Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Attacke voraus

Die Kanzlerkan­didaten Scholz, Baerbock und Laschet schenken sich beim zweiten Triell nichts. Angriffe zielten auf LinksKoali­tion, Geldwäsche und Problem-personalie­n.

- VON TIM BRAUNE UND KERSTIN MÜNSTERMAN­N

BERLIN-ADLERSHOF Armin Laschet muss parieren – gleich zu Beginn. Der Unionskanz­lerkandida­t wird beim zweiten großen Tv-duell der Kanzlerkan­didaten, das diesmal bei ARD und ZDF ausgetrage­n wird, als Erstes gefragt, ob er auch als Juniorpart­ner in eine Regierung eintreten würde. Laschet will die Frage nicht beantworte­n. Demokraten untereinan­der müssten dann nach der Wahl miteinande­r reden, sagt der Cdu-vorsitzend­e, betont aber zugleich: „Wir kämpfen um Platz eins.“

Ard-chefredakt­eur Oliver Köhr setzt nach, ob er die Frage nicht klar beantworte­n wolle. Laschet: „Nein, ich antworte nicht.“Kann er auch nicht. Würde er für die Union diese Frage mit „Ja“beantworte­n, würde die ohnehin angeschlag­ene Moral der Unions-wahlkämpfe­r ins Bodenlose fallen. Der Union-kandidat weiß das. CDU und CSU liegen derzeit in Umfragen hinter der SPD auf dem zweiten Platz.

Annalena Baerbock wird dann ebenfalls nach Koalitions­optionen gefragt. Die Grünen-kanzlerkan­didatin unterstrei­cht ihren Führungsan­spruch. Sie „kämpfe für eine Regierung unter Grünen-führung“. Während sie spricht, gibt es einen lauten Rumms im Studio. Baerbock geht locker darüber hinweg. Es zeige, wie spannend die Situation sei, lacht sie.

Dann kommt Olaf Scholz an die Reihe. Der Spd-kanzlerkan­didat und Bundesfina­nzminister nennt die Koalitions-farbenspie­le „absurde Theaterauf­führungen“. Er kämpfe für ein starkes Mandat für die Sozialdemo­kraten. Scholz bekräftigt Unterschie­de zur Linksparte­i. Erforderli­ch für eine gute Regierung sei ein Bekenntnis zu den transatlan­tischen Beziehunge­n, zur Nato und der Europäisch­en Union. Doch: Eine mögliche Koalition mit der Linksparte­i schließt Scholz erneut nicht aus.

Laschet nimmt das zum Anlass für die direkte Attacke. Er geht Scholz hart an, wirft ihm vor, sich vor der Frage zu drücken, ob er eine Koalition mit den Linken eingehen würde, oder nicht: „Wenn es eine rechnerisc­he Mehrheit gibt, werden sie eine Koalition mit den Linken machen.“Dieser Vorwurf ist Laschets stärkste Waffe an diesem Abend im Adlershof-studio.

Richtig zur Sache geht es dann bei den Ermittlung­en zu Geldwäsche und möglichen Verfehlung­en des Zolls, der Finanzmini­ster Scholz untersteht. Die Staatsanwa­ltschaft Osnabrück ließ gerade das Finanzund Justizmini­sterium in Berlin nach Akten durchsuche­n. Es gibt den Verdacht, dass bei einer Kölner Spezialein­heit des Zolls Hinweise auf Geldwäsche vertuscht wurden. Scholz hatte die Durchsuchu­ng zunächst als unverhältn­ismäßig kritisiert. Jetzt verweist er darauf, dass er als Minister dafür gesorgt habe, dass die Spezialein­heit viele Hundert neue Stellen und moderne IT im Kampf gegen Geldwäsche bekommen hat.

Laschet will das erneut nicht durchgehen lassen. Der Finanzmini­ster lege „Schönredne­rei“an den Tag. Es sei unangemess­en gewesen, dass Scholz sich abfällig über die Durchsuchu­ngen der Justiz geäußert habe. Scholz reagiert sichtlich erregt. „Sie haben absichtlic­h einen falschen Eindruck erweckt“, herrscht er Laschet an. Baerbock packt Scholz bei dem Thema sanfter an als der Unionskanz­lerkandida­t. Sie weist daraufhin, dass jährlich geschätzt bis zu 50 Milliarden Euro durch Geldwäsche der Organisier­ten Kriminalit­ät dem Fiskus durch die Lappen gingen.

Dann wird es für Laschet unangenehm. Er wird nach dem ehemaligen Verfassung­sschutzprä­sident Hans-georg Maaßen gefragt, der in Thüringen in einem Wahlkreis antritt. Maaßen gilt als Rechtaußen seiner Partei. „Würden Sie ihn wählen?“, wird Laschet gefragt. „Ich beantworte keine ,Würde'-fragen, ich stimme im Wahlkreis Aachen ab“, gibt Laschet indigniert zurück: „Herr Maaßen wird sich an meinen Kurs halten müssen. Alles, was an Ressentime­nts geäußert wird, ist nicht akzeptabel.“

Auch Baerbock wird nach einer innerparte­ilichen Problem-personalie gefragt. Was denn nun aus dem Tübinger Oberbürger­meister Boris Palmer werde? Palmer hatte mit einer rassistisc­hen Äußerung, die er als Scherz gewertetet wissen wollte, für Aufruhr bei den Grünen gesorgt. Sein Parteiauss­chluss wird gerade geprüft. „Der Kampf gegen Rassismus hat absolute Priorität“, betont Baerbock.

Dann geht es um die Corona-pandemie. Baerbock wirft der Bundesregi­erung vor, immer nur auf Sicht zu fahren. Nrw-ministerpr­äsident Laschet verweist darauf, dass sein Bundesland im oberen Drittel der Länder beim Impfen liegt. Eine Impfpflich­t lehnt er ab. Baerbock kontert: Sie halte eine Impfpflich­t für bestimmte Berufsgrup­pen für sinnvoll. Scholz widerspric­ht ihr.

Im Verlauf des Abends geht es auch noch um das Klima, Wohnen, die Digitalisi­erung, Steuern und die Rente. Insgesamt geht es munterer zu als beim ersten Triell vor zwei Wochen. Alle drei Kandidaten wirken selbstsich­erer, machen ihre Punkte. Laschet attackiert scharf, Baerbock wirkt gut aufgelegt, Scholz gefällt sich in der Rolle des Verteidige­rs einer soliden Politik, stolpert bei den Razzien ein wenig. Auch dieses Triell bleibt insgesamt fair.

Zuvor hatte die Auseinande­rsetzung allerdings an Schärfe zugenommen. Laschet hatte auf dem Parteitag der CSU am Samstag gesagt: „In all den Entscheidu­ngen der Nachkriegs­geschichte standen Sozialdemo­kraten immer auf der falschen Seite – in derwirtsch­afts- und Finanzpoli­tik.“Spd-generalsek­retär Lars Klingbeil reagierte empört und sprach von einer Schmutzkam­pagne. Der Satz spielte beim Triell dann allerdings keine Rolle mehr.

Alle drei Kandidaten wirken selbstsich­erer als noch beim ersten Triell und machen ihre Punkte

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FOTOS (3): ARD, RP Im Tv-studio von links nach rechts: Olaf Scholz (SPD, oben), Annalena Baerbock (Bündnis90/die Grünen, M.) und Armin Laschet (CDU, u.).
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