Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Konkret werden, loslegen, Tempo machen!
GASTBEITRAG Die digitale Transformation müsse jetzt Fahrt aufnehmen, wenn die Jahrhundertaufgaben noch gelöst werden sollen, schreibt der Präsident der Landesvereinigung der Unternehmensverbände Nordrhein-westfalen.
Unser Land steht am Scheideweg: Der Ausgang der Bundestagswahl wird darüber entscheiden, welchen Kurs Deutschland als Wirtschafts- und Industriestandort einschlägt. Die Auseinandersetzungen darüber, wie Deutschland die großen Fragen unserer Zeit von Klimaschutz über Digitalisierung und Alterung der Gesellschaft bis hin zur Sicherung von Wohlstand und Arbeitsplätzen meistern soll, wurden in diesem Wahlkampf viel zu wenig geführt. Und wenn, dann allzu oft nur abstrakt und sehr ideologisch.
Statt der notwendigen Debatte über Parteiprogramme standen viel zu lange die persönlichen Haltungsnoten des politischen Spitzenpersonals im Vordergrund. Angesichts der drängenden Herausforderungen in unserem Land ein schwerer Fehler! So sind der Weg zur Klimaneutralität und der digitalen und nachhaltigen Transformation Jahrhundertaufgaben, die wir mit aller Kraft angehen müssen. Das ist auch für uns als Wirtschaft völlig klar. Als Unternehmer weiß ich aber nur zu gut, dass allein durch schöne Reden sowie strikte Zielvorgaben und Verbote nichts erreicht ist. Erst ein schlüssiges Gesamtkonzept, klare Umsetzungsstrategien und ein sorgfältiges Prozessmanagement lassen Visionen Wirklichkeit werden.
Auf die Politik übertragen, heißt das: Wer die weltweit ambitioniertesten Ziele erreichen will, der muss für deren Umsetzung auch die weltweit wettbewerbsfähigsten Standortbedingungen anbieten. Da ist in Deutschland noch deutlich Luft nach oben, Nicht mit pauschalen Ausstiegsdebatten, sondern nur mit konkreten Einstiegsszenarien können wir unsere wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Ziele erreichen.
Es hapert also nicht an Erkenntnissen, sondern vielmehr an der Umsetzung. Beispiel Mobilität: Bis 2030 sollen hierzulande etwa 80 Prozent elektrische Autos fahren. Dafür brauchen wir mehr als eine Million Ladepunkte. Etwa 45.000 davon sind fertig, ab jetzt brauchen wir einen Wochenzuwachs von 2.000. Doch derzeit schaffen wir gerade einmal 300 Ladepunkte. Beispiel Stromnetz: Wenn wir im Jahr 2035 ohne Kohle und Kernenergie auskommen wollen, müssen wir ab sofort pro Jahr 400 Kilometer Stromnetz bauen. Gegenwärtig liegen wir bei rund 200 Kilometern. Und Beispiel Windräder: Wenn wir den Green Deal der EU hierzulande umsetzen wollen, dann brauchen wir an Land pro Jahr zusätzlich fast 1.200 modernste Windräder. Zurzeit schaffen wir gerade einmal 420 Anlagen.
Es ist so offensichtlich, dass wir in Deutschland sehr viel schneller werden müssen – und zwar überall: Beim Ausbau der digitalen Netze und der Verkehrsinfrastruktur, beim Ausbau der erneuerbaren Energien, von smarten Netzen, von neuen Speichertechnologien und beim Einstieg in die Wasserstoffwirtschaft. Das wird nur mit massiven Investitionen und Innovationen zu schaffen sein. Dafür müssen wir jetzt bei Planungs- und Genehmigungsverfahren massiv aufs Tempo drücken und zugleich aufhören, immer zusätzliche Belastungen durch Steuern, Sozialabgaben, Regulierung und Bürokratie für die Unternehmen anzukündigen. Wer soll eigentlich in einem solchen Umfeld noch investieren?
Symptomatisch hierfür ist der wahlkampfgetriebene Überbietungswettbewerb über die Verteilung weiterer milliardenschwerer sozialer Wohltaten, den sich insbesondere die Parteien im linken politischen Spektrum in ihren Wahlprogrammen liefern. Hier droht ein böses Erwachen, zumal die Sozialleistungsquote schon heute fast ein Drittel der Wirtschaftsleistung in Deutschland beträgt. Und bereits vor der Pandemie sind die Sozialleistungen stärker als die Wirtschaftskraft gestiegen. Eine hochgradig ungesunde Entwicklung, die in Anbetracht der exorbitanten CoronaLasten und des massiven Investitionsbedarfs eine umso schwerere Hypothek für unser Land ist.
Die nächsten vier Jahre werden darüber entscheiden, ob unser Land insgesamt, unsere Unternehmen hier an ihren Heimatorten und damit die Menschen an ihren Arbeitsplätzen weiterhin eine gute Zukunft haben. Es geht wahrlich nicht um Nebensächlichkeiten, darüber müssen wir uns klar sein!