Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Das Herrenfeld hat sich in den vergangenen Wochen neu sortiert. Welche Duelle künftig die Turniere bestimmen werden.
Mit dem Verzicht auf die Annahmeschwelle hat der Konzern den Weg für die Übernahme der Deutsche Wohnen geebnet.
BOCHUM/FRANKFURT Vonovia hat das Ziel, mindestens 50 Prozent der Aktien von Deutsche Wohnen zu bekommen, aufgegeben. Damit ist die Übernahme des Wettbewerbers so gut wie in trockenen Tüchern. Was bedeutet das für Mieter und den Wohnungsmarkt? Hie die wichtigsten Fragen und Antworten.
Warum ist die Übernahme nun so gut wie in trockenen Tüchern? Weil Vonovia die wichtigste Bedingung des Angebotes – eine Mindestannahmeschwelle – über Bord geworfen hat. Die vorige Übernahmeofferte für die Deutsche Wohnen scheiterte Ende Juli an der Mindestannahmeschwelle von 50 Prozent der ausstehenden Aktien. Da dies keine Voraussetzung mehr ist, kann die Fusion nun auch mit weniger als 50 Prozent Aktienanteilen über die Bühne gehen. Die Mehrheit kann Vonovia dann etwa über die neue Ausgabe von Aktien seitens der Deutsche Wohnen oder Zukäufe am Markt erreichen. „Vonovia wird die Deutsche Wohnen auf jeden Fall übernehmen“, sagte Konzernchef Rolf Buch.
Was bezwecken beide Unternehmen mir der Fusion? Durch die größte Übernahme im deutschen Immobilienmarkt erhoffen sich beide Unternehmen Effizienzgewinne. Die Rechnung der Konzerne ist einfach: Die Verwaltung der dann rund 550.000 Wohnungen läuft im Unternehmen über standardisierte Prozesse. Je mehr Einheiten, desto größer die Kostenvorteile – desto einfacher sind Investitionen, etwa in den Klimaschutz oder die energetische Sanierung, zu stemmen.
Was bedeutet das für die Mieter? Mit dem Übernahmeangebot im Mai haben beide Unternehmen einen „Zukunfts- und Sozialpakt Wohnen“angekündigt. Er sieht für Wohnungen in Berlin Mietpreiserhöhungen von höchsten einem Prozent in den kommenden drei Jahren vor. In den zwei darauffolgenden Jahren sollen höhere Mieten auf den Inflationsausgleich begrenzt sein. Damit wollen die Unternehmen augenscheinlich Bedenken begegnen, dass die Mieten durch die steigende Konzentration und Marktmacht vor allem in Berlin weiter steigen, wo rund drei Viertel der 160.000 Wohnungen der Deutsche Wohnen AG liegen.
Was befürchten Mieterverbände und Kritiker? Die angekündigte Begrenzung von Mieterhöhungen in den kommenden fünf Jahren verlangten den Dax-konzernen kaum etwas ab, heißt es vom Deutschen Mieterbund (DMB). Wegen starker Proteste in den vergangenen Monaten hätten die Unternehmen zwar eine „verbale Flucht nach vorne“angetreten. Das aber sei im Wesentlichen der Versuch, Kritikern wie der Berliner Vergesellschaftungsinitative den Wind aus den Segeln zu nehmen. Der DMB wirft beiden Konzernen vor, Gewinne nicht durch Mieterhöhungen im Bestand zu steigern, sondern vor allem durch Neuverträge. Bezahlbarer Wohnraum bleibe auch künftig knapp.
Welche Risiken birgt die Fusion für beide Unternehmen? Beobachter sehen in erster Linie das Risiko, dass solche Fusionen möglicherweise auch neue Regulierungen auf den Plan rufen könnten – auch angesichts der Debatten über den Mangel an bezahlbarem Wohnraum in den Großstädten. „Die Vonovia holt sich auch Ärger ins Haus“, sagte Marc Tüngler unserer Redaktion. Er ist Präsident der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz. Mit dem Kauf des Rivalen drohten auch Reputationsrisiken. Bisher hätten sich fast alle Mieterdemonstrationen gegen Deutsche Wohnen gerichtet. „In Zukunft wird sich das selbstverständlich auf die Vonovia konzentrieren“, so Tüngler. Das sei ein Risiko, das die VonoviaAktionäre mit Sorge beobachteten. Auch die verbleibenden Anleger der Deutsche Wohnen müssen mit Einschnitten rechnen. Denn Dividenden soll es erst einmal nicht mehr geben, weil das Geld zunächst in die energetische Sanierung von Gebäuden fließen soll.