Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Wenn Wolf am Tenderingssee die Leichen aus dem Keller holt
Klaus-peter Wolf las im Strandbad aus dem zweiten Teil seiner Krimi-trilogie „Rupert undercover“.
VOERDE (bes) Gerade noch sang Bettina Göschl ein sensibles Liebeslied aus der Perspektive einer sich ihrer inneren Widersprüche bewussten Ann Kathrin Klaasen speziell für die Veranstalterin des Abends Susanne Kaminski, da schaut Klaus-peter Wolf in die versammelte Fangemeinde und lächelt etwas schelmisch, aber auch etwas maliziös. Still ruht der Tenderingssee hinter der kleinen, überdachten Bühne, auf der das Künstlerehepaar Göschl/wolf Platz genommen hat. Über der Wiese zwischen dem Wasser und dem bereits im Dunkel des Septemberabends versunkenen Wäldchen breitet sich leichter, feiner Nebel auf, der die einsame Fläche in Unschärfe taucht. Idyllisch? Romantisch? Gespenstisch? „Das ist ja ein übles Pflaster hier“, erklärt Klaus-peter Wolf und bricht in sein typisches, glucksendes Lachen aus.
Mit „hier“meint Wolf Dinslaken – den Tenderingssee auf Voerder Stadtgebiet beanspruchen schließlich Dinslakener und Hünxer gleichermaßen auch für sich. Und im Dinslaken jener literarischen Krimiwelt des Klaus-peter Wolfs, die der unseren so täuschend ähnlich ist, dass selbst ein Teil der Menschen, die darin leben, auch in hiesiger Realität zu finden sind, treibt nun einmal in Dinslaken ein psychopathischer Auftragsmörder sein Unwesen.
Geier. Ein Sadist, ein Schlitzer, der in der Lichtburg sein Popcorn zermalmt und sich bei Zorbas vom Leichengeruch in seinem Eppinghovener Keller erholt. Wen wundert's, dass Klaus-peter Wolf auch über die territoriale Zugehörigkeit des Tenderingssees, wo er am Freitag erstmals vor seiner großen und treuen Dinslakener Fangemeinde las, seine eigene These hat: „Geier würde sagen, er gehöre ihm.“
Lokalkolorit im Krimi, das ist eines der Erfolgsgeheimnisse der Ostfriesland-reihe von Klaus Peter Wolf. Aber es gehört mehr dazu, als nur Leichen auszusäen, um regelmäßig Bestseller zu schreiben. Es geht um Themen. Ein guter Autor leistet seine Ermittlungsarbeit bei der Erstellung von Psychogrammen der Gesellschaft. Die Trilogie „Rupert undercover“, dessen zweiter Teil, „Ostfriesische Jagd“, Gegenstand der Lesung war, lässt sich als Satire lesen. Rupert, der sich selbst überschätzende und vielleicht auch wirklich unterforderte ostfriesische Kriminalbeamte erhält als Gangsterboss undercover endlich die Möglichkeit, seinem Machogehabe Taten folgen zu lassen. Macht treibt ihn an, sich immer mehr mit seiner Unterweltsrolle zu identifizieren.
Ihre Macht aber nutzen auch die Beamten eines BKA an der Grenze zur Legalität. Und Macht in ihrer grässlichsten Fratze offenbart sich in der Gestalt des Sadisten Geier. So lässt Wolf seinen AntiHelden Rupert nicht nur das derzeitige Bankensystem mit seinen Negativzinsen auf den Kopf stellen und sinnieren, dass die Anständigen nie befördert werden, weil ihre Rechtschaffenheit sie unabhängig bleiben lässt; Systeme aber Marionetten brauchen, die sich längst in Erpressbarkeit verstrickt haben.
Wolf schreibt vor dem Hintergrund der organisierten Kriminalität, der Geldwäsche und von Korruption. Weit hergeholt? Während sich das Publikum am Tenderingssee über Dr. Sommerfelds GangsterKlinik amüsiert, schlagen in Berlin die Wellen über die Durchsuchungen in Bundesministerien hoch. Der Verdacht: Deckung von Geldwäsche durch Teile des Zolls. Ruhig liegt der Tenderingssee. Was für eine Kulisse für eine Klaus- Peter-wolf-lesung. Stille Wasser sind so tief.
Dieses war der zweite Streich, der dritte Streich folgt am 3. Juni 2022. Der Abschluss der „Rupert undercover“-trilogie Premiere am Tenderingssee. Und soviel sei verraten: Dinslaken wird erneut zum Tatort spannender Krimilektüre.