Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Skandal um Gutachten für Mühlenberg

Das Gahlener Bürgerforu­m und die Grünen attackiere­n die Kreisverwa­ltung, weil sie der Firma Nottenkämp­er, und somit dem Verursache­r der Umweltsünd­e, die Suche nach Gutachtern überlasst. Auch der Landrat steht in der Kritik.

- VON HELMUT SCHEFFLER

SCHERMBECK Zwischen 2010 und 2013 kam es bekanntlic­h zu einer illegalen Einlagerun­g von Ölpellets in der Verfüllung der Tonabgrabu­ng Mühlenberg, die dadurch zu einer Deponie der höchsten Klasse umfunktion­iert wurde. Während die Gerichte sich seit Jahren vergeblich bemühen, die Umweltsünd­er zu bestrafen, drohen die illegal eingelager­ten Ölpellets das Grundwasse­r zu verseuchen.

Im Zuge der Prüfung der ausgehende­n Gefahren wurde in einem vom nordrhein-westfälisc­hen Ministeriu­m für Umwelt, Landwirtsc­haft, Natur- und Verbrauche­rschutz (MULNV) beauftragt­en und im November 2020 vorgelegte­n Abschlussb­ericht die Notwendigk­eit weiterer Untersuchu­ngen zur Gefährdung­sabschätzu­ng und Vorbereitu­ng von Sanierungs­maßnahmen festgestel­lt. Damit die notwendige­n Maßnahmen korrekt und in einem bestimmten zeitlichen Rahmen erledigt werden können, hat der Kreis Wesel zusammen mit dem Betreiber der ehemaligen Abgrabung und jetzigen Deponie, der Firma Nottenkämp­er, den öffentlich-rechtliche­n Vertrag vom 1. September 2016 erweitert und eine neue Vereinbaru­ng im Juli 2021 vorgelegt.

Die Kreis-grünen und das Gahlener Bürgerforu­m (GBF) kritisiere­n diese Vereinbaru­ng, an der die Politiker des Kreises nicht beteiligt wurden. Nach Auffassung der Grünen hätte überhaupt kein Vertrag geschlosse­n werden müssen. „Der Kreis Wesel hätte auch mit seinem Ordnungsre­cht weitere Untersuchu­ngen vergeben können“, sind sie überzeugt. Stattdesse­n gäbe der Kreis das Heft des Handelns aus der Hand. Der Vertrag besteche durch einseitige Vorteile für die Firma Nottenkämp­er, also für den Verursache­r, und sei deshalb mehr als schlecht für die betroffene­n Menschen sowie für Umwelt und Natur.

Um das Skandalöse der Vereinbaru­ng öffentlich zu machen, trafen sich grüne Politiker und Mitglieder der GBF am unmittelba­ren Rand der Mühlenberg-deponie. Als umweltpoli­tischer Sprecher der GrünenLand­tagsfrakti­on vertrat Norwich Rüße die Auffassung, dass Ölpellets zu keinem Zeitpunkt als Produkt hätten bewertet werden dürfen, sondern lediglich als Abfall, der aber niemals in der Deponie Mühlenberg hätte landen dürfen.

Die Aufgabe, öffentlich zu machen, dass der Kreis Wesel Gutachter zulässt, die von der Firma Nottenkämp­er finanziert werden, übernahm Ulrike Trick, die stellvertr­etende Sprecherin der Kreistagsf­raktion. Die Firma Ahu, deren Gutachten schon frühzeitig beanstande­t wurde, lässt durch ihren Mitarbeite­r Ulrich Lieser die anstehende­n Untersuchu­ngsmaßnahm­en durchführe­n. Für die erforderli­che Untersuchu­ng der Randabdich­tung, die bereits am 11. Januar 2021 begonnen hat, beauftragt­e die Firma Nottenkämp­er den Gutachter Dr. Kerth.

Die Rollenvert­eilung bei den Gutachten und anstehende­n Kontrollma­ßnamen kann auch das Gahlener Bürgerforu­m nicht so richtig nachvollzi­ehen. „Ist es ein Zeichen von Transparen­z beziehungs­weise Neutralitä­t, wenn die Firma Ahu, die unter anderem anscheinen­d die nicht zurückgeba­ute Zwischenab­dichtung übersehen, zumindest aber diesen möglichen Umstand nicht in ihrem Gutachten erwähnt hat, jetzt für Nottenkämp­er weiter Un

tersuchung­en durchführt?“, fragt die Gruppe den Kreis Weseler Landrat Ingo Brohl in einem Schreiben.

Gbf-sprecher Stefan Steinkühle­r verweist auch auf die Firmen Asmus und Prabucki, die zum Team der Untersuchu­ngen gehören, obwohl sie das erste Gutachten angefertig­t hatten, das, so Steinkühle­r, „selbst der Kreis Wesel als ungenügend angesehen und deswegen auch unter Einbindung der Oberbehörd­en Ahu als Zweitgutac­hter ins Spiel gebracht hatte.“

Enttäuscht ist das Gahlener Bürgerforu­m vom amtierende­n Landrat Ingo Brohl. Dem hatte das GBF vor der Landratswa­hl des Jahres 2020 die Chance gegeben, während einer Rundfahrt durch Gahlen öffentlich­e Statements zur künftigen Arbeit der Kreisverwa­ltung in Sachen Ölpellets im Mühlenberg abzugeben. „Ich werde das absolut transparen­t machen und mir die bestehende­n Akten durchsehen“, versprach Brohl wenige Tage vor seiner Wahl zum Landrat im September 2010 ein paar Steinwürfe vom Mühlenberg entfernt. Die bislang fehlende Transparen­z im Kreishaus sei ein Führungspr­oblem gewesen. „Ich kenne nur eine offene Krisenbewä­ltigung, sonst schadet es dem Amt“, war Brohl vor einem Jahr überzeugt und wiederholt­e mehrmals eine höchstmögl­iche Offenheit der Kreisverwa­ltung. „Weil wir damit das Haus schützen“, erklärte Brohl damals.

„Wir würden für Herrn Brohl nicht noch einmal Wahlkampf leisten“, distanzier­t sich Steinkühle­r nun deutlich von der Kehrtwende des Landrats. „Man muss von einer Verwaltung schon erwarten können, dass sie sorgfältig arbeitet und sich distanzier­t verhält, damit das Vertrauen der Bevölkerun­g wieder hergestell­t wird“, empfiehlt das Landtagsmi­tglied Norwich Rüße. Für sich hat er als Konsequenz beschlosse­n, im Umweltauss­chuss des Landes NRW und im Rahmen von kleinen Anfragen regelmäßig an den Ölpellet-skandal im Gahlener Heisterkam­p zu erinnern.

Wie Norwich Rüße ist auch der Grünen-bundestags­kandidat HansPeter Weiß davon überzeugt, dass das System der Kontrolle gegen die Firma Nottenkämp­er verändert werden muss. Nur so gerate eine Verwaltung nicht unter die Räder eines Wirtschaft­sbetriebes.

 ?? FOTO: HELMUT SCHEFFLER ?? Mit dem Kuschelkur­s zwischen der Kreisverwa­ltung und der Firma Nottenkämp­er sind das Gahlener Bürgerforu­m und die Kreis-grünen überhaupt nicht einverstan­den. Unterstütz­t werden sie vom Landtagsab­geordneten Norwich Rüße (4.v.r.) und vom Bundestags­kandidaten Hans-peter Weiß (3.v.l.).
FOTO: HELMUT SCHEFFLER Mit dem Kuschelkur­s zwischen der Kreisverwa­ltung und der Firma Nottenkämp­er sind das Gahlener Bürgerforu­m und die Kreis-grünen überhaupt nicht einverstan­den. Unterstütz­t werden sie vom Landtagsab­geordneten Norwich Rüße (4.v.r.) und vom Bundestags­kandidaten Hans-peter Weiß (3.v.l.).

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