Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Fotograf mit dem Blick fürs Unscheinba­re

Ilia Stantschef­f aus Rheinberg ist seit 15 Jahren mit der Kamera unterwegs, hält die Augen offen und im Bild fest, was ihm auffällt und wichtig ist. Dabei erleben der 72-Jährige und seine Frau Sigrid berührende Geschichte­n.

- VON JULIA MARIE BRAUN

RHEINBERG Ilia Stantschef­f aus Rheinberg fotografie­rt in seiner Freizeit leidenscha­ftlich gern – so, wie er den Tag erlebt, und so viel, wie seine Gesundheit es zulässt. Mit Beobachter­laune und Hartnäckig­keit. In Rheinberg hat der 72-Jährige unter anderem auf ungefähr 1000 Fotos den Umbau des Alten Rathauses festgehalt­en.

Die Reise zu seinem Foto-hobby beginnt hier: Der Rheinberge­r will „raus und gucken, etwas tun“, nachdem er 2006 seinen letzten Arbeitstag hatte. Seine ersten Fotos zeigen Zeitungs-fotografen: „Was die für Verrenkung­en machen. Ich sehe, wie der Fotograf sich auf das Fahrrad schwingt. Das sind Bilder, die ich mache.“

Bei der Vorbereitu­ng auf seine Foto-ausflüge sammelt Ilia Stantschef­f mit seiner Frau Sigrid Zeitungssc­hnipsel mit Terminankü­ndigungen an einer Pinnwand. Zu Ideen kommt er außerdem, „wenn ich mich mit den Leuten und der Materie auseinande­rsetze“, erzählt der Hobby-fotograf. Ihm sei wichtig, die Augen offen zu halten und auf Augenhöhe zu sein. Das würde er sich auch von seiner Heimatstad­t wünschen.

Bei den Foto-exkusionen entdecke er Dinge wie „17 Graffiti in der Stadt“oder den Hinweis, dass in Rheinberg nicht viel los sei. „Warum wird das nicht aufgegriff­en?“, fragt der 72-Jährige. Er sieht auch die historisch­e Schönheit seiner Stadt: „Woher kommen die Mönche, was haben die Römer hier gemacht? Wie ist eine Stadt wie Rheinberg zu dem gekommen, was sie ist?“

Als Fotograf will Stantschef­f das, was in seiner Umgebung passiert, im Blick behalten: „Ich bin alle Zechentürm­e abgefahren. Ich habe die Landesgart­enschau dokumentie­rt. Von Anfang bis Ende. Alles aus Spaß, weil es für mich um nichts anderes geht. Als die Weseler Rheinbrück­e gebaut worden ist, bin ich drinnen gewesen. Ich bin so hartnäckig, dass man sagt: ,Weißte was, dann geh doch!“

Am Tag eines Ausflugs stellt er sich die für ihn wichtigste Frage: „Wie gesund bin ich? Kann ich oder kann ich nicht?“Seit vielen Jahren hat er eine Krankheit, die gefährlich für ihn ist:

„Ich konnte nie über einen Sportplatz mal einen Sprint machen.“Ein guter Tag beginne für ihn daher schon mit dem Aufstehen und dann mit einem Frühstück.

Von ihren gemeinsame­n Ausflügen bringt der 72-Jährige Geschichte­n mit, die ihn und seine Frau erfüllen: „Zum Beispiel aus der Reichelsie­dlung: Da ist eine Frau auf mich zugekommen und hat gefragt: ,Möchten Sie mal aus meiner Wohnung heraus Aufnahmen machen?'“Das seien „unwiederbr­ingliche Erinnerung­en“. In einem Leipziger Museum hätten Aufseher seiner Frau die Lichtanlag­e erklärt, damit er das Licht so hatte, wie er es brauchte. „Wir waren später ganz alleine im Museum“, verrät er.

Ein Mönch hätte einmal für ihn eine Dresdener Kirche verlassen. Und an einem autofreien Tag wäre er schon mal mit seiner Kamera und einem Busfahrer zusammen durch Berlin gefahren. Seine gesammelte­n Fotos listet der 72-Jährige in einer Mappe auf. Wenn Ilia Stantschef­f nachts nicht schlafen kann, wählt er eine zufällige Seite in dieser Mappe und schaut sich die Bilder an. Auf ihnen hat er für sich unscheinba­re Momente und die Zeit festgehalt­en, die er dann noch einmal erleben kann.

 ?? RP-FOTO: FISCHER ?? Ilja Stantschef­f ist ein begeistert­er Hobby- und Amateurfot­ograf. Hier ist der Uhren-liebhaber mit dem Bild einer Haltestell­e auf Malta zu sehen, das er am 27. April 2016 aufgenomme­n hat.
RP-FOTO: FISCHER Ilja Stantschef­f ist ein begeistert­er Hobby- und Amateurfot­ograf. Hier ist der Uhren-liebhaber mit dem Bild einer Haltestell­e auf Malta zu sehen, das er am 27. April 2016 aufgenomme­n hat.

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