Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Aufhören mit dem Schubladendenken
Die Kabarettistin Eva Eiselt machte an zwei Abenden im Dachstudio der Stadt Dinslaken vor, wie es geht. Nötig dazu sind etwas Fantasie, der Wille, die Erde zu achten und zu lieben. Und nicht zu vergessen: Agavendicksaft.
DINSLAKEN (bes) Weg mit den überkommenden Vorstellungen, die uns auch nicht weiterbrachten. Was wäre wenn… Eva, zum Beispiel, nicht Adam, sondern Mutter Erde geheiratet hätte. Ihre Namensvetterin (oder sagt man Namensbase?) Eva Eiselt hat es in ihrem aktuellen Programm „Wenn Schubladen denken könnten“getan. Und mit ihr sagte auch das Kabarettpublikum am Freitagabend im Dachstudio Dinslaken „ich will“. Liebesheirat oder Vernunftehe? Wie auch immer: Die Erde zu achten und zu schützen ist ein Versprechen, das alle, die auf ihr leben, erneuern sollten. Und sich daran halten. Wäre auf jeden Fall sinnvoller, als sich an alte Schubladen zu klammern und die immer und immer wieder mit denselben alten Klischees und Vorstellungen vollzustopfen, die eigentlich kein Mensch mehr braucht.
Aber nicht alles ist immer gleich böse Absicht: Der Mensch ist ein Gewohnheitstier und es ist schwer, aus einmal antrainierten Verhaltensmustern wieder herauszufinden. Dies wurde am Wochenende mehr als deutlich. Jahrzehntelang war die städtische Kabarettreihe ein Garant für drei ausverkaufte Abende im Dachstudio. Dieses Mal musste zum Start der Reihe der Samstag gestrichen werden, am Freitag stand Eva Eiselt vor knapp über 20 Zuschauern zwischen geöffneten Fenstern. Ähnlich war es vor einem Jahr, aber da gab es weder Impfung noch Testung. Es wird dauern, bevor man aus der Schublade „Veranstaltung im Innenraum gleich Gefahr“herausfindet.
Dabei verpassten die, die Zuhause oder lieber draußen auf den Straßen der Altstadt blieben, eine vergnügliche Show. Eva Eiselt nahm als zweifache Mutter nicht nur das Homeschooling aufs Korn und zitierte die schönsten Sprüche ihrer Sprösslinge („Mama, darf ich eine Tüte Machos aufmachen?“– „Klar, und ess auch schon die kleinen auf, Liebling“), sie schlüpfte in immer neue
Rollen. Und viele davon waren eben jene Machos, die eingetütet und dann von der kommenden Generation aufgefuttert gehören.
Da ist die Ballade vom – nein, der Kranich kommt später – SUV-FAHrer, der so lange ans Meer will, bis er mit seiner schadstoffhaltigen Karre den Meeresspiegel derart erhöht hat, dass er darin sein feuchtes Grab findet. Eva Eiselt dreht dafür kräftig an der Gesamtstimmung ihres in einer Schublade versteckten Keyboards. Und an diesem interpretiert sie auch den Hit des Abends: Ein Lied über den Wandel des Mannes zum Veganer, gesungen in allerbester Rammsteinmanier, das
jedes Till-lindemann-double neidisch werden konnte. Wenn Eiselt mit ihrer dunkelsten Stimme „Agavendicksaft“schreit, hallt das derart nach, dass sogar in der Pause noch Echos davon zu hören waren. Obwohl, wahrscheinlich war das gar nicht Rammstein, sondern das blinde Meerschweinchen Barny, das Ziehsohn jenes Kranichs im Wolfspelz war, der einfach nicht mehr mit den anderen Kranichen in Formation fliegen wollte und deshalb ein neues Leben in Schmachtendorf begann. Barny selbst bringt es mit seinem Ausstieg aus der bürgerlichen Enge bis zum Wacken Open Air.
Eva Eiselt entfloh den Chauvis ihrer heimischen Eifel nach Köln. Dort ist es bunt. So wie bei der Kassenärztlichen Vereinigung NRW, die wohl in ihrer Online-anmeldung für die Coronaimpfung ein Übersetzungsprogramm mit Autokorrektur laufen ließ: Wie sonst könnte bei der Angabe des Geschlechts als Auswahlmöglichkeiten neben „männlich“und „weiblich“auch „Taucher“gestanden haben? Doch nur, wenn man „divers“einmal ins Deutsche übersetzt.