Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Der Strompreis ist auf einem Rekordhoch
Noch nie war die Versorgung mit Strom für deutsche Haushalte so teuer. Warum? Wie wird sich der Preis entwickeln? Und was müssen Verbraucher beim Anbieterwechsel beachten? Ein Experte gibt Antworten.
Der Strompreis in Deutschland ist für Verbraucher aktuell so hoch wie noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland: 1529 Euro jährlich muss ein durchschnittlicher Haushalt, der im Jahr 5000 Kilowattstunden verbraucht, im Durchschnitt zahlen. Bezieht man den Strom über einen Grundversorger, sind im Schnitt sogar 1656 Euro fällig, wie das Vergleichsportal Check24 mitteilt. Im weltweiten Vergleich sind die Strompreise nirgendwo so hoch wie in Deutschland. Warum ist das so? Und wie wird sich die Lage entwickeln?
Wie entwickeln sich die Strompreise? Laut Check24 haben schon acht Grundversorger angekündigt, dass sie noch dieses Jahr die Preise erhöhen werden, aus NordrheinWestfalen ist die E-regio Gmbh mit Sitz in Euskirchen dabei. Schon im Januar gab es Preiserhöhungen, insgesamt wurden 147 Stromversorger in Deutschland teurer, 28 davon aus Nordrhein-westfalen. Auf der anderen Seite senkten im Januar auch 149 Grundversorger die Kosten für ihre Tarife, 13 Nrw-anbieter lieferten Strom für weniger Geld. Doch dass es mittelfristig zu weiteren Preissenkungen kommt, ist laut Experten unwahrscheinlich – im Gegenteil. „Dass die Preise demnächst sinken, glaube ich nicht“, sagt Lundquist Neubauer, Sprecher beim Vergleichsportal Verivox. Er weist zudem darauf hin, dass viele Stromversorger ihre Preise wohl erst im Januar erhöhen werden, weil ab dann wieder neue Regeln für Steuern und Abgaben gelten. Zudem müssen die Anbieter Preisveränderungen erst sechs Monate im Voraus bekannt geben. Dass also im November weitere Preiserhöhungen angekündigt werden, ist durchaus wahrscheinlich. Auch eine Sprecherin von Check24 teilt mit, dass die Preise wahrscheinlich nicht sinken werden.
Warum steigen die Preise? Der Strompreis ist von verschiedenen Faktoren abhängig. Ein Faktor sind die Großhandelspreise. Also, wie viel die Anbieter für die Beschaffung des Stroms bezahlen müssen. „Wir haben es aktuell mit sehr hohen Großhandelspreisen zu tun“, sagt Neubauer. Die Gründe für diesen Anstieg seien vielfältig. Viel habe damit zu tun, dass die Preise für Co2-zertifikate gestiegen sind. Auch der Anstieg der Gaspreise spielt eine Rolle, da er die Stromproduktion teurer macht. Nach Angaben von Check24 hat sich der Strompreis an der Börse im August im Vergleich zum Vormonat um 136 Prozent erhöht. Im Juli kostete demnach eine Megawattstunde 34,58 Euro, im August waren es 81,51 Euro. Inzwischen ist der Preis weiter gestiegen – aktuell liegt er bei 132,50 Euro. Auch das ist ein Rekordhoch. Inzwischen würden sich die Großhandelspreise auch auf den Verbraucherpreis niederschlagen, sagt Neubauer. Er weist zudem darauf hin, dass es aktuell auch nicht zwingend die Grundversorger sind, die für die steigenden Preise sorgen. Vielmehr hätten die übrigen Anbieter ihre Preise stark angezogen.
Wie geht es weiter? Ein weiterer Grund für steigende Strompreise waren in den vergangenen Jahren immer auch höhere Abgaben, Steuern und Umlagen. Diese machen noch immer 50 Prozent des Preisniveaus aus, spielen aber laut dem Strommarkt-experten Neubauer beim aktuellen Rekordhoch eine eher untergeordnete Rolle. Zumindest die Eeg-umlage dürfte in Zukunft nicht mehr so stark für große Preissprünge sorgen: Alle großen Parteien versprechen in ihren Wahlprogrammen, sie abzuändern oder ganz abzuschaffen. Klar ist aber: Deutschland wird in Zukunft immer mehr Strom brauchen. Nach einer Prognose der Bundesregierung werden 2030 in Deutschland 645 bis 665 Terawattstunden Strom verbraucht – 2020 waren es 545. Steigender Strompreis bei steigendem Strombedarf verspricht erst einmal nichts Gutes für die Verbraucher. Neubauer zufolge hängt die Preisentwicklung auf dem Strommarkt stark davon ab, wie schnell die erneuerbaren Energien ausgebaut werden. „Wenn wir mehr Strom brauchen, dann muss der Ausbau der Erneuerbaren vorangehen“, sagt Neubauer.
„Wir haben es aktuell mit sehr hohen Großmarktpreisen zu tun“Lundquist Neubauer Vergleichsportal Verivox
Wie können Verbraucher auf die steigenden Preise reagieren? Die Preise zwischen einzelnen Stromanbietern unterscheiden sich teilweise enorm. Wer seinen Stromanbieter wechseln möchte, muss eigentlich warten, bis sein alter Vertrag ausgelaufen ist. Doch erhöht der Stromanbieter den Preis, können Verbraucher von ihrem Sonderkündigungsrecht Gebrauch machen – und den Vertrag kündigen.
„Bei der Wahl eines neuen Stromanbieter muss man genau hinschauen“, sagt Neubauer. So könne man eventuell versteckten Kosten aus dem Weg gehen. Ob der Anbieter Ökostrom liefere oder nicht, habe zudem nicht zwingend Auswirkungen auf den Strompreis. Und auch wenn der Wechsel nicht reibungslos abläuft, stehen Verbraucher nicht ohne Strom da. Dann liefert der Grundversorger – allerdings meist zu höheren Preisen als viele andere Anbieter.