Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Erkältungswelle rollt über NRW
Husten, Schnupfen und Halsschmerzen: Auffallend viele Kinder im Land klagen aktuell über Atemwegserkrankungen. In vielen Kitas bleiben bereits die Hälfte der Kinder zu Hause. Experten vermuten als Ursache die Pandemie.
DÜSSELDORF In Nordrhein-westfalen haben derzeit auffallend viele Kinder mit Erkältungssymptomen wie Husten, Halsschmerzen und triefender Nase zu kämpfen; ein Schwerpunkt der Krankheitswelle ist der Raum Düsseldorf. „Die Erkältungswelle trifft hier viele Kitas. So haben wir eine Mitgliedseinrichtung mit 60 Kindern, von denen 40 überwiegend wegen Erkältungen zu Hause bleiben mussten“, sagte Klaus Bremen, Landesvorsitzender des Deutschen Kita-verbands in NRW, unserer Redaktion. „Ich rate Eltern, ihre Kinder bei deutlichen Erkältungssymptomen auf jeden Fall zu Hause zu lassen – nicht nur wegen Corona. Dadurch schützen sie die anderen Kinder und tragen dazu bei, dass ein Virus nicht weiter kursiert“, so Bremen.
Grund für die Erkältungswelle ist indirekt die Pandemie. „Weil die Kinder durch die Schließungen von Schulen und Kitas viel weniger Infekte hatten, ist ihr Immunsystem nichts mehr gewohnt“, erklärte Axel Gerschlauer, Kinderarzt und Sprecher des Berufsverbands der Kinderund Jugendärzte Nordrhein. Für die kleineren Kinder fürchte man vor allem Rs-viren, die zum Beispiel für obstruktive Bronchitis und Lungenentzündung verantwortlich seien und vor allem Frühgeborene, Säuglinge und Kleinkinder gefährden könnten. „Pädiatrische Infektiologen warnen bereits vor einer früheren und stärkeren Rs-virus-welle“, so Gerschlauer. Er rechnet damit, dass die Erkältungswelle bis Ostern andauern wird, ermutigt die Eltern aber anders als Bremen, ihre Kinder bei „banalen Atemwegs-infekten“in die Kitas zu schicken: „Wenn ein Kind kein Fieber hat und gut drauf ist, besteht kein Grund, es zu Hause zu lassen.“
Viele Eltern sind aber auch wegen der Corona-schutzordnung verunsichert, wonach Kinder bei Schnupfen ohne weitere Krankheitsanzeichen für 24 Stunden zu Hause beobachten werden müssen. Sollten demnach keine weiteren Symptome auftreten, kann das Kind wieder betreut werden. „Es kann viele Gründe für eine laufende Nase geben. Wichtig ist, dass die Eltern sich offen mit den Erziehern austauschen und ihr Kind nicht einfach in die Kita schicken mit laufender Nase“, sagte Bremen. Um die Viren einzudämmen, empfiehlt er allen Eltern und Erzieherinnen, sich gegen die Grippe impfen zu lassen. Die Kassenärztliche Vereinigung ruft vor allem Ältere und Immungeschwächte dazu auf, sich gegen die heranrückende Grippe impfen zu lassen, um zusätzliche Belastungen zu vermeiden: „Wer gegen die Grippe vorsorgt, schützt nicht nur seine eigene Gesundheit, sondern auch die vieler anderer. So kann jeder dafür sorgen, dass nicht zusätzlich die saisonale Influenza das Pandemie-geschehen beeinflusst“, sagte Kv-chef Frank Bergmann.
Die Apotheken im Rheinland erwarten einen harten Winter: „Wir gehen davon aus, dass der Winter nicht einfach wird. Schon jetzt haben viele Menschen Erkältungen. Auch die Kinderärzte melden viele Virusinfektionen bei Kindern, besonders kleine Kinder sind davon oft stark betroffen“, sagte Thomas Preis, Chef des Apothekerverbands Nordrhein, unserer Redaktion. Auch er sieht als Ursache oft Rs-viren, die sonst erst im Winter auftreten. „In diesem Jahr gibt es diese Infektionen schon vor Beginn der kalten Jahreszeit.“Im vergangenen Winter habe es keine Grippewelle und kaum Erkältungen gegeben. „Jede Infektion ist aber ein Booster für die eigenen Abwehrkräfte, und das fehlt uns seit einem Jahr“, so Preis. „Insgesamt könnten wir deshalb jetzt empfindlicher auf Viren reagieren.“
Die Hausärzte in NRW sehen sich aber vorbereitet für Infektionswellen. „Die Praxen sind gerüstet. Die Routinen im Praxisalltag werden wieder aufgenommen und die Diskussionen um die Ungeimpften werden beendet“, sagte Oliver Funken, Chef des Hausärzteverbands Nordrhein. „Wir kümmern uns um die, die unsere Hilfe wollen. Und wir impfen alle Patienten, die das wollen, zum dritten Mal.“
Eine Leiterin einer Großtagespflege in Düsseldorf, die Kinder unter drei Jahren betreut, berichtet davon, dass von der Erkältungswelle auch viele Erzieherinnen und Eltern betroffen sind. „Sie werden von den Kindern angesteckt. Das führt dann zu Komplettausfällen von Familien und Kitas“, sagte sie.