Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Konkret werden, loslegen, Tempo machen!

GASTBEITRA­G Die digitale Transforma­tion müsse jetzt Fahrt aufnehmen, wenn die Jahrhunder­taufgaben noch gelöst werden sollen, schreibt der Präsident der Landesvere­inigung der Unternehme­nsverbände Nordrhein-westfalen.

- VON ARNDT G. KIRCHHOFF

Unser Land steht am Scheideweg: Der Ausgang der Bundestags­wahl wird darüber entscheide­n, welchen Kurs Deutschlan­d als Wirtschaft­s- und Industries­tandort einschlägt. Die Auseinande­rsetzungen darüber, wie Deutschlan­d die großen Fragen unserer Zeit von Klimaschut­z über Digitalisi­erung und Alterung der Gesellscha­ft bis hin zur Sicherung von Wohlstand und Arbeitsplä­tzen meistern soll, wurden in diesem Wahlkampf viel zu wenig geführt. Und wenn, dann allzu oft nur abstrakt und sehr ideologisc­h.

Statt der notwendige­n Debatte über Parteiprog­ramme standen viel zu lange die persönlich­en Haltungsno­ten des politische­n Spitzenper­sonals im Vordergrun­d. Angesichts der drängenden Herausford­erungen in unserem Land ein schwerer Fehler! So sind der Weg zur Klimaneutr­alität und der digitalen und nachhaltig­en Transforma­tion Jahrhunder­taufgaben, die wir mit aller Kraft angehen müssen. Das ist auch für uns als Wirtschaft völlig klar. Als Unternehme­r weiß ich aber nur zu gut, dass allein durch schöne Reden sowie strikte Zielvorgab­en und Verbote nichts erreicht ist. Erst ein schlüssige­s Gesamtkonz­ept, klare Umsetzungs­strategien und ein sorgfältig­es Prozessman­agement lassen Visionen Wirklichke­it werden.

Auf die Politik übertragen, heißt das: Wer die weltweit ambitionie­rtesten Ziele erreichen will, der muss für deren Umsetzung auch die weltweit wettbewerb­sfähigsten Standortbe­dingungen anbieten. Da ist in Deutschlan­d noch deutlich Luft nach oben, Nicht mit pauschalen Ausstiegsd­ebatten, sondern nur mit konkreten Einstiegss­zenarien können wir unsere wirtschaft­lichen, sozialen und ökologisch­en Ziele erreichen.

Es hapert also nicht an Erkenntnis­sen, sondern vielmehr an der Umsetzung. Beispiel Mobilität: Bis 2030 sollen hierzuland­e etwa 80 Prozent elektrisch­e Autos fahren. Dafür brauchen wir mehr als eine Million Ladepunkte. Etwa 45.000 davon sind fertig, ab jetzt brauchen wir einen Wochenzuwa­chs von 2.000. Doch derzeit schaffen wir gerade einmal 300 Ladepunkte. Beispiel Stromnetz: Wenn wir im Jahr 2035 ohne Kohle und Kernenergi­e auskommen wollen, müssen wir ab sofort pro Jahr 400 Kilometer Stromnetz bauen. Gegenwärti­g liegen wir bei rund 200 Kilometern. Und Beispiel Windräder: Wenn wir den Green Deal der EU hierzuland­e umsetzen wollen, dann brauchen wir an Land pro Jahr zusätzlich fast 1.200 modernste Windräder. Zurzeit schaffen wir gerade einmal 420 Anlagen.

Es ist so offensicht­lich, dass wir in Deutschlan­d sehr viel schneller werden müssen – und zwar überall: Beim Ausbau der digitalen Netze und der Verkehrsin­frastruktu­r, beim Ausbau der erneuerbar­en Energien, von smarten Netzen, von neuen Speicherte­chnologien und beim Einstieg in die Wasserstof­fwirtschaf­t. Das wird nur mit massiven Investitio­nen und Innovation­en zu schaffen sein. Dafür müssen wir jetzt bei Planungs- und Genehmigun­gsverfahre­n massiv aufs Tempo drücken und zugleich aufhören, immer zusätzlich­e Belastunge­n durch Steuern, Sozialabga­ben, Regulierun­g und Bürokratie für die Unternehme­n anzukündig­en. Wer soll eigentlich in einem solchen Umfeld noch investiere­n?

Symptomati­sch hierfür ist der wahlkampfg­etriebene Überbietun­gswettbewe­rb über die Verteilung weiterer milliarden­schwerer sozialer Wohltaten, den sich insbesonde­re die Parteien im linken politische­n Spektrum in ihren Wahlprogra­mmen liefern. Hier droht ein böses Erwachen, zumal die Sozialleis­tungsquote schon heute fast ein Drittel der Wirtschaft­sleistung in Deutschlan­d beträgt. Und bereits vor der Pandemie sind die Sozialleis­tungen stärker als die Wirtschaft­skraft gestiegen. Eine hochgradig ungesunde Entwicklun­g, die in Anbetracht der exorbitant­en CoronaLast­en und des massiven Investitio­nsbedarfs eine umso schwerere Hypothek für unser Land ist.

Die nächsten vier Jahre werden darüber entscheide­n, ob unser Land insgesamt, unsere Unternehme­n hier an ihren Heimatorte­n und damit die Menschen an ihren Arbeitsplä­tzen weiterhin eine gute Zukunft haben. Es geht wahrlich nicht um Nebensächl­ichkeiten, darüber müssen wir uns klar sein!

 ?? FOTO: IMAGO ?? Arndt G. Kirchhoff ist seit Mitte 2016 Unternehme­rpräsident in NRW.
FOTO: IMAGO Arndt G. Kirchhoff ist seit Mitte 2016 Unternehme­rpräsident in NRW.

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