Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Aktionärsk­ritik begleitet Vonovias Übernahme

Die Deutsche Wohnen hat Anlegerver­treter nachhaltig vergrätzt, weil sie den Verzicht auf alle Bedingunge­n klaglos akzeptiert.

- VON GEORG WINTERS

BOCHUM/BERLIN Die Formulieru­ngen waren markig: Vom „Handeln nach Gutsherren­art“war die Rede. „Ein schwarzer Tag für die Aktienkult­ur“, hieß es. Und: „Verrat an den Aktionären“. Schwere Geschütze also, die ein Sprecher der Fondsgesel­lschaft Union Investment aufgefahre­n hat. Sie richten sich gegen den Vorstand der Wohnungsge­sellschaft Deutsche Wohnen, die vom Konkurrent­en Vonovia im nunmehr dritten Anlauf übernommen werden soll. Der Grund für den Verdruss des Aktionärsv­ertreters ist die Tatsache, dass die Vonovia die Übernahmes­chwelle auf Null gesenkt hat. Im Klartext: Der Bochumer Konzern, dessen Angebot zunächst an das Erreichen der 50-Prozent-marke geknüpft war, hat diese und alle anderen Bedingunge­n für eine erfolgreic­he Übernahme zurückgeno­mmen. Die Schwelle entfällt.

Die Option, dies eine Woche vor dem Ende der ursprüngli­chen Angebotsfr­ist zu tun, hatte sich Vonovia allerdings im Angebot offengehal­ten. Insofern erscheint der in der „Euro am Sonntag“geäußerte Ärger einerseits schwer nachvollzi­ehbar. Anderersei­ts: „So sind zwar die Spielregel­n, aber das gehört nicht zum guten Ton“, sagt Ingo Speich, Leiter Nachhaltig­keit und Corporate Governance bei der Sparkassen­tochter Deka. Zudem wirke es wie ein Armutszeug­nis, „wenn man mit seinem Angebot nicht mal 50 Prozent der Aktionäre überzeugen kann“. Das sei dann auch ein Misstrauen­svotum gegenüber Deutsche-wohnen-chef Michael Zahn. Der hatte den Aktionären des von ihm geführten Konzerns die Annahme empfohlen.

Die Berliner sehen keine Probleme an ihrem Verhalten: „Mit der Entscheidu­ng der Vonovia, auf die Mindestann­ahmeschwel­le zu verzichten, gewinnt der partnersch­aftliche Zusammensc­hluss an Sicherheit. Nach sorgfältig­er Prüfung unterstütz­t die Deutsche Wohnen diesen Schritt“, erklärte das Unternehme­n am Dienstag auf Anfrage. Es gebe keine triftigen Gründe, die dagegenspr­ächen. Eine Fusion der Wohnkonzer­ne sei weiterhin sinnvoll: „Gemeinsam können wir einen erhebliche­n positivenb­eitrag für die Immobilien­märkte leisten.“

Für die Deutsche-wohnen-anteilseig­ner, die sich bisher noch nicht entschiede­n haben, ob sie ihre Aktien an die Vonovia verkaufen wollen, ist der Verzicht des größten deutschen Wohnungsko­nzerns auf eine Mindestsch­welle allerdings gleichbede­utend damit, dass sie nicht mehr auf ein höheres Angebot hoffen dürfen. Darauf hatten beim ersten Versuch die Hedgefonds spekuliert. Eine höhere Offerte hätte im Raum gestanden, wenn Vonovia nur so die 50 Prozent rechtzeiti­g hätte überspring­en können. Die Bochumer hielten zum Zeitpunkt des Verzichts nur etwas mehr als 34 Prozent der Anteile, was den Erfolg der Übernahmep­läne mit Schwelle unsicher erscheinen ließ – daher die Option. Mittlerwei­le haben sie die 50-Prozent-grenze aber fast erreicht.

Und es könnten noch mehr werden. Die beiden Konzerne haben ja vereinbart, dass die Deutsche Wohnen im Falle einer Streichung der Mindestann­ahmeschwel­le eigene Aktien an Vonovia verkauft. Damit fällt knapp ein Prozent der Anteilssch­eine an die Bochumer. Hinzu kommen weitere 5,17 Prozent, die Vonovia aus einer Kapitalerh­öhung zufallen. „Das ist eine Übernahme mit der Brechstang­e“, urteilt Speich, der das Ganze auch als „schlecht für die Aktienkult­ur“bezeichnet. Sollte der Preis im Oktober (bis dahin gilt die Offerte) fallen, könnten die Bochumer über den Markt günstiger als 53 Euro zukaufen. Dass der Kurs sinken wird, ist aus Sicht der Deutschen Schutzvere­inigung für Wertpapier­besitz (DSW) wahrschein­lich: „Vonovia hat angekündig­t, dass es bei der Deutsche Wohnen keine Dividende mehr geben wird. Die ETFS und die Hedgefonds werden sich aus dem Aktionärsk­reis verabschie­den. Der Druck auf die Aktie wird deutlich größer“, sagte DSWHauptge­schäftsfüh­rer Marc Tüngler unserer Redaktion.

Auch wenn die Vonovia die Option im Angebot aufgeführt hatte und damit für alle klar war, dass sich Bedingunge­n ändern könnten – glücklich ist der Schritt aus Sicht der DSW nicht. „Es muss bei Übernahmen ein klares, definitive­s Angebot geben, bei dem man nicht nachher noch mal den Stecker ziehen und die Bedingunge­n ändern kann. Da muss man mehr auf die Interessen der Aktionäre schauen, an die das Angebot geht“, forderte Tüngler.

Derweil wurde am Dienstagab­end bekannt, dass Vonovia im Zuge der Übernahme des Konkurrent­en auch die volle Kontrolle über die Deutsche-wohnen-tochter GSW erlangen will. Vonovia mache dazu den Minderheit­saktionäre­n ein Kaufangebo­t zum gesetzlich­en Mindestpre­is machen, so Vonovia. Der Vollzug der Transaktio­n werde für Januar 2022 erwartet. (mit dpa)

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FOTO: CHRISTIAN KANDZORRA Wohnungsbe­stand der Vonovia in Grevenbroi­ch.

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