Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Neue Quarantäne-regeln sind umstritten
Nordrhein-westfalen konnte sich nicht durchsetzen: Die Zwangspause für nicht-infizierte Schüler soll nur auf fünf Tage gekürzt werden. Die Gewerkschaften finden das gut, die Kinderärzte nicht. So soll es laufen.
DÜSSELDORF In NRW sind über 30.000 Kinder in Quarantäne, obwohl die meisten von ihnen nicht infiziert sind. Die Gesundheitsminister von Bund und Ländern vereinbarten am Montag, dass Schüler statt 14 Tage nur noch fünf Tage in Quarantäne gehen müssen und sich dann freitesten können. Dies soll für die „engen Kontaktpersonen“wie Sitznachbarn gelten.
Wie soll bei Corona-fällen an Schulen reagiert werden? Es ist das erklärte Ziel der Bundesregierung, die Schulen in der vierten Welle offen zu halten. So hat sich Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am Montag für verkürzte Quarantänezeiten ausgesprochen. Bei Infektionsfällen in Klassen sollte laut Spahn eine fünftägige Quarantäne verhängt werden mit der Möglichkeit, sich nach diesen fünf Tagen freizutesten. Dies soll für den Infizierten selbst und die umsitzenden Schüler gelten. So soll verhindert werden, dass gesamte Klassen vom Unterricht fernbleiben müssen. Voraussetzung dafür sei das MaskenTragen im Unterricht, regelmäßige Tests und Lüftungskonzepte in den Klassenzimmern, so Spahn. So sei es auch in einer Arbeitsgruppe mit dem Robert-koch-institut (RKI) diskutiert worden. Nrw-gesundheitsminister Karl-josef Laumann (CDU) hatte sich am Donnerstag noch dafür ausgesprochen, dass nur infizierte Schüler in Quarantäne gehen, nicht aber ihre Klassenkameraden. Er verwies auf die Tests und das Recht auf Bildung.
Was sagen die Lehrer? Der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Hans-peter Meidinger, warnte davor, die Quarantäne nur auf infizierte Schüler zu begrenzen. „Das wird der Situation in den Klassenräumen nicht gerecht, weder im Hinblick auf den stundenlangen direkten Kontakt zu den Banknachbarn noch im Hinblick auf die Aerosol-belastung in schlecht belüftbaren Unterrichtsräumen“, sagte Meidinger unserer Redaktion. Auch er sprach sich für eine fünftägige Quarantänezeit aus – mit der Möglichkeit, sich danach freizutesten.
Wird es einheitliche Quarantäne
Regeln geben? Die Schulen unterliegen eigentlich der Verantwortung der Länder. Dennoch wurde der Ruf nach bundesweit einheitlichen Regeln immer lauter. „Es ist gerade im Hinblick auf die Akzeptanz von Quarantäneregeln enorm wichtig, dass die Bundesländer dazu einen gemeinsamen Rahmen finden. Die Infektiosität des Virus ist ja überall gleich“, sagte Meidinger.
Bei der Verhängung von Quarantäne sollten jedoch die örtlichen Gesundheitsämter „das letzte Wort“haben, um die örtlichen Gegebenheiten zu berücksichtigen. Auch die Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Maike Finnern, sieht in bundesweiten Leitlinien eine „wichtige Hilfestellung“für die Gesundheitsämter. Das fördere die Akzeptanz bei Lehrkräften, Kindern und deren Eltern und trage damit zum Schulfrieden bei“, sagte GEW-CHEF Finnern unserer Redaktion.
Wie sagen Kinderärzte? Die Berufsverbände der Kinder- und Jugendärzte in NRW fordern dagegen ein Ende der Quarantäne von nicht-infizierten Schülern. „Wir fordern ein Umdenken in der Test- und Quarantänepolitik in Kitas und Schulen: Kinder, die nicht selbst positiv getestet wurden, können Kita und Schule uneingeschränkt besuchen“, so der Verband mit Blick auf die zunehmende Zahl von Kindern, die körperliche, geistige oder seelische Probleme haben: „Das kindliche Immunsystem ist deutlich besser auf das Coronavirus eingestellt als die kindliche Seele auf anhaltende negative Einflüsse von Verboten und Vereinsamung.“Statt Kinder in Schule oder Kitas einzuschränken sollten Erwachsene sich impfen lassen. Ähnlich äußerte sich Thomas Preis, Chef des Apothekerverbands Nordrhein: „Kinder sind nicht die Treiber der Pandemie, deshalb muss dem regelmäßigen Schulunterricht eine hohe Priorität eingeräumt werden.“Infizierte Kinder müssten in Quarantäne, direkte Sitznachbarn aber sollten täglich einen Schnelltest machen und nicht in Quarantäne. „Engmaschiges Testen ist wichtiger als Quarantäne ganzer Klassen.“
Welche Entwicklung gibt es bei Medikamenten? Der Bund will die Entwicklung von neuen Corona-medikamenten mit 150 Millionen Euro fördern, die Forschungs- und Gesundheitsministerium bereitstellen. Damit sollen sechs Forschungsprojekte unterstützt werden. Die Arzneimittel, die sich derzeit noch in der Erforschung oder Entwicklung befinden, zielen darauf ab, die Ausbreitung des Virus in den Zellen zu stoppen, die Lungenfunktion zu schützen oder überschießende Immunreaktionen zu dämpfen. Mit einem Einsatz der Mittel noch in diesem Jahr ist allerdings nicht zu rechnen.