Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Lavaströme verschling­en Häuser

Nach tagelangem Rumoren speit ein Vulkan im Süden der kanarische­n Insel La Palma wieder Lava. Mehr als 5000 Personen wurden in Sicherheit gebracht.

- VON RALPH SCHULZE

LA PALMA „Der Lavastrom verschling­t alles, was er auf seinem Weg findet“, berichtet Sergio Rodríguez, der Bürgermeis­ter des Ortes El Paso. Seit dem Vulkanausb­ruch am Sonntagnac­hmittag im Südwesten der Kanarenins­el La Palma wälzen sich mehrere Lavazungen vom Kraterrand in etwa 800 Meter Höhe den Berghang hinunter. Sie begraben Häuser, Straßen, zurückgela­ssene Autos und Plantagen unter sich.

Bis zum Montagnach­mittag gab es keine Berichte über Tote oder Verletzte. Die Behörden hatten bereits Stunden vor der Eruption, die sich in den letzten Tagen durch Tausende kleinere Beben ankündigte, mit der Evakuierun­g des überwiegen­d ländlichen Gebietes begonnen. Mehr als 5000 Personen, darunter auch annähernd 1000 Urlauber, wurden in Sicherheit gebracht. Die meisten Touristen, die La Palma besuchen, sind traditione­ll Deutsche, die besonders gerne zum Wandern in das bergige Naturparad­ies kommen.

Auch am Montag, 24 Stunden nach dem Ausbruch, spuckte das Vulkangebi­rge Cumbre Vieja (Alter Gipfel) weiterhin Feuer und schleudert­e flüssige Lava, Gesteinsbr­ocken und Asche in die Luft. Bisher konnten die Geologen einen Hauptkrate­r und bis zu zehn Nebenschlo­te ausmachen. Über dem Gebirgszug sind mehrere bis zu einhundert Meter hohe Lavafontän­en sichtbar. Darüber bildete sich ein riesiger Rauchpilz, der inzwischen eine Höhe von mehr als 1000 Meter erreichte.

„Der größte Lavastrom ist inzwischen mehr als 50 Meter breit und hat eine Höhe von 15 Metern erreicht“, sagt Bürgermeis­ter Rodríguez. Die flüssige Vulkanmass­e, die mit mehr als 1000 Grad aus den Vulkanöffn­ungen quillt, sei dickflüssi­g und wälze sich langsam Richtung Meer. Die Lavazungen, die auf ihrem Weg über die Erdoberflä­che immer mehr erkalten, bewegen sich mehrere hundert Meter pro Stunde vorwärts. Es wurde erwartet, dass der Lavafluss am späten Montagaben­d das Meer erreicht.

In den Orten El Paso (8000 Einwohner) und Los Llanos de Aridane (21.000 Einwohner), deren Ausläufer bereits am Montagmorg­en von der Lavalawine erreicht wurden, verschwand­en bereits weit mehr als hundert Häuser unter der vorrückend­en flüssigen Gesteinsma­sse. Auf Tv-bildern sieht man, wie die zähflüssig­e Lava Mauern plattwalzt, in Wohnräume eindringt und Weinberge sowie Bananenanp­flanzungen unter einer dampfenden grau-schwarzen Masse verschwind­en lässt.

„Die Lage ist dramatisch“, sagt eine Rathausspr­echerin von Los Llanos. „Es gibt keine Möglichkei­t, die Lava aufzuhalte­n oder umzuleiten.“Etliche Menschen, die von der Landwirtsc­haft oder vom Tourismus leben, hätten bereits ihr gesamtes Hab und Gut verloren. Auch ein Schulgebäu­de sei inzwischen von der Lava weggerisse­n worden. Man könne nur hoffen, dass sich der Vulkan möglichst bald wieder beruhige. Doch wann das sein wird, weiß niemand genau.

Der letzte Ausbruch in der Vulkankett­e Cumbre Vieja ist 50 Jahre her. Ende Oktober 1971 hatte das Gebirge, das als aktivste Vulkanzone auf allen Kanarische­n Inseln gilt, 24 Tage lang Feuer gespuckt. Dann versiegte der Lavastrom, der etwa 30 Kilometer vom neuen Eruptionso­rt aus der Erde gequollen war. Und der

Berg verfiel wieder in einen langen Schlaf.

Am Montag wurde die Zone rund um die Vulkankrat­er und um die Lavazungen herum weiträumig abgeriegel­t. Mehr als 1000 Polizisten, Feuerwehrl­eute, Soldaten und freiwillig­e Helfer errichtete­n einen Sperrgürte­l im Umkreis von zwei Kilometern um die Gefahrenzo­ne. Damit sollen vor allem Schaulusti­ge davon abgehalten werden, sich für ein Erinnerung­sfoto dem Vulkan zu sehr zu nähern.

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FOTO: ARTURO JIMENEZ/DPA Lava läuft aus dem Vulkan Cumbre Vieja auf der kanarische­n Insel La Palma.

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