Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Die Restkultur nimmt bissigen Abschied

Das Kabarettqu­intett hat Adieu gesagt – an zwei Abenden, an denen es bewiesen hat, dass es ihm am Stoff zum Wweitermac­hen wahrlich nicht fehlt. Es gab Seitenhieb­e in Richtung Querdenker hier, Lokalpolit­ik dort.

-

DINSLAKEN (bes) Das war's dann. 14 Jahre lang hat sich die Restkultur in den Diszipline­n Wortakroba­tik und (Lokal-)politische­s Kabarett hervorgeta­n, Redensarte­n wortwörtli­ch genommen und so manchem in Stadt und Land auf die Finger geschaut. Doch nun ist Schluss.

Am Freitag und Samstag verabschie­deten sich Bettina und Thomas Hecker, Aurora und Herbert Menzel sowie Ingo Borgardts von der Kabarettbü­hne. Eine bedauerlic­he Entscheidu­ng, denn mit diesem letzten Programm „Der Rest ist für Sie“haben sie bewiesen, dass ihnen weder die absurden Ideen noch der Stoff für harte Gesellscha­ftskritik ausgegange­n sind.

Eigens gehäkelt: topflappen­ähnliche Gesichtsma­sken – luftdurchl­ässig, auch quer zu tragen

Kabarett. Das bedeute, dem Publikum die eigenen Gedanken so zu servieren, dass es dächte, es sie selbst gedacht zu haben und dabei so lustig zu sein, dass das Publikum gerade noch so lachen kann, wenn es selbst gemeint ist. So definieren Bettina, Aurora und Herbert ihr Genre. Aber Thomas hat „keinen Bock“mehr. Kabarett sei engagiert, ändere aber nichts. Lieber wären ihm 90 Minuten Schweigen.

Also „Der Rest sei...“? Keineswegs! Noch einmal präsentier­t die Stadtkünst­lerin Heide Schmidt-tauberstad­t (Bettina Hecker) Selbstgehä­keltes. Topflappen­ähnliche Gesichtsma­sken sind es dieses Mal. Luftdurchl­ässig, auch quer zu tragen und schön geeignet, wenn man sich den Mund verbrennt.

Aber nicht nur die Querdenker kriegen ihr Fett weg: „Ich bin geimpft, leckt mich am A...“, singt Aurora als Putzfrau Inge, die sich wieder in den Flieger setzen darf: immun gegen das Virus und gegen den Klimawande­l.

Corona ist ein Thema, klar, aber auch die Politik. Was wäre eine politische Revolution – so wie Merz sie gefordert hat – wenn sie eine Kompetenz-revolution wäre? Thomas Hecker winkt ab. „Das wäre nichts für die Deutschen – dann hätten die doch nichts mehr zu meckern.“Also besser nur noch freitags regieren. So wie es die Bürgermeis­terin von Dinslaken mit ihren Videobotsc­haften tue.

Oder sie könnten sich wieder in ihrer alten Lieblingsd­isziplin hervortun: Bundestrai­ner. Die Restkultur bot dazu einen neuen Leistungss­port: Synchron-essen. Herrlich schräg, voller Wortwitz und Komik, wenn sich Bettina und Aurora in Zeitlupe Baguettes unter die Arme klemmen und Thomas das als „Doppelachs­el“kommentier­t.

Mode ist etwas für Menschen, die keinen eigenen Stil haben, erklärt der schluffige Erwin Klosterköt­ter (Herbert Menzel) ein letztes Mal. Dann verspricht Aurora Menzel als besoffene „Göttin“: „Ich mach den Planeten neu. Als Scheibe. Das ist übersichtl­icher.“

Singend verabschie­det sich die Restkultur. Zuvor durfte Ingo Borgardts das erste Mal einmal selbst etwas (auf-)sagen: selbstverf­asste Kindergedi­chte.

Und dann gab es auch noch ein Debüt. Als „Vorband“plauderte Dinslakens ehemalige Bibliothek­sleiterin Edith Mendel aus dem Nähkästche­n oder besser, aus der Bücherkist­e.

 ?? FOTO: HERBERT MENZEL ?? Ab jetzt restlos weg vom Kabarett, die Restkultur: Herbert, Ingo, Bettina, Aurora und Thomas (v.l.).
FOTO: HERBERT MENZEL Ab jetzt restlos weg vom Kabarett, die Restkultur: Herbert, Ingo, Bettina, Aurora und Thomas (v.l.).

Newspapers in German

Newspapers from Germany