Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Curevac setzt auf Corona-impfstoff Nummer zwei
Der erste Hoffnungsträger des Tübinger Unternehmens enttäuschte. Im zweiten Anlauf könnte nun ein Durchbruch gelingen.
DÜSSELDORF Die neuen MRNAImpfstoffe sind keine Selbstläufer. Nicht einmal 50 Prozent Schutzwirkung – größer hätte die Enttäuschung bei den Entwicklern der Firma Curevac wohl nicht sein können. Dabei hatte man nach der erfolgreichen Zulassung der Vakzinen von Biontech und Moderna gedacht, die Markteinführung des dritten mrna-impfstoffs sei nur noch eine Formsache. Ende Juni kam dann der Schock für das Tübinger Unternehmen: Impfstoff Cvncov erreichte gerade einmal eine Schutzwirkung von 48 Prozent – bezogen auf alle Varianten und Covid-infektionen jeglicher Schwere. Ein zu niedriger Wert für ein Vakzin.
Warum hat der Curevac-impfstoff nicht ähnliche Wirksamkeiten wie die anderen beiden MRNAImpfstoffe erreicht? Es könnte unter anderem daran liegen, das Biontech und Moderna – im Gegensatz zu Curevac – den Code ihrer ImpfMRNA an einer Stelle verändert haben. Dies soll verhindern, dass das eingeschleuste Erbgut vom Immunsystem zu früh bemerkt und angegriffen wird, bevor die Bauanleitung für das Coronavirus abgelesen ist. Bei Curevac selbst sieht man diesen Unterschied aber weniger als Ursache der mangelnden Wirksamkeit ihrer ersten Vakzine. Vielmehr vermuten die Entwickler dort, dass das Aufkommen der neuen Virusvarianten die Haupt-ursache für die geringere Wirksamkeit ist. Denn als Biontech und Moderna ihre Zulassungsstudien durchführten, waren Varianten wie Beta und Delta noch kaum verbreitet.
Umso erfreulicher sind nun neue Ergebnisse, die Curevac mit einer zweiten Version seines Corona-impfstoffs (CV2COV) erzielt hat. Gemeinsam mit dem britischen Pharmakonzern Glaxo Smith Kline (GSK) entwickelten die Tübinger dieses leicht modifizierte Vakzin. Es enthält zwar weiterhin in unveränderter mrna-form die Bauanleitung für das gesamte Spike-protein von Sars-cov-2. Aber diesmal manipulierten die Forscher die begleitenden Abschnitte der MRNA, quasi das Rückgrat. Von diesem Umbau erhoffen sie sich ein besseres Ablesen der Virus-erbinformation und damit eine stärkere Immunantwort des Geimpften. Denn: Je besser die MRNA in der Zelle abgelesen wird, umso mehr Sars-cov-2-protein produziert sie, und umso mehr wird die Immunabwehr angeregt.
In präklinischen Tier-versuchen hat dieser Ansatz nun sehr gute Ergebnisse erzielt. Darüber berichtet unter anderen das Magazin „Scinexx“. An der Harvard Medical School in Boston testeten Wissenschaftler das neue Vakzin CV2COV an Javaner-affen. Bereits 14 Tage nach der ersten Impfung zeigten die Tiere eine deutliche Immunantwort. Nach Verabreichung der zweiten Dosis stiegen laut Studienmachern nicht nur die Antikörperwerte, sondern auch die wichtigen T- und BGedächtniszellen wurden viel stärker aktiviert als dies bei der ursprünglichen Curevac-vakzine der Fall war. Nach acht Wochen wurden die Versuchstiere mit Sars-cov-2 infiziert. Das Ergebnis: Bei den zuvor mit dem neuen Impfstoff geimpften Tieren nahm die Lunge keinen Schaden, die Viruslast blieb gering.
Und noch eine Erkenntnis macht den Forschern große Hoffnungen: Sie testeten die Wirkung von CV2COV in Zellkulturen auch gegen die neuen Corona-varianten wie Beta, Delta und Lambda. Und auch hier zeigte sich, dass der neu kreierte Impfstoff eine mehr als zehnfach höhere Menge neutralisierender Antikörper hervorbringt als sein Vorgänger.
Die im Tierversuch deutlich stärkere Immunantwort gegen SarsCOV-2 und die erhöhte Schutzwirkung macht nun den Entwicklern Hoffnung. Noch im vierten Quartal sollen erste klinische Studien am Menschen beginnen.
Aus den enttäuschenden Ergebnissen mit Impfstoff Nummer eins zog das Unternehmen unterdessen erste Konsequenzen. Am Dienstag teilte Curevac offiziell die Verkleinerung des Produktionsnetzwerkes mit. Die Verträge mit Wacker und Celonic seien gekündigt worden, hieß es von Unternehmensseite. Ob Vakzin Nummer eins jemals von der Europäischen Arzneimittelagentur zugelassen wird, bleibt offen.