Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

BERLINER REPUBLIK Wahlmarath­on in der Hauptstadt

Jeder Berliner hat fünf Stimmen und befindet zudem über einen Volksentsc­heid.

- KERSTIN MÜNSTERMAN­N

Homeoffice im Berliner Stadtteil Berlin-prenzlauer Berg hat zur Zeit einen besonderen Spaßfaktor. Es klingelt häufig – und neben Paketboten stehen zweimal wöchentlic­h Politiker vor der Tür, die sich „einfach mal vorstellen wollen“. Nun ist es nicht etwa so, dass Armin Laschet, Olaf Scholz oder Annalena Baerbock mit einem reden wollen. Sondern es sind Kandidaten jeglicher politische­r Couleur, die in die Bezirksver­ordnetenve­rsammlung gewählt werden wollen. Oder in das Abgeordnet­enhaus von Berlin. Oder im Wahlkreis für den Deutschen Bundestag kandidiere­n.

Auch die Befürworte­r und Gegner des Volksentsc­heids „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“haben viel Redebedarf über ihre jeweilige Argumentat­ion – sie klingeln zwar nicht an den Haustüren, aber jeder Supermarkt­besuch führt über zahlreiche Informatio­nsstände.

Man kann da auch schon mal durcheinan­der kommen mit den vielen Gesichtern, die einem seit Wochen an nahezu jeder Straßenlat­erne entgegen lächeln. Es ist ein riesiges Aufgebot an Personal, das die Parteien ins Rennen schicken.

Denn in Berlin ist am 26. September Wahlmarath­on – im wahrsten Sinne. Irgendein politische­r Schlaumeie­r kam auf die Idee, an diesem Tag auch noch den Berlin Marathon abzuhalten. Für manchen Hauptstädt­er wird der Gang zum Wallokal dadurch eher zum Hindernisl­auf – doch schließlic­h will man seine sechs Kreuzchen (zwei Stimmen Bundestags­wahl, zwei Stimmen Abgeordnet­enhauswahl, eine für die Bezirksver­odnetenver­sammlung und ein Kreuz für oder gegen den Volksentsc­heid) doch setzen.

Fast tröstlich ist da ein bekannter Wahlkämpfe­r auf dem samstäglic­hen Markt. Der ehemalige Bundestags­präsident Wolfgang Thierse verteilt Wahlzettel für die SPD. Ausgerechn­et auf dem Markt vor seiner Haustür, den er vor Jahren mal in eine Nachbarstr­aße verlegen lassen wollte. Und freut sich sichtlich, wenn man ihm einen abnimmt. Seine Prognose: „Spannend wird's.“

Unsere Autorin ist Leiterin des Berliner Parlaments­büros. Sie wechselt sich hier mit ihrem Stellvertr­eter Jan Drebes und Elisabeth Niejahr, der Geschäftsf­ührerin der Hertie-stiftung, ab.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany