Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Beatrice Rana spielt Chopins Etüden
Klassik Vor knapp zwei Jahren stellten wir eine neue CD der wunderbaren italienischen Pianistin Beatrice Rana vor, sie spielte Maurice Ravel und Igor Strawinsky und überwältigte durch ihre geistvolle Kompromisslosigkeit, durch die Fusion von Charme und Härte.
Ihre neue Platte (erneut bei Warner) hat sie Chopin gewidmet, sie spielt die zwölf Etüden op. 25 und die vier Scherzi. Und wieder ist ihr Musizieren eine Wucht.
Frédéric Chopin – das ist bei Rana nie und nirgends bloßes Geklingel im Salon, sondern erscheinen als ein Kompendium vielfältigster Ideen und Zeugnis eines visionären Geistes. Das trifft vor allem auf die Etüden zu. Jenseits ihrer technischen Ansprüche erfüllen sie wundervolle poetische Programme, und selbst den Halsbrechern unter ihnen wohnt ein Zauber inne.
Im zweiten Zyklus der Etüden op. 25 zeigt beispielsweise die Etüde Nr. 6 gis-moll mit ihren vibrierenden Terzen, dass Chopin der Assoziationskraft neue Bereiche öffnete: Hier denkt der Hörer an ein rauschendes, leicht beschwipstes Fest rasender Molekülketten; nebenbei eilt die Musik durch äußerst fremde harmonische Räume und wirkt wie ein irrwitziger Innovationsreport. Doch Rana gelingt das Kunststück, die Terzen außer Rand und Band zu befördern und zugleich mit der linken Hand hohe melodische Poesie zu erwecken. Und weil diese Etüde nahtlos aus der e-moll-etüde hervorging, indem deren Schlussakkord fast in die Terzen hinein hallte, gewann man hier und anderswo den Eindruck einer zyklischen Idee. Pianistisch wie ein Zaubertrick wirkte die Ritterlichkeit, die ihr in der Ges-dur-etüde gelang; Rana ist keine Feindin des Nachhallpedals, hier aber spielt sie herrlich trocken. Extra dry.
Fabelhaft dann aber auch die vier Scherzi, die Beatrice Rana – gleichsam als Enkelin von Martha Argerich – mit der für Chopins Musik unabdingbaren Mischung aus Nervosität und Delikatesse spielte. Sozusagen Sturm, Drang und Klang.