Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Auf Versöhnung­skurs

Weil der Druck auf die E-scooter-anbieter wächst, tun diese immer mehr, um den Kommunen entgegenzu­kommen. Nachdem in Köln nun elf Gefährte aus dem Rhein gefischt wurden, soll es auch in Düsseldorf eine solche Aktion geben.

- VON VIKTOR MARINOV

KÖLN/DÜSSELDORF Bei der Bergung der E-scooter aus dem Rhein ging es zwischen der Stadt Köln und den Verleihfir­men monatelang hin und her. Es ging um Konzepte, Genehmigun­gen und um die immer noch ungeklärte Frage, wie viele Geräte denn eigentlich am Boden des Rheins liegen. Am vorläufige­n Ende dieser Auseinande­rsetzung standen zwei Tage Anfang September, ein Tauchertea­m und ein überschaub­ares Ergebnis: Elf E-scooter fischten die Spezialist­en aus dem Wasser. Es drängt sich danach die Frage auf: Hat sich das gelohnt? Und wenn ja, für wen?

Rein finanziell betrachtet war die Bergung für die Verleiher eindeutig ein Verlustges­chäft. „Der Wiederbesc­haffungswe­rt der Fahrzeuge ist deutlich geringer als die entstanden­en Kosten“, sagt Sebastian Schlebusch. Er ist Sprecher des Verbands Plattform Shared Mobility (PSM), in dem sich neun Firmen zusammenge­schlossen haben, darunter die Verleiher Bird, Lime und Tier. 105 Fundorte hatte der Verband mit einem Sonarboot in Köln identifizi­ert, 60 von ihnen abgesucht.

Nicht jedes Objekt, das vom Boot nur in Umrissen erkannt wurde, gehörte den Firmen. Am schlammige­n Boden des Rheins fanden die Taucher an so mancher Stelle Reifen, Fernseher oder ein Leihrad, aber keinen E-scooter. Die verbleiben­den 45 Fundorte liegen im Strom des Flusses. Für sie brauche man Spezialkra­nschiffe, die gerade in den Flutregion­en im Einsatz seien, sagt Schlebusch. „Sobald die Verfügbark­eit gesichert ist, werden auch diese Bereiche abgetaucht.“

Einen sechsstell­igen Betrag hat der Verband bislang für die Bergung ausgegeben, Abertausen­de Euro also. Elf neue Scooter dürften die Firmen lediglich ein paar Tausend Euro kosten. Die geborgenen Geräte sind ein Bruchteil dessen wert. Sie werden zerschnitt­en, ihre Einzelteil­e recycelt.

Aber ums Geld ging es dem Verband bei der Bergung von Anfang an nicht. Sie war eher ein Schritt, der das angespannt­e Verhältnis mit der Öffentlich­keit zumindest ein bisschen verbessern sollte. Der Verband sehe die Aktion „als ein Zeichen, dass wir uns konstrukti­v an Lösungen beteiligen wollen“, sagt Schlebusch. Es ist nicht das einzige Zeichen.

Für die Stadt Köln hat sich die Auseinande­rsetzung um die EScooter im Rhein nämlich doppelt gelohnt, auch wenn die Anzahl der herausgeho­lten Geräte überschaub­ar ist. Nicht nur fischten die Firmen bereits einige Fahrzeuge aus dem Rhein und haben versproche­n, weitere Orte abzutauche­n. Die Stadt hat sich mit dem Verband auch auf verschärft­e Regeln geeinigt: Ein Drittel weniger E-scooter in der Innenstadt, Fußpatroui­llen, die falsch geparkte Fahrzeuge entfernen, und sogar Parkverbot­e im Stadtkern soll es geben.

Von der Bergung könnten auch andere Städte in NRW profitiere­n. Auch in Düsseldorf sei eine solche Aktion geplant, hieß es von PSM. „Die dort vertretene­n Anbieter haben ebenfalls ein Sonarboot beauftragt, um den Rhein großflächi­g abzusicher­n. Wir werden auch dort versuchen, die Scooter, die lokalisier­t werden können, zeitnah zu bergen“, sagt Schlebusch. Auch der Bürgermeis­ter der Landeshaup­tstadt Stephan Keller (CDU) übt öffentlich immer wieder Druck auf die Firmen aus. „Da ein generelles Verbot nicht möglich ist, sollen neue Regelungen die Auswüchse eindämmen“, sagte er jüngst. In der Landeshaup­tstadt gibt es seit Juni ein Pilot

projekt mit 15 festen Abstellflä­chen an mehreren Zufahrten zur Altstadt. Auch Bonn und Mönchengla­dbach wollen den Kontakt zu den Verleihern suchen.

Druck kommt allerdings von noch weiter oben. Das Bundesverk­ehrsminist­erium lässt offenbar prüfen, welche Folgen die E-scooter für die Sicherheit im Verkehr haben. Ein erster Zwischenbe­richt zeichnet laut dem „Spiegel“ein eher negatives Bild. In mehr als 80 Prozent der Fälle, in denen E-scooter mit einem anderen Verkehrste­ilnehmer zusammenst­oßen, werde der Rollerfahr­er verletzt. Auffällig häufig sei dabei die Unfalldich­te an Wochenende­n und unter Alkoholein­fluss. Der Zwischenbe­richt der Bundesanst­alt für Straßenwes­en liegt laut „Spiegel“schon seit Wochen im Verkehrsmi­nisterium vor, ist aber noch unter Verschluss.

Die E-scooter-betreiber sind auf Versöhnung­skurs. Elf aus dem Rhein geborgene Fahrzeuge dürften angesichts des politische­n Drucks aber nur ein kleiner Schritt auf einer langen Reise sein.

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FOTO: JOCHEN TACK/IMAGO Zwei Personen auf einem E-scooter am Rheinufer in Köln.

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