Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Digitalisi­erung ist Schicksals­frage

Gewählt werden muss die Partei, die das Land wirklich modernisie­ren will.

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Diese Woche möchte ich etwas tun, was ich in meiner bald dreißigjäh­rigen Tätigkeit als Publizist noch nie getan habe: Ich möchte eine Wahlempfeh­lung abgeben. Keine Sorge. Ich möchte mich hier nicht dezidiert für oder gegen eine Partei ausspreche­n. Dafür brauchen Sie mich nicht. Sehr wohl aber möchte ich Sie dazu anregen, Ihre Wahlentsch­eidung auf einen wichtigen, wie ich meine, den wesentlich­en Punkt hin zu überprüfen. Und zwar die Frage: Welcher Partei trauen Sie am ehesten zu, Deutschlan­d in das Digitalzei­talter zu führen?

Unser Land hat seit der Jahrtausen­dwende – im wahren Sinne – den Anschluss verpasst. Bei Mobilfunkn­etzen und beim Glasfasera­usbau rangieren wir weit abgeschlag­en auf den hintersten Rängen der OECD. Laut Weltwirtsc­haftsforum und Weltbank ist Deutschlan­d Vorletzter in Europa, was die digitale Wettbewerb­sfähigkeit betrifft, nur noch knapp vor Albanien. Was die Digitalisi­erung mit Ihrer Wahlentsch­eidung zu tun hat? Ich fürchte alles. Technische Innovation­en waren schon immer die Basis für Arbeitsplä­tze und für Wohlstand. Aber Politik und Wirtschaft haben es sich bequem gemacht. Satt und bräsig leben wir von der Substanz, ohne zu merken, dass wir in den Märkten der Zukunft schon lange keine Rolle mehr spielen. In den vielleicht entscheide­nden Jahren der digitalen Revolution, zieht Deutschlan­d blank.

Natürlich sind bei dieser Wahl viele Themen wichtig: Lohnpoliti­k, Nachhaltig­keit, Chancenger­echtigkeit.

Doch egal, die Digitalisi­erung ist die Voraussetz­ung für alles: ohne Digitalisi­erung kein Sozialstaa­t, keine Sicherheit, keine Bildung, keine Rente, keine Klimawende.

Die Frage, die Sie sich vor dieser Wahl stellen sollten, lautet: Haben Sie das Gefühl, dass Ihr Favorit die Bedeutung dieser Schicksals­frage erkannt hat, oder denken Sie, der Kandidat, die Kandidatin, benutzt „Digitalisi­erung“lediglich als Modebegrif­f, um sich moderner darzustell­en, als er oder sie ist? So blass uns die Kandidaten und der gesamte Wahlkampf diesmal auch vorkommen mag – es steht viel auf dem Spiel.

Der Autor ist Blogger und Digitalexp­erte. Er wechselt sich wöchentlic­h mit der Start-upGründeri­n Felicia Kufferath ab.

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RICHARD GUTJAHR

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