Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Laschets Sofortprogramm im Check
ANALYSE Mit ambitionierten Steuersparplänen will der Unionskanzlerkandidat aus NRW aus der Defensive kommen. Er verspricht höhere Freibeträge und Obergrenzen bei den Sozialabgaben. Doch von Wirtschaftswissenschaftlern gibt es dafür Kritik.
BERLINUM trotz schwacher Umfragewerte noch zu punkten, hat Unions-kanzlerkandidat Armin Laschet ein Sofortprogramm vorgelegt. Doch die Reaktionen sind gespalten.
Was bringt die Erhöhung des Arbeitnehmer-pauschbetrags? Das ist der Betrag, den Arbeitnehmer unabhängig von konkreten Werbungskosten steuerlich geltend machen können. Aktuell liegt er bei 1000 Euro. Laschet will ihn auf 1250 Euro erhöhen. Entsprechend würde das zu versteuernde Einkommen sinken. Davon profitieren Arbeitnehmer, die entsprechend viel Steuern zahlen. Wer keine oder kaum Einkommensteuer zahlt, hat nichts davon. Mit der Ankündigung von Steuersenkungen widerspricht sich Laschet zudem. Vor wenigen Woche hatte er noch in der ARD gesagt: „Grundbotschaft ist: keine Steuererleichterung im Moment. Dazu haben wir nicht das Geld.“
Was bringt die Sozialabgaben-garantie? Die Union verspricht der Wirtschaft, die Lohnzusatzkosten stabil bei maximal 40 Prozent zu halten. Das kommt bei den Unternehmen gut an. Die Ausgaben für Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung machen Arbeit in Deutschland so teuer.
Allerdings lässt das Programm offen, wie dieser Deckel trotz der absehbaren Belastungen gehalten werden soll: Die gesetzlichen Krankenkassen haben schon jetzt Milliardenlöcher. Für die gesetzliche Rentenversicherung warnte der Wissenschaftliche Beirat beim Wirtschaftsministerium unlängst vor einem Finanzierungsschock. Er fordert eine längere Lebensarbeitszeit, also die Rente mit 68. Davon aber will die Union nichts wissen. Damit ist die 40-Prozent-grenze ein leeres Versprechen.
Was bewirkt die bessere Klimaschutzförderung? Laschet will, dass Investitionen in Klimaschutz steuerlich besser absetzbar werden – für Solardächer etwa soll es zinslose Darlehen der Förderbank KFW geben. Jens Südekum, ÖkonomieProfessor an der Universität Düsseldorf, winkt ab: „Beim zentralen Thema Klimaschutz überzeugt das Sofortprogramm nicht. Zinsgünstige Kfw-kredite für Solardächer werden für die Erreichung der Klimaziele nicht reichen, zumal wenn gleichzeitig die Pendlerpauschale erhöht werden soll.“
Wie soll das Ganze finanziert werden? Ökonomen beklagen, dass Laschet die Gegenfinanzierung offen lässt. „Das Sofortprogramm enthält eine Reihe von teuren Versprechen, die Finanzierung dieser Maßnahmen ist völlig unklar“, kritisiert Südekum. „Es wird zu Haushaltslöchern im zweistelligen Milliardenbereich kommen. Diese allein durch Wirtschaftswachstum auffangen zu wollen, ist nicht realistisch. Somit muss die Union offen sagen, dass sie auch in den kommenden Jahren auf höhere Schulden setzt.“
Welche Spielräume ergeben sich im Bundeshaushalt? Der Kassensturz nach der Wahl wird ernüchternd ausfallen. Vor vier Jahren sah das ganz anders aus. Damals gab es Spielräume von weit über 30 Milliarden Euro. Doch für die Bekämpfung der Corona-pandemie hat Finanzminister Olaf Scholz (SPD) für den Bund 400 Milliarden Euro neue Schulden aufnehmen müssen. Der Bundestag hat die Regierung verpflichtet, bereits 2023 mit der Rückzahlung der Kredite zu beginnen. Allein die komplette Abschaffung des Soli auch für Spitzenverdiener, die Union und FDP versprechen, würde den Bund weitere gut zehn Milliarden Euro kosten.
Wäre eine Lockerung der Schuldenbremse ein Weg, um das LaschetProgramm zu finanzieren? Theoretisch ja, praktisch dürfte dieser Weg sehr steinig werden. Die Schuldenregel wurde 2009 ins Grundgesetz eingeführt, um Bund und Länder zu mehr Haushaltsdisziplin zu zwingen. Wegen der Pandemie ist die Schuldenbremse seit 2020 ausgesetzt – was die Verfassung im Fall einer Naturkatastrophe ausdrücklich erlaubt. Union und SPD haben betont, das Instrument erst 2023 wieder vollständig greifen zu lassen. Dann ist dem Bund jährlich nur eine strukturelle Neuverschuldung von höchstens 0,35 Prozent der Wirtschaftsleistung erlaubt. Die Grünen wollen dafür werben, Investitionen in Klimaschutz nicht bei der Verschuldung anzurechnen. Auch CSU-CHEF Markus Söder zeigte dafür Sympathie. Im Wahlkampffinale setzt die Union nun wieder auf strikte Haushaltsdisziplin, um sich von SPD und Grünen abzugrenzen. Eine Grundgesetzänderung wäre aber schwer durchzusetzen – dafür braucht es Zweidrittelmehrheiten in Bundestag und Bundesrat.