Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Mats Hummels hatte einen schweren Start. Die Gewinner und Verlierer der ersten Spieltage.

Bayern München ist zurück an der Tabellensp­itze, der BVB wandelt zwischen Offensiv-spektakel und Defensiv-problemen, Fans protestier­en für volle Stadien mit Hexenkesse­l-stimmung. Die Erkenntnis­se der ersten fünf Wochen Bundesliga.

- VON TIM KRONNER

DÜSSELDORF Christian Streich hat sich „abartig geärgert“– über sich selbst. Denn der Coach des SC Freiburg hatte den Gegnern aus Mainz attestiert, ein ernsthafte­r Anwärter auf die internatio­nalen Plätze zu sein. Nach dem Spiel, das übrigens 0:0 endete, ruderte Streich insofern zurück, dass es zu früh für eine solche Aussage gewesen sei: „Dieser Scheiß, am fünften Spieltag über den Europapoka­l zu reden – was mich wahnsinnig aufgeregt hätte, wenn das von irgendwo gekommen wäre – genau das habe ich gemacht.“So schlimm war das doch gar nicht, möchte man ihm zurufen. Denn nach den ersten fünf Spieltagen ist durchaus ein angemessen­er Zeitpunkt, um zu schauen, wer sich in der Bundesliga wie schlägt – und wo die Reise hingehen kann.

Die Gewinner:

Christian Streich Die Bundesliga, und der Fußball generell, hatten und haben zu viele Protagonis­ten der Kategorie „Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern“. Streich gehört nicht dazu, wie der eingangs geschilder­te Vorgang eindrückli­ch zeigt. Es ist eine Wohltat, dass es mit dem Freiburger Trainer noch einen der wenigen echten Typen auf solch einer Position gibt. Und es ist schön, dass diese offene und ehrliche Art im Breisgau so geschätzt wird, dass Streich als dienstälte­ster Bundesliga­trainer inzwischen vor seinem zehnjährig­en Jubiläum im Dezember steht. Ein guter Fußballleh­rer ist er zudem auch noch – wie Platz sechs in der Tabelle und ein 2:1-Sieg gegen den favorisier­ten BVB am zweiten Spieltag belegen.

Erling Haaland Besagtes Spiel gegen des SC Freiburg war das bislang einzige, in dem der Dortmunder Angreifer ohne Tor blieb. In den anderen vier Bundesliga-partien kommt Haaland auf sieben Treffer, vier weitere hat er vorbereite­t. Der junge Norweger begeistert­e schon in der vergangene­n Spielzeit, kam allerdings noch nicht an Rekord-stürmer Robert Lewandowsk­i heran. Und was viele vergessen: Auch der damalige Frankfurte­r Andre Silva, der bei seinem neuen Klub RB Leipzig noch in der Eingewöhnu­ngsphase steckt, stand am Ende der Saison vor Haaland in der Torschütze­nliste der Bundesliga. Doch jetzt schickt sich Haaland an, erstmals nach der Torjägerka­none zu greifen. Das liegt auch daran, dass er tatsächlic­h noch etwas entdeckt hat, das er verbessern kann: sein Kopfballsp­iel. In der vergangene­n Saison gelang ihm nur ein Treffer per Kopf. Nun sind es nach fünf Spieltagen schon doppelt so viele – auch dank der Vorlagen von Bvb-außenverte­idiger Thomas Meunier.

Bayer Leverkusen Tore schießen können aber nicht nur die Bayern und der BVB, Offensiv-spektakel gehört auch zum Repertoire von Bayer Leverkusen. Der Unterschie­d: Bei der Werkself gibt es nicht den einen Individual­isten, von dem vieles abhängt. Stattdesse­n verteilen sich die 15 Saisontore auf mehrere Schultern. Patrick Schick (vier

Tore) knüpft an seine guten Leistungen bei der EM an und auch der junge Moussa Diaby (drei Tore) sowie vor allem der erst 18-jährige Florian Wirtz (drei Tore) haben einen Zug zum Tor, der die Leverkusen­er in dieser Saison weit bringen kann. Bekommt es die ebenfalls sehr junge Abwehr hin, die Tore der Angreifer noch häufiger in Zählbares umzumünzen, kann Bayer mit diesem Kader die Rückkehr in die Champions League gelingen.

Die Verlierer:

Mats Hummels Zwei Spiele verpasste der Dortmunder Innenverte­idiger wegen Patellaseh­nenproblem­en, in den drei Partien mit seiner Beteiligun­g kassierte der BVB sieben Gegentore. Zu viel für ein Spitzentea­m, das Titel holen will. Oder wie Jupp Heynckes einst sagte: „Der Sturmgewin­nt Spiele, die Abwehr Meistersch­aften.“Wollen die Dortmunder in dieser Saison Serienmeis­ter Bayern München wirklich ernsthaft angreifen, muss Hummels die Gegentorfl­ut in den Griff bekommen. Das ist als Abwehr-chef sein Job – zumal seine vormals formschwac­hen Kollegen Manuel Akanji und Thomas Meunier einzeln betrachtet inzwischen stabiler wirken. Jetzt ist es an Hummels, gemeinsam mit BVBCoach Marco Rose die richtige Zuordnung und Abstimmung im Defensivve­rbund zu finden. Bislang klappt das nicht.

RB Leipzig Beim Vizemeiste­r läuft's nicht. Nur vier Punkte stehen bei den Leipzigern bislang auf dem Konto, zuletzt gab es vier sieglose Spiele in Serie. Zu wenig für die eigenen Ansprüche. Dabei ging es so gut los für RB, als man am ersten Spieltag furios mit 4:0 den VFB Stuttgart besiegte. Doch die folgenden Spiele haben gezeigt, dass die Abgänge von Coach Nagelsmann, der Abwehr-asse Dayot Upamecano und Ibrahima Konate sowie Kapitän und OffensivOr­ganisator Marcel Sabitzer an die Substanz gegangen sind. Ein Lichtblick ist Zugang Dominik Szoboszlai, dem man seine Klasse bei so gut wie jedem Ballkontak­t ansieht. Aber die Bewältigun­g des Leipziger Umbruchs ist zu viel für den jungen Ungarn. Neu-trainer Jesse Marsch ist gefordert, die gerissenen Lücken zu schließen und aus den vielen talentiert­en Spielern ein echtes Team mit Titel-qualitäten zu formen. Das ist bisher noch nicht zu sehen.

Die Fans Sie dürfen wieder ins Stadion – immerhin. Aber von vollen Arenen mit Hexenkesse­l-atmosphäre, wie man sie in anderen europäisch­en Ländern schon wieder sieht, ist die Bundesliga derzeit weit entfernt. Viele organisier­te Fangruppie­rungen demonstrie­rten in den vergangene­n Wochen unter dem Motto „Zurück zur Normalität - zurück zu vollen Stadien!“. Ob das aus epidemiolo­gischer Sicht sinnvoll und vertretbar ist, sei mal dahin gestellt. Fest steht jedoch: Das Stadionerl­ebnis ist nicht das selbe mit Masken, Abstand und weniger Zuschauern – weder für die Fans noch für die Spieler. Also bleiben viele Klub-anhänger, darunter viele sonstige Dauerkarte­n-inhaber, zu Hause. Und verirren sich dort im Abo-dschungel des deutschen Fußballs. Sky, Dazn, Amazon Prime und seit Neuestem auch Rtl-streamingd­ienst TVNOW. Wer sonst einfach ins Stadion gegangen ist, muss jetzt vier Abos abschließe­n, um wirklich alle Spiele seines Klubs, auch die internatio­nalen, live sehen zu können. Das ist nicht sehr fanfreundl­ich.

 ??  ??
 ?? FOTO: IMAGO/MATTHIAS KOCH ?? Nachdenkli­che Blicke beim einen, Freude beim anderen: Die Bvb-profis Mats Hummels (l.) und Erling Haaland nach dem 4:2-Erfolg über Union Berlin am vergangene­n Sonntag.
FOTO: IMAGO/MATTHIAS KOCH Nachdenkli­che Blicke beim einen, Freude beim anderen: Die Bvb-profis Mats Hummels (l.) und Erling Haaland nach dem 4:2-Erfolg über Union Berlin am vergangene­n Sonntag.

Newspapers in German

Newspapers from Germany