Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Lachen mit Lobrecht
Vier Comedians unterhielten im Burgtheater 1300 Fans mit Comedy und Kabarett.
DINSLAKEN (bes) Gerade noch hat Felix Lobrecht die Atmosphäre im Burgtheater als „Dorffest-vibe“bezeichnet, doch jetzt schaut er doch etwas nachdenklich in das ausverkaufte Rund: „1300 Leute. Ich weiß, das ist hier alles juristisch korrekt. Aber ich bin ein bisschen coronageschädigt und es sieht für mich ein bisschen falsch aus.“Also hakt er mit dem Hygienekonzept auf seine Art nach: „Hat hier jemand Corona? Nein. Gut. Hatte hier jemand Corona?“Ein paar melden sich, er fragt bei einem aus dem Publikum nach. Auch dies nicht ohne eine Sensibilität, die man Felix Lobrecht gerne nicht nachsagt. Später wird der Hintergrund deutlich: Der Vater von Kinan Al ist im Frühjahr an Covid-19 verstorben. „Happy Summer Sunshine Tour“: Die vier von Standup 44, die schon im Vorjahr für ein ausverkauftes Haus sorgten, sind in mancher Hinsicht gereift: die Grenzen zwischen Comedy und Kabarett fließen.
Never change a winning team: Felix Lobrecht, Kawus Kalantar, Daniel Wolfson und Kinan Al haben den gemeinsamen Hintergrund Neukölln, sind mit ihren Podcasts deutschlandweit bekannt geworden. Und wenn man sie mal live erleben kann, fährt man hin. 70 Prozent des Publikums meldete sich am Donnerstag im Burgtheater auf Lobrechts Nachfrage, wer nicht aus Dinslaken käme. Was in der Zielgruppe U30 bedeutet: Man möchte die, die man aus dem Netz kennt, auch in echt erleben und man ist bereit, dafür Anfahrtswege in Kauf zu nehmen. Für Dinslaken bedeutet das: In der Sommerkultur schlummert Potenzial für weitere Jahre.
Die weiteste Anfahrt am Donnerstag hatte Lena aus Freiburg. „Nur für unsere Show? – Das wird sich nicht lohnen“. Fishing for compliments, Felix! Das Publikum kam auf seine Kosten. Und dafür sorgte nicht nur Lobrecht selbst, wenn er erzählt, wie er seine Wohnung für die Freunde zum Escape Room ohne Hinweise verwandelt, weil er die Tür hinter ihnen abschließt, egal ob sie gehen oder kommen. Oder wenn er sich Gedanken über kleine Kinder macht, die auf dem Berliner Kopfsteinpflaster von ihren Müttern durchgeschüttelt werden, weil diese sie ungeschützt in Fahrrad-kindersitze zwängen. Oder wenn er die Polizeikontrolle durch einen offenbaren Fan in Uniform aus eigener Schuld vermasselt. Bestes Kabarett liefert er, wenn er die „All-you-caneat“-mentalität geißelt. Die Menschen bräuchten Grenzen, fordert Lobrecht. Und da klingt in einem der Spruch von Daniel Wolfson: „Als Kind dachte ich, `Ärzte ohne Grenzen' würden ihre eigene dauernd überschreiten.“
Wolfson erzählt von seiner Freundin und kommt auf Genderfragen zu sprechen. Sollten Fußballerinnen genau so gut bezahlt werden wie ihre männlichen Kollegen? Gleicher Lohn für gleiche Arbeit sorgt für zustimmenden Applaus im Publikum. Das Problem ist nur, dass Wolfson die Profi-kickerin, gegen die er einen Mats Hummels ausspielt, erfunden hat. Die Menge applaudierte für die gerechte Sache – aber dass Gleichstellung erst erreicht ist, wenn beiden Geschlechtern im Sport gleiches Interesse entgegen gebracht wird, war die Lektion, die Wolfson lehrte.
Andere verzerrte Wahrnehmungen spricht Kawus Kalantar an: Seine Eltern kamen mit 200 DM aus dem Iran – per Flugzeug. Solche Touren per Fahrrad zurückzulegen und damit noch prahlen zu können, wäre ein Fall von echtem „White Privilege“. Stelle man sich mal vor, jemand käme als Geflüchteter mit dem Fahrrad. Überhaupt die Frage nach der Herkunft. Die Antwort des in Deutschland geborenen Sohn iranischer Eltern: „Ich komm aus meiner Mutter.“
„Ist doch typisch“– manches vielleicht wirklich, meint Kinan Al. Jeder Araber meine, er habe das beste Hummus-rezept. Manche seien geheim „und sollten es auch besser bleiben – igitt“. Und dann räumte Al noch mit dem letzten pauschalisierenden Klischee auf: Es stimme eben nicht, das alle Omas gut kochen könnten.
Für ein starkes Team Standup 44 gab es stürmischen Applaus von den 1300 Burgtheater-besuchern.