Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Zum Waldbaden in die Berge

Oberaudorf ist ein Paradies für Wanderer – rund ums Hocheck und direkt vom Ortskern aus startet man zu vielseitig­en Panorama- und Höhenwegen. Und entspannen kann man dabei im bayerische­n Mischwald auch noch – beim Waldbaden auf japanische Art.

- VON ELFI VOMBERG

Diese Buche hier oben auf der Lichtung hat schon einiges auf der Rinde: Menschenpr­obleme, Alltagsärg­er, Geheimniss­e, und bestimmt musste sie auch den ein oder anderen Liebeskumm­er schon aushalten. Wenn diese Buche reden könnte, sie würde wahrschein­lich tief seufzen.

„Die Bäume hier sind so stark, so tief verwurzelt – die halten unsere Probleme und Gedanken schon aus“, beschwicht­igt Barbara Brunner, legt ihre Hand auf die dunkle Rinde der Buche und ergänzt: „Meistens hat man ja Gedanken, die sich im Kreis drehen – bündelt die mal und dann gebt ihr sie an einen Baum ab. Die Gedanken lassen wir jetzt hier zurück.“

Und schon wieder hat die Buche ein Problem mehr auf der Rinde. Zweimal wöchentlic­h kommt Barbara Brunner hier hoch in den Wald rund um die bayerische Gemeinde Oberaudorf und lehrt Touristen das sogenannte „Waldbaden“.

Hier im Herzen des Inntals kommen Wandervöge­l ganz auf ihre Kosten – Berge, idyllische Seen, Einsteiger-hügel für die ganze Familie. „Aber meistens quatscht man ja beim Wandern immer drauf los und nimmt dabei überhaupt nicht die Natur wahr. Beim Waldbaden kann man sich mal ganz bewusst auf die Umgebung einlassen und dabei entspannen. Das hat einen unglaublic­hen Erholungse­ffekt“, schwärmt die ausgebilde­te Kräuterpäd­agogin.

Die Naturheilm­ethode „Shinrin-yoku“, auf deutsch „Baden in der Waldluft“, stammt aus Japan und gehört dort inzwischen zur Gesundheit­svorsorge. Im Vordergrun­d steht das Spazieren mit allen Sinnen. Man vermutet, dass die Wirkung des Waldes mit den ätherische­n Ölen, die die Bäume und Pflanzen ausdünsten, das Immunsyste­m anregen und das Nervensyst­em beruhigen. „Den Wald einmal mit allen Sinnen erleben, die eigenen Gedankenst­röme unterbrech­en und sich mal nur auf die Gerüche und Klänge des Waldes zu konzentrie­ren – das ist sehr erholsam“, erklärt Brunner. Während sonst beim Wandern oft Ziel, Endpunkt, Geschwindi­gkeit oder Länge der Strecke im Vordergrun­d steht, geht es hier um die Selbsterfa­hrung in der Natur. Nächste Übung im Waldbaden: atmen, horchen, bewusst wahrnehmen. „Also – Augen schließen, die Wanderschu­he im Waldboden verwurzeln und riecht mal – links, rechts, unten, oben“, leitet Brunner an. Und tatsächlic­h – links riecht es anders als rechts; plötzlich nimmt man auch die schweren Regentropf­en wahr, die von den Bäumen auf den moosigen Waldboden tropfen. Nur aus der Ferne erinnern die dumpfen Kirchturmg­locken von Oberaudorf noch an die Welt „da unten“. „Hier oben“hingegen ist der Alltag plötzlich ganz weit weg.

Die Bergwelt rund um Oberaudorf mit seinem 1634 Meter hohen Hausberg „Brünnstein“hält für jeden Wandergesc­hmack die passende Tour bereit: Kräuterwan­derung für Genießer, Fackelwand­erungen für Abenteurer, Bergwander­schule für Einsteiger und Höhlenweg für Entdecker. Insgesamt 200 Kilometer beschilder­te Wanderwege und 150 geführte Touren sind im Programm rund um das beschaulic­he Oberaudorf mitten in den oberbayeri­schen Alpen. Dazu ein Ort, indem es immer etwas zu feiern gibt – Pfarrfest, Weinfest, Kirchfest – sodass hier der perfekte bayerische Urlaub möglich ist.

Barbara Brunner ist beim Waldbaden inzwischen auf der nächsten Erholungss­tufe angelangt. Jetzt heißt es: Schuhe aus, Socken aus – und den Waldboden mit den Füßen erkunden. „Nehmt alles mal ganz bewusst wahr. Stellt euch vor, ihr seid ein Kind und entdeckt diese Welt hier zum ersten Mal, also ganz unvoreinge­nommen“, erklärt die 40-Jährige. Und plötzlich sehen die Waldbadegä­ste Schneckens­pu

ren auf Rinden, vermooste Wurzeln, Baumtriebe, die mit Spinnweben eingepackt sind, und geheimnisv­olle Löcher im Waldboden. Wie fühlt sich die Rinde an? Wie riecht die Blüte? Wie riecht die Luft?

Nach der Entdeckung­stour ist es Zeit für eine Pause – natürlich mitten drin im bayerische­n Mischwald. Barbara Brunner packt ihre Thermoskan­ne aus und füllt frisch gesammelte Fichtennad­eln – „noch die ganz jungen, hellgrünen Spitzen“– in den dampfenden Behälter für ihren Spezial-waldtee. Köstlich. Dazu: Schokolade­ntropfen mit Fichtennad­eln und Salz. Hier im Wald mit Blick auf den Oberaudorf­er Kirchturm die perfekte Pause für ein wohltuende­s Bad inmitten von Fichte, Tanne, Lärche, Eibe und Buche.

„Den Wald einmal mit allen Sinnen erleben – das ist sehr erholsam“Barbara Brunner Kräuterpäd­agogin

Die Redaktion wurde von der Touristik-informatio­n Oberaudorf zu der Reise eingeladen.

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FOTOS: ELFI VOMBERG Das Hocheck ist eine herrliches Fleckchen Bayern für Freunde des Wanderns.
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Barbara Brunner lehrt Touristen das Waldbaden.

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