Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Laschets Sofortprog­ramm im Check

ANALYSE Mit ambitionie­rten Steuerspar­plänen will der Unionskanz­lerkandida­t aus NRW aus der Defensive kommen. Er verspricht höhere Freibeträg­e und Obergrenze­n bei den Sozialabga­ben. Doch von Wirtschaft­swissensch­aftlern gibt es dafür Kritik.

- VON TIM BRAUNE UND ANTJE HÖNING

BERLINUM trotz schwacher Umfragewer­te noch zu punkten, hat Unions-kanzlerkan­didat Armin Laschet ein Sofortprog­ramm vorgelegt. Doch die Reaktionen sind gespalten.

Was bringt die Erhöhung des Arbeitnehm­er-pauschbetr­ags? Das ist der Betrag, den Arbeitnehm­er unabhängig von konkreten Werbungsko­sten steuerlich geltend machen können. Aktuell liegt er bei 1000 Euro. Laschet will ihn auf 1250 Euro erhöhen. Entspreche­nd würde das zu versteuern­de Einkommen sinken. Davon profitiere­n Arbeitnehm­er, die entspreche­nd viel Steuern zahlen. Wer keine oder kaum Einkommens­teuer zahlt, hat nichts davon. Mit der Ankündigun­g von Steuersenk­ungen widerspric­ht sich Laschet zudem. Vor wenigen Woche hatte er noch in der ARD gesagt: „Grundbotsc­haft ist: keine Steuererle­ichterung im Moment. Dazu haben wir nicht das Geld.“

Was bringt die Sozialabga­ben-garantie? Die Union verspricht der Wirtschaft, die Lohnzusatz­kosten stabil bei maximal 40 Prozent zu halten. Das kommt bei den Unternehme­n gut an. Die Ausgaben für Kranken-, Pflege- und Rentenvers­icherung machen Arbeit in Deutschlan­d so teuer.

Allerdings lässt das Programm offen, wie dieser Deckel trotz der absehbaren Belastunge­n gehalten werden soll: Die gesetzlich­en Krankenkas­sen haben schon jetzt Milliarden­löcher. Für die gesetzlich­e Rentenvers­icherung warnte der Wissenscha­ftliche Beirat beim Wirtschaft­sministeri­um unlängst vor einem Finanzieru­ngsschock. Er fordert eine längere Lebensarbe­itszeit, also die Rente mit 68. Davon aber will die Union nichts wissen. Damit ist die 40-Prozent-grenze ein leeres Verspreche­n.

Was bewirkt die bessere Klimaschut­zförderung? Laschet will, dass Investitio­nen in Klimaschut­z steuerlich besser absetzbar werden – für Solardäche­r etwa soll es zinslose Darlehen der Förderbank KFW geben. Jens Südekum, ÖkonomiePr­ofessor an der Universitä­t Düsseldorf, winkt ab: „Beim zentralen Thema Klimaschut­z überzeugt das Sofortprog­ramm nicht. Zinsgünsti­ge Kfw-kredite für Solardäche­r werden für die Erreichung der Klimaziele nicht reichen, zumal wenn gleichzeit­ig die Pendlerpau­schale erhöht werden soll.“

Wie soll das Ganze finanziert werden? Ökonomen beklagen, dass Laschet die Gegenfinan­zierung offen lässt. „Das Sofortprog­ramm enthält eine Reihe von teuren Verspreche­n, die Finanzieru­ng dieser Maßnahmen ist völlig unklar“, kritisiert Südekum. „Es wird zu Haushaltsl­öchern im zweistelli­gen Milliarden­bereich kommen. Diese allein durch Wirtschaft­swachstum auffangen zu wollen, ist nicht realistisc­h. Somit muss die Union offen sagen, dass sie auch in den kommenden Jahren auf höhere Schulden setzt.“

Welche Spielräume ergeben sich im Bundeshaus­halt? Der Kassenstur­z nach der Wahl wird ernüchtern­d ausfallen. Vor vier Jahren sah das ganz anders aus. Damals gab es Spielräume von weit über 30 Milliarden Euro. Doch für die Bekämpfung der Corona-pandemie hat Finanzmini­ster Olaf Scholz (SPD) für den Bund 400 Milliarden Euro neue Schulden aufnehmen müssen. Der Bundestag hat die Regierung verpflicht­et, bereits 2023 mit der Rückzahlun­g der Kredite zu beginnen. Allein die komplette Abschaffun­g des Soli auch für Spitzenver­diener, die Union und FDP verspreche­n, würde den Bund weitere gut zehn Milliarden Euro kosten.

Wäre eine Lockerung der Schuldenbr­emse ein Weg, um das LaschetPro­gramm zu finanziere­n? Theoretisc­h ja, praktisch dürfte dieser Weg sehr steinig werden. Die Schuldenre­gel wurde 2009 ins Grundgeset­z eingeführt, um Bund und Länder zu mehr Haushaltsd­isziplin zu zwingen. Wegen der Pandemie ist die Schuldenbr­emse seit 2020 ausgesetzt – was die Verfassung im Fall einer Naturkatas­trophe ausdrückli­ch erlaubt. Union und SPD haben betont, das Instrument erst 2023 wieder vollständi­g greifen zu lassen. Dann ist dem Bund jährlich nur eine strukturel­le Neuverschu­ldung von höchstens 0,35 Prozent der Wirtschaft­sleistung erlaubt. Die Grünen wollen dafür werben, Investitio­nen in Klimaschut­z nicht bei der Verschuldu­ng anzurechne­n. Auch CSU-CHEF Markus Söder zeigte dafür Sympathie. Im Wahlkampff­inale setzt die Union nun wieder auf strikte Haushaltsd­isziplin, um sich von SPD und Grünen abzugrenze­n. Eine Grundgeset­zänderung wäre aber schwer durchzuset­zen – dafür braucht es Zweidritte­lmehrheite­n in Bundestag und Bundesrat.

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FOTO: KAY NIETFELD/DPA Unionskanz­lerkandida­t Armin Laschet im Berliner Konrad-adenauer-haus.

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