Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Der millionenschwere Vertreter der Arbeiterpartei
Der norwegische Wahlsieger Jonas Gar Støre erinnert an Olof Palme. Er kommt aus einer wohlhabenden Familie, ist intellektuell und rhetorisch begabt.
OSLO Es soll schon immer sein Lebenstraum gewesen sein, Premierminister von Norwegen zu werden, und auch sein Vater, soll dies vor vier Jahren auf dem Sterbebett geflüstert haben – nun ist Jonas Gahr Støre am Ziel. Dass er zu einem hohen Amt taugt, hatte der 61-Jährige mehrfach bewiesen: Sohn eines Schiffsmaklers, Waldorfschüler, dann Marineoffizier, nach Studienjahren in Paris und Harvard kam er in die Osloer Staatskanzlei, er wirkte als Außenminister und verantwortete die Leitung des Gesundheitsministeriums.
Wären da nicht der Name seiner Partei – „Arbeiterpartei“wie die Sozialdemokraten in Norwegen heißen – und der Slogan „Jetzt kommen die gewöhnlichen Leute an die Reihe“. Kann ein so bürgerlicher Politiker, mit einem millionenschweren Privatvermögen, wirklich die weniger Begüterten in Norwegen vertreten und ihre Sorgen nachvollziehen? Diese Frage stellen die skandinavischen Medien. Erneut. Denn vor vier Jahren scheiterte der Politikwissenschaftler an seiner mangelnden Feinfühligkeit für die sozialdemokratischen Realitäten. In den Umfragen führend, stellte sich kurz vor dem Urnengang 2017 heraus, dass er bei seinem Hausbau Schwarzarbeiter beschäftigt hatte – was ihm ein Teil der Wählerschaft nicht durchgehen lassen wollte.
Auch diesmal musste er eine leichte Einbuße der Stimmen im Vergleich zur vergangenen Wahl hinnehmen. Auf der anderen Seite haben Karrieren von Großbürgerlichen in den sozialdemokratischen Parteien Skandinaviens auch Tradition – als bekanntestes Beispiel gilt der langjährige Premier Schwedens, Olof Palme. Und mit diesem wird Støre, der auch fließend Französisch spricht, derzeit wieder einmal verglichen. Zudem besitzt der Norweger eine überdurchschnittliche Redebegabung und liebt die intellektuelle Argumentation.
Gut für ihn, dass er weit weniger provozierend auftritt, als die schwedische Legende. Denn der norwegische Sozialdemokrat muss nun den Spagat schaffen, die Mineralölindustrie nicht zu verschrecken, die mit 200.000 Arbeitsplätzen verbunden ist. Auf der anderen Seite wird er von der Öffentlichkeit und dem Koalitionspartner „Sozialistische Linkspartei“unter Druck gesetzt, eine strengere Klimapolitik umzusetzen.