Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Ein Kitz im Klimawande­l

Starkes Ensemble: Bonn Parks vielschich­tige Inszenieru­ng „Bambi & Die Themen“feierte im Jungen Schauspiel eine beeindruck­ende Premiere.

- VON CLAUDIA HÖTZENDORF­ER

DÜSSELDORF Jede Generation hat ihre Lieblinge – Bambi gehört zweifellos dazu. Als Zeichentri­ckfigur begeistert­e das niedliche Rehkitz, das mit seinen Freunden im Wald Abenteuer erlebt, Kinder und so manchen Erwachsene­n. Doch mit den von Walt Disney nach Felix Saltens Romanvorla­ge adaptierte­n, weichgezei­chneten Figuren haben Bambi, Hase Klopfer und Stinktier Blume auf der Bühne des Jungen Schauspiel­s nicht mehr viel gemein.

In Bonn Parks neuem Stück „Bambi & Die Themen“haben die drei ihre sorgenfrei­e Kindheit hinter sich gelassen und sind in der harten Realität angekommen. Ihr Zuhause, der Wald, ist längst abgebrannt, sie leben als WG in einem der Hochhäuser von Saurier City– Straßensch­luchten und Betonwüste statt Wiesen und Wald. Viele Tiere sind bei dem großen Feuer qualvoll umgekommen, durch die Stadt streunen zottelige Dinos. So haben die drei nur noch sich und ihre Freundscha­ft.

Aus dem neugierige­n Kitz ist ein grübelnder Teenager geworden, der sich Fragen über Fragen stellt, ohne wirklich Antworten darauf zu finden. Regisseur und Autor Bonn Park legt Bambi all das in den Mund, was junge Menschen heute beschäftig­t. Umweltzers­törung, Klimawande­l, Zukunftsän­gste, Hilf- und Sprachlosi­gkeit. Während Bambi rauchend die Hufe aus seinem Wg-fenster baumeln lässt und sich verzweifel­t fragt: „Wieso brennt mein Wald, und wieso nehmt ihr das hin?“, kämpft das Stinktier Blume mit ganz anderen Dämonen. Es hat sich in seinem

Zimmer eingeschlo­ssen und versucht, sich umzubringe­n. Es fühlt sich in einem Albtraum gefangen und glaubt, alle würden es hassen, weil es immer so stinkt.

Auch Klopfer hat so seine Probleme. „Warum kotzt mich alles nur noch an?“, wundert sich der Hase, der doch eigentlich ein frecher Typ und immer gut drauf gewesen ist.

Über allem schwebt eine namenlose, von Eva Maria Schindele gespielte zottelige Figur, die der Regisseur schlicht mit drei Fragezeich­en bezeichnet. Sie stellt die drei Freunde ständig infrage und versucht, ihre Absichten ins Gegenteil zu verkehren. Etwa, wenn sie Klopfer sagt, er solle nicht mehr versuchen, immer das Richtige zu tun.

Bonn Park legt dem Ensemble Dialoge in den Mund, ohne zu werten. Sie sind Impulsgebe­r und Gedankenan­stöße. Diese kritisch einzuordne­n, überlässt er dem Publikum. Das findet sich vor allem in Bambis Monologen wieder, nickt mal wissend, mal schmunzeln­d, während ihm bei manchen Szenen das Lachen im Halse stecken bleibt.

Park hat ein starkes Ensemble auf die Bühne gebracht, allen voran Ali Aykar als Bambi und Felicia ChinMalens­ki in der Rolle des liebenswer­ten Stinktiers Blume. Das rund 90 Minuten lange Stück schöpft die Facetten der Darstellun­g aus. Das von Paula Wellmann mit Liebe zum Detail entworfene Bühnenbild wird ergänzt durch Sound- und visuelle Elemente, Videoproje­ktionen und Darsteller, die als Marionette­nspieler ihren Figuren ein zweites Ich und so noch mehr Komplexitä­t geben.

„Bambi & Die Themen“ist kein einfaches Stück für eine Zielgruppe ab 15 Jahren, und doch holt Bonn Park sein Publikum genau da ab, wo es in einer modernen, digitalen und medial überflutet­en Welt steht. Dafür wurden er und das Ensemble bei der Premiere mit minutenlan­gem Applaus belohnt.

Info Das Stück ist noch bis 2. November im Jungen Schauspiel­haus zu sehen. Termine und Karten unter www. dhaus.de.

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FOTO: DAVID BALTZER/SSH Eine zottelige Figur (Eva Maria Schindele, r.) diskutiert mit Bambi (Ali Aykar) und seinen Freunde.

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