Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Vier Laien starten alleine ins Weltall

Der nächste Milliardär wagt die Reise ins All. Mit einem „Dragon“-raumschiff wollen Jared Isaacman und drei Mitreisend­e sogar die Erde umkreisen – ohne Profi an Bord.

- VON CHRISTINA HORSTEN

CAPE CANAVERAL (dpa) Der Pilot brach einst die Schule ab, gründete dann eine Zahlungsab­wicklungsf­irma und wurde zum Milliardär. Zu seinen drei Passagiere­n zählen eine Arzthelfer­in, die als Kind eine Knochenkre­bs-erkrankung besiegte, eine Künstlerin und ein zweifacher Vater, der für einen Freund einspringt. Noch vor wenigen Monaten kannten die Vier einander nicht – am Mittwoch (20.02 Uhr Ortszeit, 2.02 Uhr in der Nacht zum Donnerstag MESZ) wollen sie mit einem gechartert­en Raumschiff ins Weltall starten und gemeinsam drei Tage lang die Erde umkreisen. Der Veranstalt­er, die private Raumfahrtf­irma Spacex (deren Chef Tesla-gründer Elon Musk ist), spricht von „Inspiratio­n4“als der „ersten nur mit Laien besetzten Mission in die Erdumlaufb­ahn“.

Im Februar hatte der Us-milliardär Jared Isaacman sein Vorhaben angekündig­t. „Ich bin Weltraum-fan seit dem Kindergart­en“, wurde der 38-Jährige, der als erfahrener Pilot gilt, zitiert. Wie viel Isaacman für das Chartern des „Dragon“Raumschiff­s zahlte, wollten weder er noch Spacex verraten. In US-MEdien wurde über rund 200 Millionen Dollar spekuliert.

Isaacman betonte stets, dass er mit der Aktion Geld für das Kinderkran­kenhaus St. Jude in Memphis im Us-bundesstaa­t Tennessee sammeln wolle. Er selbst spendete 100 Millionen Dollar, suchte die dort arbeitende 29 Jahre alte Arzthelfer­in Hayley Arceneaux als erste Mitreisend­e aus – und verloste dann die anderen beiden Plätze im „Dragon“über Spendenakt­ionen. So kamen schließlic­h die 51 Jahre alte Künstlerin und Professori­n Sian Proctor und der 41 Jahre alte Raumfahrti­ngenieur Chris Sembrosk zum Team dazu. Gemeinsam haben sich die Vier nun seit Monaten intensiv auf den All-ausflug vorbereite­t – unter anderem im Spacex-hauptquart­ier in Kalifornie­n und bei einem Aufstieg auf den Mount Ranier im Nordwesten der USA. „Wir arbeiten daran, uns daran zu gewöhnen, dass es unbequem ist“, sagte Isaacman.

Die Ära des Weltraum-tourismus begann Anfang der 2000er-jahre. 2001 hatte der Us-unternehme­r Dennis Tito eine Woche auf der Internatio­nalen Raumstatio­n verbracht und dafür rund 20 Millionen Dollar bezahlt, er gilt als erster Weltraum-tourist. Es folgten rund ein halbes Dutzend weitere All-touristen. Isaacman ist nun bereits der dritte Milliardär innerhalb weniger Wochen, der von den USA aus ins All aufbricht. Im Juli hatten erst der Brite Richard Branson und rund zehn Tage später AmazonGrün­der Jeff Bezos erstmals ihre eigenen Raumschiff­e getestet.

„Inspiratio­n4“ist der nächste große Paukenschl­ag in der Entwicklun­g des Weltraum-tourismus und für Veranstalt­er Spacex ein großer Schritt in diesen lukrativen Markt – aber gleichzeit­ig auch eine Unter

„Es ist, als ob jemand eine sich selbst steuernde Jacht mietet und damit in den Weltraum segelt“John Logsdon Raumfahrth­istoriker

nehmung auf einem ganz anderen Level: Branson, Bezos und ihre Mitreisend­en waren nur Minuten unterwegs und stiegen nur knapp über (Bezos) beziehungs­weise knapp unter (Branson) die Höhe von 100 Kilometern über der Erde auf, die von vielen Experten und dem Internatio­nalen Luftfahrtv­erband als Grenze zum Weltraum angesehen wird. Die „Inspiratio­n4“-mission, über die auch eine Dokumentar­serie beim Streamingd­ienst Netflix entsteht, soll mit rund 580 Kilometern über der Erde sogar höher fliegen als die Internatio­nale Raumstatio­n (ISS) und unseren Planeten mit rund 30.000 Kilometern pro Stunde drei Tage lang alle 90 Minuten umrunden.

„Dieser Flug markiert den Übergang in der bemannten Raumfahrt von öffentlich zu privat“, sagte der Raumfahrth­istoriker John Logsdon der „Washington Post“. „Es ist, als ob jemand eine sich selbst steuernde Jacht mietet und damit in den Weltraum segelt.“

Aber auch wenn die „Dragon“Kapsel sich praktisch komplett selbst steuert, bleibt die Raumfahrt mit hohen Risiken verbunden – und der Weltraum-tourismus keine einfache Branche. Anfang des Monats erst hatte die Us-luftfahrtb­ehörde FAA Bransons Raumschiff „Spaceshipt­wo“nach Problemen bei einem Testflug vorerst die Starterlau­bnis entzogen. Die Firma wirbt trotzdem weiter für ihre Ticket-verkäufe, ebenso wie Bezos' Firma Blue Origin, die schon mindestens zwei weitere Flüge für dieses Jahr angekündig­t hat. Und es gibt noch mehr Pläne im Weltraum-tourismus: Unter anderem sollen im kommenden Jahr vier Männer aus den USA, Kanada und Israel zur ISS fliegen, veranstalt­et vom Unternehme­n Axiom Space gemeinsam mit der Us-raumfahrtb­ehörde Nasa und Spacex.

Bislang bleibt der Weltraum-tourismus vor allem Superreich­en und ihren Gästen vorbehalte­n. „Inspiratio­n 4“sei aber ein wichtiger Schritt in Richtung des Massen-tourismus im All, sagte der frühere Nasa-manager Alan Ladwig der „Washington Post“. „Es ist wichtig, weil nach 70 Jahren mit Diskussion­en darüber, dass es nicht mehr lange dauern würde, bevor wir alle ins All fliegen, es jetzt endlich klappt für Laien.“

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FOTO: INSPIRATIO­N4/DPA Chris Sembroski, Sian Proctor, Jared Isaacman und Hayley Arceneaux (v.l.) wollen am Mittwoch mit einem gechartert­en Raumschiff ins Weltall starten und gemeinsam drei Tage lang die Erde umkreisen.

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