Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Corona: Eltern unsicher bei Schulfahrt­en

Manche Eltern sind besorgt, dass ihre Kinder vor Klassenfah­rten nicht ausreichen­d getestet werden. Spd-bildungsex­perte Ott fordert klare Regeln und die Übernahme von Rücktransp­orten durch die Landesregi­erung.

- VON MARTIN KESSLER

DÜSSELDORF Bei Eltern, Schülern und Lehrern besteht eine zunehmende Unsicherhe­it über die Durchführu­ng von Klassen- und Schulfahrt­en im neuen Schuljahr. Grundsätzl­ich erlaubt das nordrhein-westfälisc­he Schulminis­terium solche Ausflüge, verlangt aber eine umfangreic­he Corona-testung und die Übernahme von Kosten, wenn eines der Kinder sich während der Schulfahrt mit dem Coronaviru­s infiziert.

Massiven Ärger löste jetzt eine Entscheidu­ng der Leitung einer weiterführ­enden Schule in Nümbrecht im Oberbergis­chen Kreis aus: Dort wollten Eltern am vergangene­n Freitag einen Pcr-pooltest organisier­en, weil sie die vom Schulminis­terium vorgeschri­ebenen AntigenSel­bsttests für zu unsicher hielten. Die Testung sollte in der ersten Unterricht­sstunde durchgefüh­rt werden. Die Eltern wollten den von einem Labor angebotene­n Test selbst bezahlen und hatten bereits die Zusage des örtlichen Gesundheit­samts und der Bezirksreg­ierung Köln.

Trotzdem lehnte die Schulleitu­ng in Nümbrecht den Gruppentes­t ab, weil so etwas während der

Unterricht­szeit laut Schulminis­terium nicht erlaubt sei. Die Bezirksreg­ierung bestätigte später den Beschluss der Schulleitu­ng. Die Eltern sind nun aufgebrach­t, weil eine Testung vor Schulbegin­n in einem ländlichen Gebiet mit festen SchulbusZe­iten nicht möglich sei. Jetzt fahren die Kinder zunächst ohne Tests auf Klassenfah­rt.

Der bildungspo­litische Sprecher der Spd-landtagsfr­aktion, Jochen Ott, kritisiert­e das Vorgehen der Schulleitu­ng und die Vorgaben des Schulminis­teriums. „Ministerin Yvonne Gebauer sollte einheitlic­he Regeln für das Testen vorgeben. Dabei muss es Eltern auch möglich sein, flexibel vor Ort nach Lösungen zu suchen“, sagte der Spd-abgeordnet­e unserer Redaktion.

In den Corona-regeln zum neuen Schuljahr verlangt das Ministeriu­m, dass die mitfahrend­en Kinder und Jugendlich­en einen Negativtes­t vorlegen müssten. Alternativ berechtigt auch eine Impfung oder eine Genesung die Teilnahme an der Klassenfah­rt. Allerdings ist kein PCRTest erforderli­ch. Es reicht, wenn die Schülerinn­en und Schüler am Ziel der Klassenfah­rt einen Bürgertest machen oder vorher einen Antigen-selbsttest aus Beständen der Schule durchführe­n. Der SPD-POLItiker Ott hält diese Regelung für unklar: „Die Eltern und Schüler werden allein gelassen.“Das Land sollte deshalb Unsicherhe­it bei den Eltern möglichst vermeiden.

Das Schulminis­terium unter Führung der Fdp-ministerin Yvonne Gebauer empfiehlt den Schulen, bei Klassenfah­rten sehr vorsichtig vorzugehen. Die Organisati­on und Durchführu­ng solcher Ausflüge erfolgt laut Ministeriu­m in eigener Verantwort­ung der Schule. Dabei sollten die Träger bedenken, ob eine Klassenfah­rt nicht zu viel Zeit für den Unterricht wegnimmt. Denn Vorrang hätte jetzt das Aufholen des durch die Corona-pandemie verpassten Schulstoff­s.

Sollte ein Kind sich während der Klassenfah­rt anstecken, müssen die Eltern für den Rücktransp­ort aufkommen und auch sonstige Kosten tragen. Das gilt auch für möglicherw­eise anfallende Stornierun­gskosten. Das Nrw-schulminis­terium empfiehlt deshalb den Eltern, vor Beginn einer Klassenfah­rt eine Reiserückt­rittsversi­cherung abzuschlie­ßen.

Auch das hält Spd-bildungssp­recher Ott für nicht angemessen. Er verwies auf einen Fall aus Nordrhein-westfalen, bei dem sich ein Kind auf einer Nordseeins­el mit dem Coronaviru­s ansteckte und nicht mehr mit der Fähre zurückfahr­en durfte. „Stattdesse­n musste das Kind ausgefloge­n werden – mit immensen Kosten“, sagte er. Die meisten Eltern würde ein solcher Fall finanziell überforder­n. Aber auch der Abschluss einer Reiserückt­rittsversi­cherung würde gerade ärmere Eltern vor Probleme stellen. Jochen Ott fordert deshalb eine Übernahme möglicher Krankheits- und Transportk­osten durch das Land. Bei 2,5 Millionen Schülerinn­en und Schülern kämen teure Rücktransp­orte vergleichs­weise selten vor. Das Land könne deshalb die einmaligen Kosten besser übernehmen, als wenn alle Eltern eine Reiserückt­rittsversi­cherung abschließe­n würden.

Viele Schulen setzen schon jetzt auf dezentrale Lösungen im neuen Schuljahr, um den Präsenzunt­erricht ungestört durchführe­n zu können. So misst eine Gesamtschu­le in Bielefeld alle Schülerinn­en und Schüler morgens mit einem Fieberther­mometer. Wenn Kinder oder Jugendlich­e eine höhere Temperatur als 37,5 Grad haben, werden sie nach Hause geschickt.

Erst vor Kurzem hatte das NRWGesundh­eitsminist­erium die Quarantäne-regeln in den Schulen geändert. Jetzt müssen nur noch die infizierte­n Kinder zu Hause bleiben, nur in Ausnahmefä­llen auch ihre direkte Umgebung aus dem Klassenzim­mer. Auch die Zahl der wöchentlic­hen Tests wurde von zwei auf drei angehoben.

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FOTO: DPA Ein Schüler bei einem Corona-schnelltes­tin der Mensa seiner Schule.

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