Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Zwischen Wut und Schuld
Der bekannte Schriftsteller und Theater-autor John von Düffel wurde den RPLesern schon 2020 mit seinem Roman „Der Brennende See“vorgestellt. Sein jüngster Roman „Die Wütenden und die Schuldigen“ist das Porträt einer Drei-generationen-familie in Corona-zeiten und zugleich eine schonungslose Darstellung der Abspaltungen in unserer Gesellschaft.
Richard, der Großvater, ist protestantischer Pfarrer in der Uckermark. Er hat seinen Glauben schon seit langem verloren und sieht – schwer krebskrank – seinem baldigen Tod entgegen. Seinen Sohn Holger haben ein Selbstmordversuch und eine Fehldiagnose in eine psychiatrische Klinik gebracht. Maria, die inzwischen allein lebende Ehefrau Holgers, lebt in ihrer Berliner Wohnung in Quarantäne und macht trotzdem im Hause eine sie faszinierende neue Bekanntschaft.
Einzig die Enkelin Selma fährt von Berlin aus zu ihrem sterbenden Großvater in die Uckermark, während ihr Bruder Jakob, ein drogenabhängiger Kunststudent, sich von seiner Sucht verleiten lässt, in die Wohnung seiner Mutter einzubrechen, um sie zu bestehlen.
Und ausgerechnet Selma wird in dem kleinen Dorf in der Uckermark von einer Jugendgang bedroht und schließlich von einem der Jungs brutal vergewaltigt. Danach landet sie in derselben psychiatrischen Klinik, in der auch ihr Vater lebt.
Richard, dem Großvater, dagegen wird in seinen letzten Lebenstagen bewusst, wie sehr er seinem Sohn Holger Unrecht getan hat. Sein letzter Wunsch ist es nun, sich noch vor seinem Tod mit seinem Sohn Holger zu versöhnen. So führt das Sterben des Großvaters zumindest einen Teil der Familie wieder zusammen.
Der temporeich erzählte, ebenso unterhaltsam wie anregend zu lesende Roman veranschaulicht eindrucksvoll, welch hohen Preis Frauen für den (zumindest äußeren) Zusammenhalt einer Familie bezahlen, aber auch, wie die Nähe des Todes (auch in Corona-zeiten) unser Leben verändert.
John von Düffel: Die Wütenden und die Schuldigen. Roman, Dumont Verlag, Köln, 2021