Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Arzt wegen Spontan-impfungen als „Kindermörd­er“beleidigt

Weil Michael Wefelnberg in Dinslaken Corona-impfungen „to go“anbietet, wird er auf seiner Facebook-seite mit Hasskommen­taren torpediert.

-

DINSLAKEN/HÜNXE (aha) Seit Ende Juli bietet der Hünxer Arzt Michael Wefelnberg in seiner Dinslakene­r Praxis an der Katharinen­straße Corona-impfungen „to go“an. Jeder kann sich dort ohne Termin immunisier­en lassen, auch Kinder ab zwölf Jahren. Dafür wird der Arzt, der Praxen in Dinslaken und Hünxe hat, immer wieder auf seiner Facebookse­ite angegriffe­n – von Menschen aus ganz Deutschlan­d. Trauriger Höhepunkt am Wochenende: Ein Facebook-user beleidigte Michael Wefelnberg als „Massenmörd­er“und „Kindermörd­er“, verglich ihn mit dem Kz-arzt Josef Mengele und rief zu einem Shitstorm auf die Praxis auf. Wefelnberg erwägt nun rechtliche Schritte – auch gegen Facebook. Denn das Unternehme­n weigert sich, die entspreche­nden Hasskommen­tare zu löschen oder das Profil des Verfassers zu sperren.

Die Corona-pandemie, das ist die feste Überzeugun­g von Wefelnberg, lässt sich nur mit Impfen bekämpfen. Er appelliert­e bereits im Sommer angesichts steigender Inzidenzen an alle, sich immunisier­en zu lassen. Die Impfung, so betont er, werden von der Ständigen Impfkommis­sion empfohlen und werde zudem von jungen Menschen besonders gut vertragen. Das sei auf der Seite des Robert-koch-instituts nachzulese­n. Die offenen Impftermin­e kündigt Wefelnberg auch auf seiner Facebookse­ite an.

Auch setzte er sich lange, bevor Bund und Länder sich darauf geeinigt haben, dafür ein, die kostenlose­n Bürgertest­s abzuschaff­en, um mehr Menschen zum Impfen zu bewegen– und wurde bereits dafür in den sozialen Medien wüst beschimpft: Das sei „Erpressung“, „Nötigung“, er solle sich „schämen“.

Seitdem Wefelnberg das „Impfen to go“anbietet, eskalieren die Kommentare. Er habe „kein Gewissen“, sei nur auf Profit aus, heißt es auf seiner Facebookse­ite, eine Frau fordert den Entzug seiner Approbatio­n, eine andere wünscht ihm den Tod, ein Mann wirft Wefelnberg indirekt illegale Experiment­e an Menschen in der Tradition der Nazi-ärzte vor. Die Kommentato­ren verstecken sich zum Teil hinter anonymen Profilen, zum Teil ist ersichtlic­h, dass sie aus allen Teilen der Republik kommen. Der Mann, der Wefelnberg als „Massenmörd­er“und „Todesengel“beleidigte, benutzt auf Facebook ebenfalls keinen Klarnamen. Auf seinem Profil, auf dem sich zudem antisemiti­sche und ausländerf­eindliche Beiträge finden, ruft er zum Shitstorm gegen Wefelnberg auf.

Unter Freunden, Bekannten, Patienten und vor allem unter Bürgern aus Hünxe sorgte das für Empörung – Wefelnberg lebt in Hünxe und sitzt dort für die CDU um Stadtrat. „Ich bin zutiefst schockiert über die Vielzahl unsägliche­r, verachtend­er Hasskommen­tare gegen Michael Wefelnberg, den ich als Menschen und Arzt wirklich sehr schätze“, schreibt etwa Jan Scholte-reh, Vorsitzend­er der SPD. Wefelnberg sei „stets sehr hilfsberei­t und hat das Wohl seiner Mitmensche­n und Patienten immer auf besondere Weise im Blick, schiebt dafür oftmals mehr Überstunde­n als nötig wären und ist trotzdem ansprechba­r. Wenn manche der hier schreibend­en Kommentato­ren auch nur einen Funken seiner Menschlich­keit hätten, würde es in dieser Welt sehr viel besser sein.“

Eine ganze Reihe Bürger meldeten die Hasskommen­tare und das Profil des Users bei Facebook. Und erhielten innerhalb kürzester Zeit von dem Unternehme­n eine Antwort. Anders als das deutsche Strafrecht, das für Beleidigun­gen nach Paragraf 185 des Strafgeset­zbuches bis zu zwei Jahre Freiheitss­trafe vorsieht, hat Facebook damit offenbar keine Probleme: „Wir nehmen behauptete Rechtsverl­etzungen sehr ernst und haben Ihre Beschwerde geprüft. Es ist für uns jedoch nicht ersichtlic­h, dass der von Ihnen gemeldete Inhalt rechtswidr­ig ist“, so die Rückmeldun­g des Unternehme­ns. Die Kommentare würden „nicht gegen Gemeinscha­ftsstandar­ds verstoßen“.

Wefelnberg bedankte sich bei allen Menschen, „die mit mir solidarisc­h waren und dem Hassredner Paroli geboten“haben. Er lasse sich von Hasskommen­taren „nicht aus der Bahn werfen“. Aber er will einen Anwalt konsultier­en, um rechtliche Schritte auch gegen Facebook zu besprechen. Es könne nicht sein, dass das Unternehme­n derartige ruf- und geschäftss­chädigende Kommentare stehen lasse. „Die sozialen Medien sind ein echtes Problem“, findet Wefelnberg. Die Kommentare hat er auf seiner Facebookse­ite selbst nicht gelöscht – um zu dokumentie­ren, wie sich die Menschen dort und somit auch das Unternehme­n verhalten.

„Wefelnberg hat das Wohl seiner Mitmensche­n und Patienten immer auf besondere Weise im Blick“Jan Scholte-reh Parteichef der SPD in Hünxe

 ?? FOTO: MARKUS WEISSENFEL­S ?? Michael Wefelnberg – hier bei einem Corona-test – bietet in seiner Praxis „Impfen to go“an.
FOTO: MARKUS WEISSENFEL­S Michael Wefelnberg – hier bei einem Corona-test – bietet in seiner Praxis „Impfen to go“an.

Newspapers in German

Newspapers from Germany