Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Mehr Schein als Sein beim letzten Triell

- VON MARTIN KESSLER

Nun haben es die beiden Kandidaten und die einzige Kandidatin hinter sich: Am Sonntag sollte das letzte Triell – diesmal bei Pro Sieben und Co. – den Wählerinne­n und Wählern eine Entscheidu­ngshilfe geben. Denn noch immer sind fast 40 Prozent unentschlo­ssen.

Doch trotz aller Unterschie­de setzen alle drei Anwärter auf das wichtigste politische Amt in Deutschlan­d auf Wohlfühlat­mosphäre – bloß keine unbequemen Wahrheiten sagen, schien die Devise zu sein. Alle Kandidaten verspreche­n Entlastung­en für die unteren und mittleren Einkommen, mehr Geld und Personal in der Pflege, Vorrang für Kinder, Ausbau der alternativ­en Stromprodu­ktion, schnelles Internet überall und mehr Sicherheit­skräfte. Spd-kandidat Scholz sagt wenigstens, dass er mit höheren Reichen-steuern einen Teil finanziere­n will, Grünen-bewerberin Baerbock, dass der Co2-preis steigt, während der Unions-spitzenman­n Laschet alles übers Wachstum stemmen will.

Die Ziele der Kandidaten sind sicher gut und richtig. Die gewaltigen Zumutungen für die Wahlberech­tigten, die jetzt anstehen, verschweig­en sie aber. So kann Vertrauen nicht entstehen – egal ob es souverän wie bei Scholz, leidenscha­ftlich wie bei Baerbock oder angriffslu­stig wie bei Laschet daherkommt.

Insofern hat niemand wirklich überzeugt, vielen dürfte die Entscheidu­ng nun noch schwerer fallen. Immerhin konnte man die Ansätze wenigstens erkennen – bei Laschet das Vertrauen in die Märkte, bei Baerbock die Steuerung durch genaue Vorgaben, bei Scholz den Mix aus moderater Umverteilu­ng und pragmatisc­her Industriep­olitik. Deutlich wurde, dass Rot und Grün sich die Bälle zuspielten und die Union gern in der Opposition sähen. Doch dagegen wird sich Laschet mit aller Kraft wehren. Es ist alles noch offen. BERICHT AUS DER TIEFE DES TRAUMS, POLITIK

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