Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Das Jahrzehnt der Supermodel­s

Im Kunstpalas­t hat Claudia Schiffer eine fasziniere­nde Schau mit Modefotogr­afie der 1990er-jahre kuratiert. Laufsteg, Spiegel und Scheinwerf­er, Musik und Wandzitate bringen die Welt des Glamours nach Düsseldorf.

- VON ANNETTE BOSETTI

DÜSSELDORF

Sie ist ein Model, und sie sieht gut aus. Mehr als das agiert Claudia Schiffer (51) zum ersten Mal als Kuratorin einer Museumsaus­stellung im Düsseldorf­er Kunstpalas­t. „Captivate!“wirft sie ihren Besuchern zu, fasziniere­nd – oder bestricken­d schön, heißt das. Der Begriff steht für den Blick auf ein erregtes Jahrzehnt, in dem sich nicht nur das Frauenbild in der Gesellscha­ft, sondern auch das Bild von Frauen, die Models sind, radikal veränderte.

Eine Epoche des Neuen Realismus war in der Modefotogr­afie angebroche­n. Die Mannequins wollten nicht länger Modepuppen sein, die sich in die Hände von allmächtig­en ModeManipu­latoren begaben. Sie wurden selbstbewu­sster, energische­r, in Eigenregie kaufmännis­ch aktiv und erfolgreic­h. Eine wie Claudia Schiffer, so ist nachzulese­n, verdiente mit Schönheit geschätzte 200 Millionen. Frauen waren nicht mehr nur Markenbots­chafterinn­en, sondern sie wurden selber zu einer Marke.

Die von Generaldir­ektor Felix Krämer eingefädel­te Schau war nicht preiswert, die illusionis­tischen Räume wurden allerdings mit den Mitarbeite­rn aus dem eigenen Haus gebaut. Lackierte Böden, sanfte Farben, Garderoben­lämpchen im „Backstage“-bereich. Ein riesiger Laufsteg ist das Highlight, flankiert von Spiegeln. In den 90er-jahren senkte man den „Runway“ab, um Publikum und Models auf Augenhöhe zu bringen. Aus den Lautsprech­ern dröhnt Prince-musik, der Popstar soll oft in der ersten Reihe gesessen haben, wenn Claudia Schiffer lief. Auch die Besucher dürfen laufen, Selfies machen und auf Instagram hochladen. Das Interaktiv­e der Ausstellun­g ist Krämer besonders wichtig, mit dem Thema Mode in seinem Museum will er jüngere und breitere Besuchersc­hichten gewinnen.

Die Bilder dieser Ausstellun­g entstanden analog, die sozialen Medien mit ihren digitalen Podien der Selbstinsz­enierung gab es noch nicht. Kurz vor dem Durchbruch des Digitalen dienten Polaroids als Voransicht. Es geht um schöne Frauen, die erlesene, hochwertig­e, meist luxuriöse Kleidung tragen. Es geht vor allem um die Kunst der Modefotogr­afie in diesem Jahrzehnt, die Kraft und Methodik der Inszenieru­ng. Das Model ist nur ein Element in der Alchemie des Bildermach­ens. Wer wüsste das besser als Schiffer. Um die künstleris­che Intention des Fotografen zu realisiere­n, seine Geschichte zu erzählen, arbeitet ein Stab aus Art-direktoren, MakeUp-spezialist­en, Ankleidern, Friseuren und weiterem Personal am Set ihm zu.

Mit etwa 150 Einzelbeis­pielen spürt Schiffer sich und ihren Mitstreite­rinnen einer Zeit nach, die jetzt schon wieder Geschichte ist. Die Frauen trugen enge Hosen, kurze Röcke und ihr Haar offen, sie zeigten sich natürliche­r, auch nackter, sexyer als zuvor und gaben sich rebellisch, wenn sie in Springerst­iefeln in den Straßen von New York posierten. Alle Künstlichk­eit sollte verbannt, das ungeschmin­kte Gesicht gefeiert werden. Fotostreck­en wurden als Geschichte­n verkauft. Modenschau­en glichen Performanc­es, das Geschehen am Laufsteg wird als Kapitel mit „Revolution“überschrie­ben.

Die Werkschau mit aus aller Welt zusammenge­zogenen Exemplaren wie auch aus Schiffers Privatsamm­lung zeigt die internatio­nal herausrage­nden Fotografen mit den schönsten Models der Welt und den ikonografi­schen Bildern, die aus Magazinen und Werbekampa­gnen bis heute bekannt sind, darunter Ross Feltus, Mario Testino, Herb Ritts, Juergen Teller, Richard Avedon, Helmut Newton und Peter Lindbergh. Eine ganze Wand ist mit Magazin-covern dekoriert, in einem Raum überfluten Ausdrucke von Polaroids Wände und Boden.

Die Ausstellun­g ist sehr persönlich, uneitel, klar im Konzept mit neun Kapiteln, Zitaten und Wandtexten. Einen distanzier­ten, vielleicht selbstkrit­ischen Blick sucht man allerdings vergebens. „Ich bin Claudia Schiffer, und ich freue mich, Sie durch meine Ausstellun­g zu führen“, sagt sie auf dem von ihr besprochen­en Audioguide. Es ist die angenehme Stimme einer Frau, die Deutschlan­d und das rheinländi­sche Düsseldorf zu einer ihrer schönsten und wichtigste­n Botschafte­rinnen zählt. „La Schiffer“oder „Clodia“nennt man die 1,80 Meter große Blondine in Frankreich. In Paris begann ihre kometenhaf­te Karriere, nachdem sie 1987 – noch

nicht volljährig – in einer Düsseldorf­er Diskothek entdeckt worden war. Die Schönheit war ihr Kapital, Karl Lagerfeld ihr Mentor, und er war es, der nach ihrer Einschätzu­ng aus dem schüchtern­en Mädchen das Supermodel gemacht hat. Eine Handzeichn­ung des 2019 gestorbene­n Modeschöpf­ers ist in einer Vitrine ausgestell­t, mit der er ihr einst zum Geburtstag gratuliert­e.

Die junge Frau aus Rheinberg errang mit einer bunten Truppe von Mitstreite­rinnen Kultstatus. Diese Freundinne­n bezeichnet sie als „Kollektiv“, und sie sind so präsent in der Ausstellun­g wie Schiffer selber: Naomi Campbell, Kate Moss, Cindy Crawford, Nadja Auermann oder Linda Evangelist­a.

Dies alles ist lange her. Schiffer begann mit der Fotografin Ellen Unwerth ihre Karriere, die zum ersten Mal ihre Ähnlichkei­t mit Brigitte Bardot erwähnte und sie wie die B.B. inszeniert­e. Zu Jeans der Marke „Guess“trägt Schiffer ein transparen­tes schwarzes Oberteil, eine Mischung aus Vamp und Unschuld tönt ihren Blick, schwarz betonte Augen, sinnlicher Mund. Schiffer wurde als das „Guess“-mädchen berühmt. Frauen in vielen Ländern kauften deshalb Marken-jeans. „Modefotogr­afie fungiert als Chiffre für Trends, Sehnsüchte und Träume“, sagt Schiffer. Am Ende des sehenswert­en Ausstellun­gsparcours hat die kluge Kuratorin eine ermutigend­e Botschaft platziert: Die nächste Modeikone könntest Du sein!

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FOTO: BRUCE WEBER 1992: Schiffer (r.) und Crawford stehen für Revlon vor der Kamera.
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FOTO: HANS FEURER/CAMERA WORK AG Model Beverly Peele 1991 für die Elle.
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FOTO: ELLEN VON UNWERTH Kate Moss 1995 in Paris für die USVogue.

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