Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Gericht stützte teilweise die Haltung der Bahn
BERLIN/DÜSSELDORF Das Ende des dritten Bahnstreiks innerhalb von sechswochen in der Nacht zum Dienstag bringt eine positive Seite und eine negative: Die Deutsche Bahn (DB) erklärte, dass sie von einem störungsfreien Hochfahren des Verkehrs ausgeht. Ebenso sehen der Verkehrsverbund Rhein-ruhr ( VRR) und der Verkehrsverbund RheinSieg ( VRS) die Lage. Der VRR betonte, rund 70 Prozent der Züge seien auch während des Arbeitskampfes gefahren, nun gehe man von einer „Rückkehr zur Normalität aus.“
Die DB warnte allerdings weiter vor vollen Zügen auf der Fernstrecke, weil viele Reisen nach fünf Tagen Arbeitskampf nachgeholt werden. Bis zum 17. September könnten Db-tickets für Fahrten genutzt werden, die wegen des Streiks ausgefallen waren, auch dann, wenn es Spartickets mit eigentlich festem Reisetermin waren.
Gleichzeitig droht ein vierter Arbeitskampf, weil sich der Staatskonzern Bahn und die GDL unversöhnlich gegenüberstehen: „Nach dem Streik kann sehr leicht vor dem Streik heißen“, sagt Karl-peter Naumann, Ehrenvorsitzender des Fahrgastverbandes Pro Bahn. GDL-CHEF Claus Weselsky behauptete im ZDF, der Streik habe bewirkt, dass „so gut wie keine Züge fahren“.
In Wahrheit fuhren laut Angabe der Bahn rund 25 Prozent der Fernzüge und rund 40 Prozent der von DB Regio betriebenen Regionalzüge. Konzernsprecher Achim Stauss bedankte sich am Montagnachmittag bei den vielen Beschäftigen, die Notdienste übernommen hatten, um den Verkehr im Interesse der Passagiere aufrechtzuhalten. Scharf kritisierte Stauss die GDL, weil diese die Streiks während der Sommerferien in mehreren Bundesländern durchgeführt hatte. „Das war unverantwortlich“, sagte er.
Die Bahn kündigte erst einmal kein neues Angebot zur Beilegung des Tarifstreits an, nachdem sie vergangene Woche neben einer Lohnerhöhung bis zu zu 600 Euro Corona-prämie offeriert hatte. Personalvorstand Martin Seiler hatte dabei klargestellt, dass der Vorstand nicht bereit sei, mit der GDL einen Tarifvertrag auch für Berufsgruppen auszuhandeln, bei denen sie praktisch nicht vertreten ist, wozu insbesondere die Beschäftigten der Stellwerke und in den Bahnhöfen gehörten.
Wie schwach die GDL abseits ihrer Kerntruppen ist, zeigt die Streikbeteiligung, wie sie die Bahn darstellt: Von den 19.700 Lokführern der DB waren 7500 an der dritten Streikwelle beteiligt. Aber von den 48.000 Mitarbeitenden der DB Netz streikten nur 62, in den Werkstätten waren es nur 40 von 24.000 Leuten, in den Bahnhöfen waren es gerade einmal 22 von 7200 Mitarbeitern, die die Arbeit verweigert hatten.
Die DB erhält Rückendeckung. Er müsse sich schon „sehr anstrengen“, Verständnis für die Streiks der GDL zu haben, sagte Unions-kanzlerkandidat und Nrw-ministerpräsident Armin Laschet (CDU). Im Klartext: Von neuen Streiks würde der Kanzlerkandidat gar nichts halten. „Ein neuer Arbeitskampf wäre unerträglich“, sagte auch Fahrgastvertreter Naumann. Und unter den Bundestagsparteien zeigt nur die Linke Sympathie für die Lokführergewerkschaft.
Die GDL hat sich mit ihrem Taktieren in die Enge manövriert. Beim letzten großen Arbeitskampf 2014 und 2015 hatte sie zwar durchgesetzt, neben den Lokführern auch Zugpersonal zu vertreten, doch als Resultat daraus stimmte sie einer Aufteilung der Machtsphären zu: Die viel größere EVG mit ihren rund 190.000 Mitgliedern war für den größten Teil des Konzerns zuständig, die GDL mit ihren rund 37.000 Mitgliedern kümmerte sich um ihre Leute in den Zügen.
Genau diesen Vertrag ließ die GDL aber Ende 2020 auslaufen und kündigte aggressive Mitgliederwerbung bei neuen Berufsgruppen an. Im Gegenzug setzte die Bahn dann erstmals das „Tarifeinheitsgesetz“aus dem Jahre 2015 um: Es legt fest, dass ein Unternehmen mit zerstrittenen Gewerkschaften für jeden Betrieb herausfinden soll, welche Gewerkschaft dort nun mehr Mitglieder hat. Das Ergebnis war für Weselsky verheerend: Bei der Bahn gelten Tarifverträge der GDL nur in 16 Betrieben, die der EVG in mehr als 250 Betrieben.„man will uns vernichten“, tönt Weselsky seitdem.
Urteil Das Landesarbeitsgericht Hessen hat sich am Freitag geweigert, den Streik der GDL auf Antrag der Bahn zu verbieten. Der Db-vorstand hatte gesagt, es ginge der Gewerkschaft nur um die Ausdehnung ihrer Macht und nicht um den Tarifvertrag für die streikenden Mitglieder. Das Gericht entschied, ein Verbot sei unverhältnismäßig.
Warnschuss Das Gericht stellte aber auch schriftlich klar, es sei illegal, falls in einem Bereich der Bahn gestreikt wird, nur um Tarifmacht in anderen Bereichen zu erhalten. Der Vorstand der Bahn könnte also bei einer weiteren Eskalation erneut klagen.