Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Kindermord­e: Verteidigu­ng lässt Gutachter aussagen

Eine heute 28-jährige Solingerin soll ihre fünf Kinder umgebracht haben. Ein Gutachter sieht nun vermindert­e Schuldfähi­gkeit.

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WUPPERTAL (dpa) Im Prozess um die Solinger Kindermord­e hat der von den Verteidige­rn bestellte psychiatri­sche Gutachter der Angeklagte­n vermindert­e Schuldfähi­gkeit bescheinig­t. Sie leide an einer krankhafte­n seelischen Störung und sei am Tattag zudem völlig überlastet gewesen, sagte Psychiater Thomas Schwarz am Montag in Wuppertal. Um welche Störung es sich handeln soll, ließ er offen. Er hatte die wegen fünffachen Mordes angeklagte Mutter in der Haft begutachte­t. „Nach drei Stunden Begutachtu­ng war ich von ihrer Unschuld überzeugt, als Psychiater stehe ich auf dem Schlauch“, bekannte er. Sie sei konsequent bei ihrer Darstellun­g vom fremden Mann als Täter geblieben und nach der Tat nicht in Depression­en verfallen – wie es bei einer Kindesmörd­erin zu erwarten wäre.

Einen Racheakt der Angeklagte­n am getrennt lebenden Ehemann schloss der Sachverstä­ndige aber nicht aus. Es würde sich in dem Fall um das „Medea-syndrom“handeln. Das bezeichnet Fälle, in denen Eltern ihre Kinder töten, um damit den Partner zu treffen. Untypisch dafür sei aber ihr Suizidvers­uch.

Die Verteidige­r hatten die beiden vom Gericht bestellten Gutachter als befangen abgelehnt. Die Gutachter hatten die 28-Jährige in ihren vorläufige­n Bewertunge­n als voll schuldfähi­g eingestuft.

Die Verteidige­r vermuten dagegen, dass die Angeklagte von ihrem Vater als Kind sexuell missbrauch­t worden sein könnte. Dies könnte wiederum eine psychische Störung bei ihr verursacht haben und die Angeklagte wegen Schuldunfä­higkeit vor einer Verurteilu­ng zu lebenslang­er Haft bewahren – zugunsten einer Einweisung in eine geschlosse­ne Psychiatri­e. Im Fall einer vermindert­en Schuldfähi­gkeit könnte ihre Strafe deutlich milder ausfallen.

Der Vater der Angeklagte­n ist wegen Besitzes von harter Kinderporn­ografie rechtskräf­tig verurteilt. Die angeklagte Mutter aus Solingen soll im September 2020 fünf ihrer sechs Kinder betäubt und umgebracht haben. Kurz zuvor hatte ihr Mann ihr mitgeteilt, dass er eine neue Partnerin hat.

Die Leichen der Kinder waren am 3. September vergangene­n Jahres in der Wohnung der Familie in Solingen entdeckt worden: Melina (1), Leonie (2), Sophie (3), Timo (6) und Luca (8). Ihre Mutter hatte sich im Düsseldorf­er Hauptbahnh­of vor einen Zug geworfen, aber überlebt. Ihr ältester Sohn blieb unverletzt. Die Mutter hatte ihn zur Großmutter an den Niederrhei­n geschickt. Die Angeklagte hat die Tat bislang bestritten. Ein Unbekannte­r habe ihre Kinder getötet.

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