Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
„Den Börsenwert von Tesla sehe ich kritisch“
CARSTEN MASCHMEYER Der Investor spricht über hohe Bewertungen für Start-ups, über seine Wünsche an die nächste Bundesregierung – und über Parteispenden vor der Wahl.
KÖLN Seit Montagabend sucht Carsten Maschmeyer in der Sendung „Die Höhle der Löwen“wieder nach vielversprechenden Start-ups. Doch auch abseits der Fernsehkameras ist er als Investor umtriebig.
Herr Maschmeyer, als sich die Pandemie 2020 weltweit ausbreitete, fürchteten viele, dass dadurch die Finanzierung von Start-ups sehr viel schwieriger würde. Das Gegenteil ist passiert. Deutsche Start-ups bekommen von Investoren so viel Geld wie nie zuvor – selbst wenn man sich nur per Video-konferenz austauschen kann. Was ist da los? MASCHMEYER Start-ups sind in der Tat so hoch wie nie zuvor bewertet. Wer jetzt als Investor startet und ein Portfolio aufbaut, muss sehr teuer einsteigen und hoffen, dass sich der Markt in den nächsten fünf bis zehn
Jahren weiter so gut entwickelt. Wer allerdings schon ein Portfolio hat, profitiert davon aktuell umso mehr.
Also sehen Sie nicht die Gefahr einer Spekulationsblase wie Anfang des Jahrtausends? Damals sind die Bewertungen von Technologie-firmen auch rasant gestiegen, dann sind viele Start-ups brutal abgestürzt... MASCHMEYER Heute ist vieles fundamentaler als damals. Damals bekam man ja als Firma schon die erste Million, wenn man eine Visitenkarte hatte, auf der irgendwas mit Internet stand. Heute sind viele Bewertungen aus meiner Sicht gerechtfertigt– aber nicht alle, etwa bei Lieferdiensten.
Start-ups wie Gorillas, die Lieferungen von Lebensmitteln innerhalb von zehn Minuten versprechen, werden teilweise ein Jahr nach der Gründung mit Milliardenbeträgen bewertet – obwohl sie hohe Verluste machen. MASCHMEYER Lieferdienste wie Gorillas sind bisher sehr optimistisch bepreist. Wie gesagt: Es gibt auch Überbewertungen. Auch den Börsenwert von Tesla sehe ich kritisch. Die traditionellen Hersteller haben ja inzwischen bewiesen, dass sie so langsam auch etwas von E-mobilität verstehen. Der Wettbewerb wird also zunehmen.
Sehen Sie umgekehrt auch Übertreibungen bei Start-ups im Finanzbereich? Auch da gibt es ja inzwischen zahlreiche Milliardenbewertungen. MASCHMEYER Da ist die Lage aber auch anders als in der Automobilindustrie. Die europäischen Banken haben jahrelang alles verschlafen und brauchen jetzt Hilfe von Fintechs. Die Banken haben ja nicht mal an das Thema Kryptowährungen geglaubt. Ich glaube daher, dass sich Banken in Zukunft zum Beispiel um Themen wie Regulierung kümmern werden, während sich Gründerinnen und Gründer mit tollen Dienstleistungen um die Kunden kümmern.
Wenn genug Kapital da ist und auch tolle Start-ups – braucht es dann überhaupt staatliche Unterstützung durch Kapital? MASCHMEYER Der Staat muss definitiv Start-up-freundlicher werden. Er ist zum Beispiel der größte Auftraggeber in Deutschland, meidet bei eigenen Auftragsvergaben aber Start-ups. Das muss sich dringend ändern! Und auch in der Verwaltung und den Schulen müssen wir digital besser werden. Ich wünsche mir zum Beispiel, dass Kinder schon in der Grundschule programmieren lernen. Programmiersprache ist in Zukunft die wichtigste Sprache.
Braucht es ein Digitalministerium? MASCHMEYER Absolut. Ich wäre froh, wenn wir eins bekommen. Es gibt ja auch eins für Landwirtschaft – dabei sind wir nicht mehr im Agrar-, sondern im Digitalzeitalter.
Ihr „Löwen“-kollege Georg Kofler hat der FDP 750.000 Euro gespendet, um die Grünen in der Regierung zu verhindern. Spenden Sie auch? MASCHMEYER Bisher habe ich für diese Wahl an keine Partei gespendet. Grundsätzlich ist es nicht mein Antrieb, etwas aus Angst heraus zu tun. Ich finde, dass vereinzelte Aspekte im Wahlprogramm der Grünen im Übrigen ihre Berechtigung haben. Das Thema Nachhaltigkeit ist jedenfalls auch bei Start-ups sehr präsent und wird immer wichtiger, das sehen wir auch bei „Die Höhle der Löwen“. Denn eins ist klar: Wir werden in Zukunft anders leben.