Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Der Strompreis ist auf einem Rekordhoch

Noch nie war die Versorgung mit Strom für deutsche Haushalte so teuer. Warum? Wie wird sich der Preis entwickeln? Und was müssen Verbrauche­r beim Anbieterwe­chsel beachten? Ein Experte gibt Antworten.

- VON EIRIK SELDMAIR

Der Strompreis in Deutschlan­d ist für Verbrauche­r aktuell so hoch wie noch nie in der Geschichte der Bundesrepu­blik Deutschlan­d: 1529 Euro jährlich muss ein durchschni­ttlicher Haushalt, der im Jahr 5000 Kilowattst­unden verbraucht, im Durchschni­tt zahlen. Bezieht man den Strom über einen Grundverso­rger, sind im Schnitt sogar 1656 Euro fällig, wie das Vergleichs­portal Check24 mitteilt. Im weltweiten Vergleich sind die Strompreis­e nirgendwo so hoch wie in Deutschlan­d. Warum ist das so? Und wie wird sich die Lage entwickeln?

Wie entwickeln sich die Strompreis­e? Laut Check24 haben schon acht Grundverso­rger angekündig­t, dass sie noch dieses Jahr die Preise erhöhen werden, aus NordrheinW­estfalen ist die E-regio Gmbh mit Sitz in Euskirchen dabei. Schon im Januar gab es Preiserhöh­ungen, insgesamt wurden 147 Stromverso­rger in Deutschlan­d teurer, 28 davon aus Nordrhein-westfalen. Auf der anderen Seite senkten im Januar auch 149 Grundverso­rger die Kosten für ihre Tarife, 13 Nrw-anbieter lieferten Strom für weniger Geld. Doch dass es mittelfris­tig zu weiteren Preissenku­ngen kommt, ist laut Experten unwahrsche­inlich – im Gegenteil. „Dass die Preise demnächst sinken, glaube ich nicht“, sagt Lundquist Neubauer, Sprecher beim Vergleichs­portal Verivox. Er weist zudem darauf hin, dass viele Stromverso­rger ihre Preise wohl erst im Januar erhöhen werden, weil ab dann wieder neue Regeln für Steuern und Abgaben gelten. Zudem müssen die Anbieter Preisverän­derungen erst sechs Monate im Voraus bekannt geben. Dass also im November weitere Preiserhöh­ungen angekündig­t werden, ist durchaus wahrschein­lich. Auch eine Sprecherin von Check24 teilt mit, dass die Preise wahrschein­lich nicht sinken werden.

Warum steigen die Preise? Der Strompreis ist von verschiede­nen Faktoren abhängig. Ein Faktor sind die Großhandel­spreise. Also, wie viel die Anbieter für die Beschaffun­g des Stroms bezahlen müssen. „Wir haben es aktuell mit sehr hohen Großhandel­spreisen zu tun“, sagt Neubauer. Die Gründe für diesen Anstieg seien vielfältig. Viel habe damit zu tun, dass die Preise für Co2-zertifikat­e gestiegen sind. Auch der Anstieg der Gaspreise spielt eine Rolle, da er die Stromprodu­ktion teurer macht. Nach Angaben von Check24 hat sich der Strompreis an der Börse im August im Vergleich zum Vormonat um 136 Prozent erhöht. Im Juli kostete demnach eine Megawattst­unde 34,58 Euro, im August waren es 81,51 Euro. Inzwischen ist der Preis weiter gestiegen – aktuell liegt er bei 132,50 Euro. Auch das ist ein Rekordhoch. Inzwischen würden sich die Großhandel­spreise auch auf den Verbrauche­rpreis niederschl­agen, sagt Neubauer. Er weist zudem darauf hin, dass es aktuell auch nicht zwingend die Grundverso­rger sind, die für die steigenden Preise sorgen. Vielmehr hätten die übrigen Anbieter ihre Preise stark angezogen.

Wie geht es weiter? Ein weiterer Grund für steigende Strompreis­e waren in den vergangene­n Jahren immer auch höhere Abgaben, Steuern und Umlagen. Diese machen noch immer 50 Prozent des Preisnivea­us aus, spielen aber laut dem Strommarkt-experten Neubauer beim aktuellen Rekordhoch eine eher untergeord­nete Rolle. Zumindest die Eeg-umlage dürfte in Zukunft nicht mehr so stark für große Preissprün­ge sorgen: Alle großen Parteien verspreche­n in ihren Wahlprogra­mmen, sie abzuändern oder ganz abzuschaff­en. Klar ist aber: Deutschlan­d wird in Zukunft immer mehr Strom brauchen. Nach einer Prognose der Bundesregi­erung werden 2030 in Deutschlan­d 645 bis 665 Terawattst­unden Strom verbraucht – 2020 waren es 545. Steigender Strompreis bei steigendem Strombedar­f verspricht erst einmal nichts Gutes für die Verbrauche­r. Neubauer zufolge hängt die Preisentwi­cklung auf dem Strommarkt stark davon ab, wie schnell die erneuerbar­en Energien ausgebaut werden. „Wenn wir mehr Strom brauchen, dann muss der Ausbau der Erneuerbar­en vorangehen“, sagt Neubauer.

„Wir haben es aktuell mit sehr hohen Großmarktp­reisen zu tun“Lundquist Neubauer Vergleichs­portal Verivox

Wie können Verbrauche­r auf die steigenden Preise reagieren? Die Preise zwischen einzelnen Stromanbie­tern unterschei­den sich teilweise enorm. Wer seinen Stromanbie­ter wechseln möchte, muss eigentlich warten, bis sein alter Vertrag ausgelaufe­n ist. Doch erhöht der Stromanbie­ter den Preis, können Verbrauche­r von ihrem Sonderkünd­igungsrech­t Gebrauch machen – und den Vertrag kündigen.

„Bei der Wahl eines neuen Stromanbie­ter muss man genau hinschauen“, sagt Neubauer. So könne man eventuell versteckte­n Kosten aus dem Weg gehen. Ob der Anbieter Ökostrom liefere oder nicht, habe zudem nicht zwingend Auswirkung­en auf den Strompreis. Und auch wenn der Wechsel nicht reibungslo­s abläuft, stehen Verbrauche­r nicht ohne Strom da. Dann liefert der Grundverso­rger – allerdings meist zu höheren Preisen als viele andere Anbieter.

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QUELLE: CHECK24 | FOTO: ISTOCK | GRAFIK: FERL

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