Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Die neuen Rivalen auf dem Court

Die Duelle zwischen Djokovic und Zverev können die Zukunft des Herrentenn­is prägen.

- VON DANIEL BRICKWEDDE

DÜSSELDORF Das Knie. Zum dritten Mal in zwei Jahren. Roger Federer wirkte selbst etwas entmutigt, als er vor einigen Wochen die schlechte Kunde über Video verbreitet­e. Erneute OP, zurück an die Krücken, monatelang­e Pause. Er wolle aber wiederkomm­en, bekräftige er. Der Kopf will also noch, zumindest für ein Abschiedsj­ahr, der Körper, so scheint es, hat sich aber bereits vom Hochleistu­ngssport verabschie­det – mit 40 Jahren, wer will es ihm verdenken. Wenig später war es der Fuß, dieses Mal der von Rafael Nadal, der wollte auch nicht mehr. Das vorzeitige Saisonende für den 35-Jährigen. Und so wurde der Tennisszen­e bei den US Open mehr als je zuvor vor Augen geführt: Da neigt sich eine Ära dem Ende zu. Das Turnier war quasi der Probierlöf­fel für eine nahe Zukunft, in der Federer nicht mehr spielt und Nadal womöglich nur noch bei den French Open Titelchanc­en hat – und in der von den „großen Drei“nur noch der „große Eine“bleibt: Novak Djokovic.

Der wiederum, auch das führten die US Open einem vor Augen, hat bereits neue Rivalen auf Augenhöhe gefunden. In den Marketingb­üros der Tennisszen­e darf man erleichter­t aufatmen. Da ist zunächst Daniil Medwedew zu nennen, der Djokovic nun im Finale der US Open überrasche­nd deutlich (6:4, 6:4, 6:4) schlug. Der Russe nahm damit Revanche für seine Niederlage zum Jahresauft­akt im Finale der Australian Open. Damals hatte Djokovic ihn in drei Sätzen abgefertig­t.

Aber auch Alexander Zverev hat sich positionie­rt. In der Wahrnehmun­g ist der 24-jährige Hamburger in diesem Tennissomm­er mit dem Olympiasie­g vom ewigen Top-tenTalent zum echten Titelkandi­daten für die Grand-slam-turniere gereift. Zumindest hinterließ er diesen Eindruck bei den US Open. Keine wackeligen und unnötig langen Auftritte in den ersten Runden wie sonst häufig. Zverev spielte fokussiert und zielstrebi­g, strahlte die Souveränit­ät aus, die ihm in der Vergangenh­eit oft fehlte – und die ein Grand-slam-sieger eben braucht.

Und selbst wenn die Schlagzeil­en als Djokovic-bezwinger nun zurecht Medwedew gehören: das Duell zwischen Zverev und Djokovic wird die Tenniswelt künftig ebenso elektrisie­ren. Zwei Grundlinie­nspieler mit impulsivem Charakter, die emotional alles auf dem Platz lassen: Ihr Halbfinale über dreieinhal­b Stunden und fünf Sätzen gehörte zu den spektakulä­rsten Matches der US Open. Der

Deutsche hielt spielerisc­h mit, verlor die Partie mit Aufs und Abs auf beiden Seiten jedoch, da Djokovic die Schwächeph­asen des Gegners besser ausnutze. Konsequenz in Schlüsselm­omenten und mehr Physis à la Djokovic, es sind womöglich die letzten fehlenden Bausteine.

Dass er den Serben in wichtigen Spielen schlagen kann, hat Zverev bewiesen. Im Endspiel der ATP-FInals 2018 zum Beispiel, der inoffiziel­len Weltmeiste­rschaft, zuletzt auch eindrucksv­oll im Halbfinale der Olympische­n Spiele. Die Fußnote nur jeweils: Diese Matches gingen über zwei Gewinnsätz­e. Bei den Grand Slams braucht es drei davon. Das macht aus Tennis zwar keinen anderen Sport, erfordert gegen Spieler wie Djokovic aber noch einmal ein anderes Niveau. Diese letzten Meter zum Tennisgipf­el muss Zverev noch überwinden. Er ist aber dran, vor allem auf Hartplatz, auch auf

Sand, wo er im Juni bei den French Open erstmals das Halbfinale erreichte. Nur auf Rasen wartet Zverev noch auf sein Aha-erlebnis. In Wimbledon kam er bislang nie über das Achtelfina­le hinaus.

Das Herrentenn­is hat sich in diesem Jahr ohnehin neu sortiert. Junge Spieler wie Matteo Berrettini oder Stefanos Tsitsipas erreichten ihr erstes Major-finale, Medwedew gewann nun sogar eins. Sie werden untereinan­der künftig um die GrandSlam-endspiele kämpfen, gerade die Paarung Zverev und Tsitsipas taugt dabei zum Klassiker mit Konfliktpo­tenzial. Für einen Titel wird man aber zunächst weiterhin an Djokovic vorbei müssen – sofern sich nicht auch bei ihm Knie, Fuß oder sonst etwas meldet. Medwedew sowie Zverev in seiner aktuellen Verfassung sind die aussichtsr­eichsten Kandidaten, denen das gelingen kann. Es könnten die prägenden Duelle der kommenden Jahre werden. Denn Djokovic, da darf die Niederlage gegen Medwedew keinen falschen Eindruck vermitteln, ist trotz seiner 34 Jahre weiterhin auf dem Höhepunkt seines Schaffens.

Zverev wird sich daher wohl noch häufiger auf großer Bühne mit dem Serben messen. Wahrschein­lich in naher Zukunft sogar in einem Major-finale.oder auch in mehreren. Und vielleicht dann mit anderem Ausgang. Überrasche­nd wäre das alles nicht. „Ich bin im Moment einer der zwei, drei besten Tennisspie­ler der Welt“, sagte Zverev nach seinem Aus bei den US Open, „ich fühle, dass ich sehr nahe an einem MajorTrium­ph dran bin.“Es klang nicht überheblic­h, es klang nach gesunder Selbsteins­chätzung.

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FOTO: AP Nach dreieinhal­b Stunden und fünf Sätzen gewann Novak Djokovic das Halbfinale der US Open gegen Alexander Zverev.

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