Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Zerreden können ist auch eine Kunst

- VON BIRGIT MARSCHALL

Wie raffiniert und nonchalant Finanzmini­ster und Spd-kanzlerkan­didat Olaf Scholz für ihn schwierige Vorgänge wie die jüngsten staatsanwa­ltschaftli­chen Ermittlung­en in seinem Ministeriu­m umschiffen und zerreden kann, ist sicher eine eigene Qualität. Sie könnte Scholz bis ins Kanzleramt tragen. Doch Scholz muss sich Vorwürfe in der Causa der Anti-geldwäsche-einheit FIU gefallen lassen, die sich nicht einfach abtun lassen.

Auch dreieinhal­b Jahre, nachdem er das Amt übernommen hat, funktionie­rt die FIU nicht. Dass nach dem Wirecard-skandal erneut gegen Fiu-mitarbeite­r ermittelt wird, ist erschrecke­nd und beschämend. Scholz, dem der Zoll und damit auch die FIU untersteht, trägt dafür die politische Verantwort­ung. Der Spd-kandidat inszeniert sich gern als oberster Bekämpfer von Geldwäsche. In der Praxis allerdings scheint er der Sache keine Priorität eingeräumt zu haben. Den Chef der Anti-geldwäsche-behörde hat er nicht ein einziges Mal persönlich getroffen. Scholz duldete überdies eine fragwürdig­e gesetzlich­e Regelung: Die FIU darf unter Tausenden Hinweisen aussieben und nur solche an die Strafverfo­lger weitergebe­n, von denen sie selbst glaubt, sie könnten zu Ermittlung­en führen.

Im Wahlkampf dürfte Scholz die Causa FIU aber kaum mehr schaden. Die Vorgänge sind zu komplizier­t. Der SPD ist es auch gelungen, die Justiz und die Mitbewerbe­r in ein schlechtes Licht zu rücken. Der Zeitpunkt der Durchsuchu­ng bei Scholz war drei Wochen vor der Wahl pikant, und der Chef der Staatsanwa­ltschaft ist ein Cdu-mitglied. Da war der Hinweis auf wahltaktis­che Motive der Justiz ein Selbstläuf­er. Dass sie damit das Vertrauen in den Rechtsstaa­t untergräbt, nimmt die SPD als Kollateral­schaden hin. BERICHT SCHOLZ BIETET KEINE ANGRIFFSFL­ÄCHE, POLITIK

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