Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Ernüchternde Bilanz auf dem Balkan
Bereits als Kanzlerkandidatin machte Angela Merkel 2005 durch ihre Balkan-reise deutlich, dass die Region nach den blutigen Bürgerkriegen dringend neue Perspektiven braucht. Am Ende ihrer Amtszeit muss die lange Jahre mächtigste Frau Europas schon sehr ins Kleingedruckte schauen, um bei ihrer letzten Balkan-reise Fortschritte benennen zu können. Der vor sieben Jahren von ihr initiierte Berliner Prozess habe die Gesprächsbereitschaft der verfeindeten Länder erhöht, meint sie.
Dieses Zeitlupentempo beherrscht die europäische Balkan-entwicklung. Nach dem Friedensvertrag von Dayton, der 1995 den Bosnien-krieg beendete, wurde ein Hoher Repräsentant in Sarajewo installiert. Er kann nach 26 (!) Jahren immer noch demokratisch gewählte Politiker feuern und sogar Gesetze erlassen. Inzwischen nimmt Christian Schmidt, einst Merkels Agrarminister, diese Funktion wahr. Es ist erfreulich, dass er sich zum Ziel gesetzt hat, das Amt überflüssig zu machen. Denn es ist Teil zunehmender Frustration. Vor zwölf (!) Jahren stellte Albanien den Antrag auf Eu-mitgliedschaft. Der Beitrittsprozess sollte längst laufen. Doch weil sich einzelne Eu-mitglieder querstellen, geht es immer noch nicht weiter.
Längst haben Russland und China, aber auch islamische Machtspieler wie Saudi-arabien diese offene Flanke Europas für das Basteln an eigenen Einflusszonen genutzt. Das schwächt Europa. Doch am Ende ihrer Amtszeit weiß Merkel nur erneut an die Europäische Union zu appellieren und zu versichern, dass der Balkan auch für ihren Nachfolger Herzensanliegen sein werde. Das ist viel zu wenig – und so bleibt ihr Besuch trotz aller Wertschätzung ihrer Gesprächspartner für ihren Einsatz mit der bitteren Vorahnung verbunden, dass sich in der Nach-merkel-ära die Probleme und Konflikte aufschaukeln.
BERICHT ALBANIEN DANKT MERKEL MIT ORDEN, POLITIK