Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Wegweisend­e Wochen für den Radsport

Bei der Straßenrad-wm geht es für das deutsche Team um einen guten Abschluss einer Saison mit vielen Aufs und Abs. Nach dem Rücktritt von Tony Martin steht zudem ein schwierige­r Generation­enwechsel bevor.

- VON PATRICK REICHARDT

BRÜGGE (dpa) Der eine weinte vor Wehmut, der andere vor Enttäuschu­ng: Was die beiden Routiniers Tony Martin und John Degenkolb in Brügge und Frankfurt für Bilder produziert­en, taugte ideal als Sinnbild für das deutsche RadsportJa­hr 2021. Es gab große Emotionen wie den bevorstehe­nden Rücktritt von Zeitfahr-spezialist Martin oder Sprint-star André Greipel. Es gab große Erfolge wie den von Nils Politt bei der Tour de France oder den Gesamtsieg von Maximilian Schachmann bei Paris-nizza. Es gab aber auch herbe sportliche Enttäuschu­ngen, die weit hinter den hochgestec­kten Zielen blieben.

Nun steht für den Bund Deutscher Radfahrer (BDR) der mit großer Spannung ersehnte letzte Jahreshöhe­punkt an: die Straßenrad-wm in Flandern, bei der man zehn Jahre nach der letzten Straßenren­nenMedaill­e gerne mal wieder einen Coup landen würde. „Zu den Favoriten zählen wir nicht, da sind ganz andere Nationen zu nennen. Die Belgier, die Niederländ­er, die Italiener, Julian Alaphilipp­e aus Frankreich und viele, viele andere“, sagte der Sportliche Leiter Jens Zemke der Deutschen Presse-agentur.

Als Kapitän hat Zemke den Bora-hansgrohe-profi Politt ausgerufen, der vom nominierte­n Team um Routinier Degenkolb und TopSprinte­r Pascal Ackermann bestmöglic­h unterstütz­en werden soll. „Wir haben eine sehr, sehr starke Klassikerm­annschaft. Gerade auch mit Nils, der es bei den Klassikern schon gezeigt hat“, sagte ZeitfahrSp­ezialist Martin, der dem BDR am Mittwoch im Mixed als Führungsfi­gur wie 2019 eine Medaille bescheren und den Kollegen damit auch Druck nehmen will.

„Wir sind sicherlich nicht die Favoriten und sollten diese UnderdogRo­lle auch ausspielen“, sagte „Panzerwage­n“Martin zu den Chancen im Wm-straßenren­nen. Der 36-Jährige selbst wird dann schon im Ruhestand sein und als Außenstehe­nder verfolgen, wie sich die nächste Generation auf den Straßen Flanderns schlägt. Mit den Rücktritte­n von Martin (nach dem Zeifahr-mixed) und Greipel (nach der Saison) geht im deutschen Radsport eine Ära zu Ende.

Doch nicht bei allen potenziell­en Nachfolger­n läuft das Jahr so reibungslo­s wie bei Politt oder Schachmann. Sprinter Ackermann, der frühere Tour-de-france-vierte Emanuel Buchmann und Riesentale­nt Lennard Kämna erlebten eine schwierige Saison.

Ackermann blieb zu lange hinter seinen Möglichkei­ten zurück und wurde vor der Tour aus dem Aufgebot genommen. Erst danach, als es für das Saisonhigh­light zu spät war, reihte er Sieg an Sieg. Nach öffentlich ausgetrage­ner Uneinigkei­t mit Teamchef Ralph Denk wechselt der 27-Jährige zum neuen Jahr zum Team Uae-emirates. Buchmann plagte ein Sturz beim Giro d`italia, danach fuhr er spontan die Tour und dort hinterher. „Ein paar warme Worte und eine Umarmung helfen immer“, sagte Denk zur schwierige­n Situation des Ravensburg­ers.

Noch schwierige­r ist die Lage bei Kämna, der beim größten Radrennen der Welt ein Jahr nach seinem famosen Etappensie­g aussetzte. „Die vergangene­n Wochen haben mich leider auch mental mehr blockiert, als ich mir das anfangs eingestehe­n wollte“, begründete Kämna unmittelba­r vor der Tour. Der 25-Jährige ist seither nicht in den Wettkampf zurückgeke­hrt, sein letztes Rennen datiert vom 9. Mai.

„Man darf nicht vergessen, dass wir es nicht geschafft haben, unter die besten zehn Nationen zu kommen“, bilanziert­e Zemke. So könne man in Flandern auch nicht das komplette Kontingent an Fahrern nutzen. Es seien „einige zu nennen, die nicht auf ihrem gewohnten Level performt haben“.

Neben dem sportliche­n Auf und Ab, das jüngst immerhin sechs Medaillen bei der EM im italienisc­hen Trient brachte, muss sich der BDR aber auch um seine Außendarst­ellung sorgen. Der Rassismus-eklat um den derzeit suspendier­ten und bereits abgemahnte­n Sportdirek­tor Patrick Moster beim Straßenrad­rennen bei den Olympische­n Spielen in Tokio hat tiefe Spuren hinterlass­en. Zwar entschuldi­gte sich Moster und äußerte dabei „tiefstes Bedauern“, doch den BDR dürfte das Thema spätestens wieder einholen, wenn der Funktionär 2022 auf seinen Posten zurückkehr­en soll.

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FOTO: BERND THISSEN/DPA John Degenkolb, hier bei der Deutschlan­d Tour, verpasste zuletzt beim Rennen Frankfurt-eschborn als Zweiter nur knapp einen Sieg.

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