Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
„Erkältungen sind schlimmer als Corona“
In einer Düsseldorfer Kita sind bereits 40 Prozent der Kinder erkältet. Auch Eltern und Erzieher werden angesteckt.
DÜSSELDORF Patricia, Mia und Max sitzen am Dienstag am Tisch und warten aufs Mittagessen. Einige Stühle am Gruppentisch der LilaGruppe im „Haus der kleinen Leute“sind heute leergeblieben; vier ihrer Spielkameraden sind mit Husten und Schnupfen zu Hause geblieben. „Eigentlich sind es neun Kinder in der Gruppe, aber durch die heftige Erkältungswelle sind wir schon seit Wochen gebeutelt; immer wieder fallen Kinder krank aus“, sagt Erzieherin Melike. Auch sie selbst habe es schon erwischt. „Ich hatte die klassischen Symptome. Die gingen dann weg, kamen aber wieder. Gut, dass sie jetzt wieder weg sind“, sagt sie.
Dort, wo es sonst laut und hektisch zugeht und ständig etwas herunterfällt, ist es auffällig ruhig. „Die Kinder fehlen“, sagt Elenaz Kateby, Einrichtungsleiterin vom „Haus der kleinen Leute“, einer Kindertagesbetreuung mit Gruppen verteilt auf mehrere Häuser (unter anderem gelb, grün, lila). 40 Prozent der Kinder sind dort noch oder schon in den vergangenen Wochen erkältet gewesen. „So etwas habe ich noch nicht erlebt“, sagt Kateby. „Das hat schon Ende August angefangen. Wir haben noch nicht einmal richtig Herbst und schon sind so viele krank. Das ist eine neue Dimension“, sagt sie. Sorge bereitet ihr, dass die Kinder neben Husten, Halsschmerzen und Schnupfen auch häufig Fieber hätten, „leichtes aber auch hohes bis zu 39,5 Grad“, sagt sie. „Für uns und die Kinder ist die Erkältungswelle jetzt schlimmer als Corona.“
Nicht nur die Kinder im „Haus der kleinen Leute“sind derzeit stark betroffen; landesweit haben aktuell auffällig viele Kinder verfrüht mit
Erkältungen zu kämpfen. Grund für die Erkältungswelle ist indirekt die Pandemie. Wegen Schließungen von Schulen und Kitas hatten die Kinder viel weniger Infekte. Ihr Immunsystem sei deshalb nichts mehr gewohnt und nicht stark genug, erklärte Axel Gerschlauer, Kinderarzt und Sprecher des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte Nordrhein. Für die kleineren Kinder fürchte man vor allem Rs-viren, die zum Beispiel für obstruktive Bronchitis und Lungenentzündung verantwortlich seien und vor allem Frühgeborene, Säuglinge und Kleinkinder gefährden könnten. Gerschlauer rechnet damit, dass die Erkältungswelle bis Ostern andauern wird. Er ermutigt die Eltern aber, ihre Kinder bei „banalen Atemwegs-infekten“in die Kitas zu schicken: „Wenn ein Kind kein Fieber hat und gut drauf ist, besteht kein Grund, es zu Hause zu lassen.“
Eine Neuner-gruppe im „Haus der kleinen Leute“hat es so schlimm erwischt, dass derzeit nur ein Kind da ist. Die Eltern und Erzieher haben Whatsapp-gruppen eingerichtet, in denen morgens mitgeteilt wird, wenn ein Kind nicht kommen kann; momentan sind es vor allem Genesungsverläufe und Besserungswünsche, die dort ausgetauscht werden. Und natürlich Krankheitsmeldungen („Toni kann heute leider nicht kommen, weil er die ganze Nacht gehustet hat“). „Es zeigt sich vor allem, dass die Erkältungen sehr hartnäckig sind und lange andauern“, sagt Kateby. Die Eltern seien durch die Pandemie auch sensibilisiert. „Sie lassen die Kinder auch lieber einen Tag länger zuhause. Das merkt man schon“, sagt sie.
Melike desinfiziert die Klingel und die Griffe an der Eingangstür, während zwei Kolleginnen auf die Kinder aufpassen. Wegen der Erkältungswelle wird noch mehr auf Hygiene geachtet als ohnehin schon. „Wir machen alles doppelt und dreifach sauber. Lieber einmal zu viel drüber wischen als zu wenig“, sagt sie. Jeder Legostein, jedes Spielzeug – alles wird sorgfältig abgewischt. „Wir versuchen alles, aber uns ist natürlich klar, dass man dadurch die Erkältungen nicht wirklich eindämmen können. Die Kinder können sich überall anstecken – etwa draußen auf Spielplätzen. Dagegen sind wir ja machtlos“, sagt Kateby.
Wegen der Erkältungswelle musste im „Haus der kleinen Leute“zuletzt zum ersten Mal überhaupt sogar der Elternabend abgesagt werden. „Zu viele Eltern konnten nicht kommen, weil sie krank gewesen sind. Angesteckt hatten sie sich bei ihren Kindern“, sagt Kateby.