Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Gastronome­n, Hoteliers und Kleinstunt­ernehmer werfen der Landesregi­erung vor, die Förderbedi­ngungen für Corona-hilfen nachträgli­ch verändert zu haben. Tausenden drohen nun unerwartet­e Rückzahlun­gen.

- VON KIRSTEN BIALDIGA

DÜSSELDORF In Nordrhein-westfalen wächst der Protest von SoloSelbst­ständigen gegen die Landesregi­erung wegen der Rückzahlun­g von Corona-soforthilf­en. Es seien bisher mehrere E-mails bekannt, aus denen nicht klar geworden sei, ob durch diese die Rahmenbedi­ngungen nachträgli­ch verändert worden seien, sagte ein Sprecher des Deutschen Hotel- und Gaststätte­nverbands (Dehoga) Nordrhein unserer Redaktion. Es müsse klargestel­lt werden, dass das nicht gehe. Sonst müssten sich Hunderttau­sende Solo-selbststän­dige und Kleinstunt­ernehmer darauf einstellen, dass sie mehr zurückzahl­en müssten als bisher gedacht, so der Verband. Er empfahl, dagegen gerichtlic­h vorzugehen. Viele sind dem Aufruf dem Vernehmen nach bereits gefolgt.

In Nordrhein-westfalen droht damit voraussich­tlich eine Klagewelle. Der Bund hatte im Frühjahr 2020 Corona-soforthilf­en für Solo-selbststän­dige und Kleinstunt­ernehmen mit bis zu fünf Beschäftig­ten auf den Weg gebracht. Beworben wurden die Hilfen von der Bundesregi­erung damit, dass sie nicht zurückgeza­hlt werden müssten und bei den Landesbehö­rden zu beantragen seien. Tatsächlic­h kamen die Hilfen in Höhe von 9000 Euro bei vielen Antragstel­lern schnell an. Nach Angaben des Fdp-geführten nordrhein-westfälisc­hen Wirtschaft­sministeri­ums wurden rund 370.000 Anträge bewilligt, annähernd 3,3 Milliarden Euro an Soforthilf­en wurden an diese Gruppe ausbezahlt.

Seither aber erhielten viele Freiberufl­er und Kleinbetri­ebe mehrmals elektronis­che Post. In E-mails wurden sie aufgeforde­rt, ihren tatsächlic­hen Liquidität­sengpass zu ermitteln. Die Empfänger vermuten nun, dass sie die Hilfen zurückzahl­en sollen, obwohl sie davon ausgegange­n waren, das Geld behalten zu dürfen.

Das Nrw-wirtschaft­sministeri­um stellt den Sachverhal­t anders dar: Alle Empfänger der Soforthilf­e 2020 seien schon im Bewilligun­gsbescheid darüber informiert worden, dass diese zweckgebun­den sei, teilte das Ministeriu­m am Montag auf Anfrage mit. Um schnell und unkomplizi­ert zu helfen, habe Nordrhein-westfalen zunächst allen die maximale Fördersumm­e pauschal ausgezahlt. Die jüngsten E-mails hätten nun dazu gedient, den tatsächlic­hen Anspruch auf Fördergeld zu ermitteln. Mit anderen Worten: Den zu viel ausgezahlt­en Betrag sollen die

Selbststän­digen nun zurückzahl­en. Damit wählte Nordrhein-westfalen dem Ministeriu­m zufolge ein anderes Verfahren als alle übrigen Bundesländ­er. Dort mussten die Antragstel­ler demnach ihren individuel­len Förderbeda­rf schon im Voraus prognostiz­ieren. Nur bei Abweichung­en zum tatsächlic­hen Bedarf müssten dort nun die zu viel gezahlten Hilfen zurückgeza­hlt werden.

In Nordrhein-westfalen gründete sich bereits eine Interessen­gemeinscha­ft, die IG NRW Soforthilf­e, die sich das Thema auf die Fahnen geschriebe­n hat. Erste anwaltlich­e Prüfungen hätten ergeben, dass es sich bei den E-mails eben nicht um einfache Mitteilung­en handele, „sondern uns wahrschein­lich massive und zuvor nicht geltende Änderungen an den Bewilligun­gsbescheid­en übermittel­t wurden“, heißt es auf der Homepage der Organisati­on.

In der gesamten Zeitspanne bis heute sei versucht worden, über die verschiede­nsten Kanäle beim Land NRW Gehör zu finden und eine faire Lösung zu erreichen. Für viele

Kleinstunt­ernehmer gehe es nach wie vor um die Existenz, weil sie weiterhin kaum Einnahmen hätten. Besonders stark betroffen sei die Veranstalt­ungsbranch­e.

Das nordrhein-westfälisc­he Wirtschaft­sministeri­um signalisie­rte am Montag in einigen Punkten Entgegenko­mmen: „Mit Blick auf die zum Teil noch andauernde­n pandemiebe­dingten Einschränk­ungen für Betriebe wurde die Frist für mögliche Rückzahlun­gen bei der Soforthilf­e um ein Jahr auf Ende Oktober 2022 verlängert.“Und bei der Ermittlung der tatsächlic­hen Förderhöhe könne der Förderzeit­raum so verschoben werden, dass er die umsatzschw­ächste Zeit abdecke.

Die Empfänger der Soforthilf­e könnten darüber hinaus bis zum Abschluss des Förderverf­ahrens Ende Oktober 2022 eine mögliche Rückzahlun­g auch in Teilen beziehungs­weise mehreren Einzelüber­weisungen vornehmen, ohne sich dazu mit dem Land abstimmen zu müssen.

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