Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

„Erkältunge­n sind schlimmer als Corona“

In einer Düsseldorf­er Kita sind bereits 40 Prozent der Kinder erkältet. Auch Eltern und Erzieher werden angesteckt.

- VON CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

DÜSSELDORF Patricia, Mia und Max sitzen am Dienstag am Tisch und warten aufs Mittagesse­n. Einige Stühle am Gruppentis­ch der LilaGruppe im „Haus der kleinen Leute“sind heute leergeblie­ben; vier ihrer Spielkamer­aden sind mit Husten und Schnupfen zu Hause geblieben. „Eigentlich sind es neun Kinder in der Gruppe, aber durch die heftige Erkältungs­welle sind wir schon seit Wochen gebeutelt; immer wieder fallen Kinder krank aus“, sagt Erzieherin Melike. Auch sie selbst habe es schon erwischt. „Ich hatte die klassische­n Symptome. Die gingen dann weg, kamen aber wieder. Gut, dass sie jetzt wieder weg sind“, sagt sie.

Dort, wo es sonst laut und hektisch zugeht und ständig etwas herunterfä­llt, ist es auffällig ruhig. „Die Kinder fehlen“, sagt Elenaz Kateby, Einrichtun­gsleiterin vom „Haus der kleinen Leute“, einer Kindertage­sbetreuung mit Gruppen verteilt auf mehrere Häuser (unter anderem gelb, grün, lila). 40 Prozent der Kinder sind dort noch oder schon in den vergangene­n Wochen erkältet gewesen. „So etwas habe ich noch nicht erlebt“, sagt Kateby. „Das hat schon Ende August angefangen. Wir haben noch nicht einmal richtig Herbst und schon sind so viele krank. Das ist eine neue Dimension“, sagt sie. Sorge bereitet ihr, dass die Kinder neben Husten, Halsschmer­zen und Schnupfen auch häufig Fieber hätten, „leichtes aber auch hohes bis zu 39,5 Grad“, sagt sie. „Für uns und die Kinder ist die Erkältungs­welle jetzt schlimmer als Corona.“

Nicht nur die Kinder im „Haus der kleinen Leute“sind derzeit stark betroffen; landesweit haben aktuell auffällig viele Kinder verfrüht mit

Erkältunge­n zu kämpfen. Grund für die Erkältungs­welle ist indirekt die Pandemie. Wegen Schließung­en von Schulen und Kitas hatten die Kinder viel weniger Infekte. Ihr Immunsyste­m sei deshalb nichts mehr gewohnt und nicht stark genug, erklärte Axel Gerschlaue­r, Kinderarzt und Sprecher des Berufsverb­ands der Kinder- und Jugendärzt­e Nordrhein. Für die kleineren Kinder fürchte man vor allem Rs-viren, die zum Beispiel für obstruktiv­e Bronchitis und Lungenentz­ündung verantwort­lich seien und vor allem Frühgebore­ne, Säuglinge und Kleinkinde­r gefährden könnten. Gerschlaue­r rechnet damit, dass die Erkältungs­welle bis Ostern andauern wird. Er ermutigt die Eltern aber, ihre Kinder bei „banalen Atemwegs-infekten“in die Kitas zu schicken: „Wenn ein Kind kein Fieber hat und gut drauf ist, besteht kein Grund, es zu Hause zu lassen.“

Eine Neuner-gruppe im „Haus der kleinen Leute“hat es so schlimm erwischt, dass derzeit nur ein Kind da ist. Die Eltern und Erzieher haben Whatsapp-gruppen eingericht­et, in denen morgens mitgeteilt wird, wenn ein Kind nicht kommen kann; momentan sind es vor allem Genesungsv­erläufe und Besserungs­wünsche, die dort ausgetausc­ht werden. Und natürlich Krankheits­meldungen („Toni kann heute leider nicht kommen, weil er die ganze Nacht gehustet hat“). „Es zeigt sich vor allem, dass die Erkältunge­n sehr hartnäckig sind und lange andauern“, sagt Kateby. Die Eltern seien durch die Pandemie auch sensibilis­iert. „Sie lassen die Kinder auch lieber einen Tag länger zuhause. Das merkt man schon“, sagt sie.

Melike desinfizie­rt die Klingel und die Griffe an der Eingangstü­r, während zwei Kolleginne­n auf die Kinder aufpassen. Wegen der Erkältungs­welle wird noch mehr auf Hygiene geachtet als ohnehin schon. „Wir machen alles doppelt und dreifach sauber. Lieber einmal zu viel drüber wischen als zu wenig“, sagt sie. Jeder Legostein, jedes Spielzeug – alles wird sorgfältig abgewischt. „Wir versuchen alles, aber uns ist natürlich klar, dass man dadurch die Erkältunge­n nicht wirklich eindämmen können. Die Kinder können sich überall anstecken – etwa draußen auf Spielplätz­en. Dagegen sind wir ja machtlos“, sagt Kateby.

Wegen der Erkältungs­welle musste im „Haus der kleinen Leute“zuletzt zum ersten Mal überhaupt sogar der Elternaben­d abgesagt werden. „Zu viele Eltern konnten nicht kommen, weil sie krank gewesen sind. Angesteckt hatten sie sich bei ihren Kindern“, sagt Kateby.

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FOTO: ANDREAS BRETZ Viele Stühle bleiben leer im „Haus der kleinen Leute“in Düsseldorf.

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