Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Malteser: Mehr Einsatz gegen moderne Sklaverei nötig

- VON VIKTOR MARINOV

KÖLN Zwang zur Prostituti­on, Ausbeutung im Job, auch bei Minderjähr­igen: Menschenha­ndel ist in Deutschlan­d ein unterschät­ztes Problem. Zu diesem Fazit kommt der Migrations­bericht der Malteser, eine wissenscha­ftliche Analyse, die alle zwei Jahre erscheint. Rund 167.000 Menschen lebten allein in der Bundesrepu­blik in moderner Sklaverei, so die Hilfsorgan­isation. Dabei würden die Fälle nur selten aufgeklärt. „Wir hinken bei der Verfolgung der Organisier­ten Kriminalit­ät hinterher“, sagte Lars Feld, Direktor des Freiburger Walter-eucken-instituts und Leiter der Analyse.

In Nordrhein-westfalen gab es laut einem Lageberich­t des Landeskrim­inalamts (LKA) im Jahr 2019 lediglich 96 Ermittlung­sverfahren im Deliktbere­ich „Menschenha­ndel und Ausbeutung“. Bundesweit waren es 423 Verfahren. Das Dunkelfeld sei beträchtli­ch, so der Malteser-bericht. „Menschenha­ndel findet im Verborgene­n statt; ohne Kontrollen bleiben Straftaten vielfach unentdeckt“, heißt es darin.

Migranten sind der Analyse zufolge besonders gefährdet, Opfer von sexueller Ausbeutung oder auch von Ausbeutung im Job zu werden. So behielten Täter unter anderem Reisepässe ein oder verlangten das Abarbeiten von Schulden für die Reise nach Deutschlan­d. Die Opfer lebten in prekären Wohnungen, in denen es keinen Schutz vor Gewalt gebe. Manche vertrauten der Polizei nicht, hätten nur geringe Sprachkenn­tnisse oder sähen ihre Familie im Herkunftsl­and gefährdet.

78 Prozent der Opfer von Menschenha­ndel sind nach Daten des Bundeskrim­inalamts ( BKA) Migranten. Demnach kommen rund 25 Prozent der Opfer aus Asien, neun Prozent aus Afrika und insgesamt 64 Prozent aus europäisch­en Ländern (darunter 22 Prozent aus Deutschlan­d und 17 Prozent aus Rumänien). Bei den Tatverdäch­tigen machen die Europäer 73 Prozent aus, ein Drittel kam aus Deutschlan­d. In NRW ist dieses Verhältnis ähnlich. Laut LKA gab es 2019 insgesamt 150 Tatverdäch­tige, ein Drittel von ihnen kam aus Deutschlan­d.

Die Verantwort­ung sieht Berichtsau­tor Lars Feld aber weniger bei den örtlichen Behörden. „Gerade in der Phase der Flüchtling­smigration ist sehr klar geworden, welche Bedeutung die europäisch­en Behörden an dieser Stelle haben“, sagte er. Die Polizeibeh­örde der Europäisch­en Union, Europol, könne wesentlich mehr für die Polizeibeh­örden tun, auch für die in Deutschlan­d. „Es gibt einen grundlegen­den Bedarf zur Verbesseru­ng der Datenlage und zur Bekämpfung von Menschenha­ndel.“

„Wir hinken bei der Verfolgung der Organisier­ten Kriminalit­ät hinterher“Lars Feld Leiter der Malteser-analyse

Newspapers in German

Newspapers from Germany