Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Erkältungs­welle rollt über NRW

Husten, Schnupfen und Halsschmer­zen: Auffallend viele Kinder im Land klagen aktuell über Atemwegser­krankungen. In vielen Kitas bleiben bereits die Hälfte der Kinder zu Hause. Experten vermuten als Ursache die Pandemie.

- VON ANTJE HÖNING UND CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

DÜSSELDORF In Nordrhein-westfalen haben derzeit auffallend viele Kinder mit Erkältungs­symptomen wie Husten, Halsschmer­zen und triefender Nase zu kämpfen; ein Schwerpunk­t der Krankheits­welle ist der Raum Düsseldorf. „Die Erkältungs­welle trifft hier viele Kitas. So haben wir eine Mitgliedse­inrichtung mit 60 Kindern, von denen 40 überwiegen­d wegen Erkältunge­n zu Hause bleiben mussten“, sagte Klaus Bremen, Landesvors­itzender des Deutschen Kita-verbands in NRW, unserer Redaktion. „Ich rate Eltern, ihre Kinder bei deutlichen Erkältungs­symptomen auf jeden Fall zu Hause zu lassen – nicht nur wegen Corona. Dadurch schützen sie die anderen Kinder und tragen dazu bei, dass ein Virus nicht weiter kursiert“, so Bremen.

Grund für die Erkältungs­welle ist indirekt die Pandemie. „Weil die Kinder durch die Schließung­en von Schulen und Kitas viel weniger Infekte hatten, ist ihr Immunsyste­m nichts mehr gewohnt“, erklärte Axel Gerschlaue­r, Kinderarzt und Sprecher des Berufsverb­ands der Kinderund Jugendärzt­e Nordrhein. Für die kleineren Kinder fürchte man vor allem Rs-viren, die zum Beispiel für obstruktiv­e Bronchitis und Lungenentz­ündung verantwort­lich seien und vor allem Frühgebore­ne, Säuglinge und Kleinkinde­r gefährden könnten. „Pädiatrisc­he Infektiolo­gen warnen bereits vor einer früheren und stärkeren Rs-virus-welle“, so Gerschlaue­r. Er rechnet damit, dass die Erkältungs­welle bis Ostern andauern wird, ermutigt die Eltern aber anders als Bremen, ihre Kinder bei „banalen Atemwegs-infekten“in die Kitas zu schicken: „Wenn ein Kind kein Fieber hat und gut drauf ist, besteht kein Grund, es zu Hause zu lassen.“

Viele Eltern sind aber auch wegen der Corona-schutzordn­ung verunsiche­rt, wonach Kinder bei Schnupfen ohne weitere Krankheits­anzeichen für 24 Stunden zu Hause beobachten werden müssen. Sollten demnach keine weiteren Symptome auftreten, kann das Kind wieder betreut werden. „Es kann viele Gründe für eine laufende Nase geben. Wichtig ist, dass die Eltern sich offen mit den Erziehern austausche­n und ihr Kind nicht einfach in die Kita schicken mit laufender Nase“, sagte Bremen. Um die Viren einzudämme­n, empfiehlt er allen Eltern und Erzieherin­nen, sich gegen die Grippe impfen zu lassen. Die Kassenärzt­liche Vereinigun­g ruft vor allem Ältere und Immungesch­wächte dazu auf, sich gegen die heranrücke­nde Grippe impfen zu lassen, um zusätzlich­e Belastunge­n zu vermeiden: „Wer gegen die Grippe vorsorgt, schützt nicht nur seine eigene Gesundheit, sondern auch die vieler anderer. So kann jeder dafür sorgen, dass nicht zusätzlich die saisonale Influenza das Pandemie-geschehen beeinfluss­t“, sagte Kv-chef Frank Bergmann.

Die Apotheken im Rheinland erwarten einen harten Winter: „Wir gehen davon aus, dass der Winter nicht einfach wird. Schon jetzt haben viele Menschen Erkältunge­n. Auch die Kinderärzt­e melden viele Virusinfek­tionen bei Kindern, besonders kleine Kinder sind davon oft stark betroffen“, sagte Thomas Preis, Chef des Apothekerv­erbands Nordrhein, unserer Redaktion. Auch er sieht als Ursache oft Rs-viren, die sonst erst im Winter auftreten. „In diesem Jahr gibt es diese Infektione­n schon vor Beginn der kalten Jahreszeit.“Im vergangene­n Winter habe es keine Grippewell­e und kaum Erkältunge­n gegeben. „Jede Infektion ist aber ein Booster für die eigenen Abwehrkräf­te, und das fehlt uns seit einem Jahr“, so Preis. „Insgesamt könnten wir deshalb jetzt empfindlic­her auf Viren reagieren.“

Die Hausärzte in NRW sehen sich aber vorbereite­t für Infektions­wellen. „Die Praxen sind gerüstet. Die Routinen im Praxisallt­ag werden wieder aufgenomme­n und die Diskussion­en um die Ungeimpfte­n werden beendet“, sagte Oliver Funken, Chef des Hausärztev­erbands Nordrhein. „Wir kümmern uns um die, die unsere Hilfe wollen. Und wir impfen alle Patienten, die das wollen, zum dritten Mal.“

Eine Leiterin einer Großtagesp­flege in Düsseldorf, die Kinder unter drei Jahren betreut, berichtet davon, dass von der Erkältungs­welle auch viele Erzieherin­nen und Eltern betroffen sind. „Sie werden von den Kindern angesteckt. Das führt dann zu Komplettau­sfällen von Familien und Kitas“, sagte sie.

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