Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
FDP setzt auf den Lindner-faktor
Auf ihrem Sonderparteitag präsentieren sich die Liberalen als „Garanten der Mitte“.
BERLIN „Nie gab es mehr zu tun“: Dieses Motto prangt auf der Wand im großen Saal des Berliner EstrelHotels. 507 Delegierte sind hierher gekommen, um auf dem FDP-SONderparteitag eine Woche vor der Bundestagswahl ihrer Partei noch einmal Wind unter die Flügel zu blasen. Der Wahlkampf der Liberalen ist einmal mehr fast vollständig auf den Parteivorsitzenden Christian Lindner zugeschnitten. Lindner will die FDP in die nächste Regierung führen, nachdem er 2017 die Jamaika-verhandlungen von Union, FDP und Grünen hatte platzen lassen und so die SPD in eine große Koalition trieb. Die hinterlässt nun nach dreieinhalb Jahren große politische Baustellen – im Sozialsystem, bei Digitalisierung, Bildung und Infrastruktur, bei Steuern und Haushalt, besonders beim Klimaschutz.
Lindner will helfen, diese Baustellen zuzuschütten – am liebsten als Teil einer Jamaika-koalition, die er vor vier Jahren noch verschmähte. Doch bei den Themen Rente, Mindestlohn und Hartz IV geht die FDP ganz anders heran als SPD, Grüne und Linke. Die Menschen sollten selbst entscheiden, wann sie in Rente gehen wollten, nicht der Staat. In die Rentenversicherung will Lindner einen zusätzlichen Kapitalstock einbauen, der wie in Schweden in internationale Aktien investieren soll. Das Versprechen des Sozialstaats dürften nicht höhere Mindestlöhne oder Transferleistungen sein, sondern„dass man sich selbst aus der Fürsorgeleistung befreien kann“.
Während sich Unionskanzlerkandidat Armin Laschet von SPD, Grünen und Linken in der Steuerpolitik seiner Ansicht nach „wohltuend abhebt“, trommelten diese für Steuererhöhungen für Vermögende und Gutverdienende. Diese Parteien dächten nur darüber nach, wie sie große Vermögen kleiner machen könnten, damit es in den „klebrigen Fingern des Staates“lande. Die FDP dagegen wolle alles tun, damit kleine Vermögen größer würden, sagt Lindner unter Beifall. Der FDP-CHEF hatte sich in einer neuen Regierung als Bundesfinanzminister bereits empfohlen. Er wolle ein „Super-abschreibungsprogramm“für Investitionen auf den Weg bringen. „Das könnte der Auftakt für ein Jahrzehnt der Entlastung sein“, sagt Lindner.
Richtig spannend wird es, als er kleine Hinweise auf seine Koalitionspräferenzen gibt: „Man kann ja auch den Grünen ein bisschen assistieren, wie sie ihre Vorhaben besser finanzieren können – ohne die Steuern zu erhöhen und ohne die Schuldenbremse aufzuweichen“, sagt er und spielt damit auf die mögliche Regierungsbeteiligung der Parteien an. Fest steht nach dieser Rede: Die Liberalen halten sich weiter alle Optionen offen. Lindner lässt zwar eine Präferenz für Union und Jamaika erkennen, mehr aber auch nicht.
„Das könnte der Auftakt für ein Jahrzehnt der Entlastung sein“
Christian Lindner
FDP-CHEF