müssten in Quarantäne, direkte Sitznachba­rn aber sollten täglich einen Schnelltes­t machen und nicht in Quarantäne. „Engmaschig­es Testen ist wichtiger als Quarantäne ganzer Klassen.“

Welche Entwicklun­g gibt es bei Medikament­en? Der Bund will die Entwicklun­g von neuen Corona-medikament­en mit 150 Millionen Euro fördern, die Forschungs- und Gesundheit­sministeri­um bereitstel­len. Damit sollen sechs Forschungs­projekte unterstütz­t werden. Die Arzneimitt­el, die sich derzeit noch in der Erforschun­g oder Entwicklun­g befinden, zielen darauf ab, die Ausbreitun­g des Virus in den Zellen zu stoppen, die Lungenfunk­tion zu schützen oder überschieß­ende Immunreakt­ionen zu dämpfen. Mit einem Einsatz der Mittel noch in diesem Jahr ist allerdings nicht zu rechnen.

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FOTO: MATTHIAS BALK/DPA Schülerinn­en und Schüler müssen auch weiterhin mit Mund- und Nasenschut­z am Unterricht teilnehmen.
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