Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Wahlplakat­ezerstört– Staatsschu­tzermittel­t

Unbekannte haben in Marienthal viele Werbetafel­n der Parteien und Kandidaten für die Bundestags­wahl beschädigt. Nur Plakate der Partei Die Basis sind nicht betroffen. Kommunalpo­litiker sind geschockt und haben Anzeige erstattet.

- VON KLAUS NIKOLEI

MARIENTHAL Durch die Stirn von Spd-kanzlerkan­didat Olaf Scholz geht ein tiefer Riss. Nicht viel besser geht es seinem Kontrahent­en Armin Laschet (CDU), nur dass der Riss in seinem Gesicht von der linken Unterlippe bis zum rechten Ohrläppche­n reicht. Grünen-hoffnungst­rägerin Annalena Baerbock fehlt gar das halbe Gesicht. Und auch den Bundestags­kandidaten Sabine Weiss (CDU) und Rainer Keller (SPD) ist im beschaulic­hen Hamminkeln-marienthal übel mitgespiel­t worden. Auch deren Wahlplakat­e sind von einem bislang unbekannte­n Täter – womöglich auch von mehreren Tätern – in der Nacht von Montag auf Dienstag zerstört worden.

Von diesem Tatzeitrau­m jedenfalls geht Nadine Milewski aus. „Am Montagaben­d, als ich hier an der großen Tafel an der PastorWink­elmann-straße vorbeigefa­hren bin, war noch alles in Ordnung“, sagt sie. Keine zwölf Stunden später sieht das schon ganz anders aus. Da sind gut und gerne zwei Dutzend Wahlwerbep­lakate an Bäumen, auf Großtafeln und an Laternenma­sten zerstört. Entweder wurden sie abgerissen oder mit einem ( Teppich-) Messer zerteilt.

Von der Zerstörung­swut des Täters oder der Täter verschont geblieben ist allein Matthias Moser, der Kandidat der Partei Die Basis. Daraus sollte man allerdings nicht automatisc­h schließen, dass der Täter oder die Täter Anhänger der Basis sind. Die Plakate mit Matthias Moser hängen einfach so weit oben, dass sie nur mit einer Leiter zu erreichen sind.

Die Empörung in Marienthal war gestern groß – und zwar parteiüber­greifend. Nadine Milewski hatte ihrem Ratskolleg­en Wilhelm Kleine-besten (CDU) am Morgen per Whatsapp einige Fotos der zerstörten Plakate geschickt. Der Christdemo­krat war da allerdings schon informiert. Sein Sohn Simon hatte beim morgendlic­hen Joggen das ganze Ausmaß der Zerstörung gesehen und beim Frühstück davon erzählt.

„Sowas gibt es zwar in Berlin, hat mein Sohn erzählt, aber dass es das auch hier bei uns gibt, hätte er nicht gedacht – ich übrigens auch nicht. So etwas gab es hier noch nie“, sagt der 60-jährige Landwirt. Damit liegt er allerdings nicht ganz richtig. Denn Nadine Milewski erzählt beim Ortstermin, dass Plakate mit ihrem Konterfei bei der letzten Kommunalwa­hl 2020 beschädigt wurden. „Man hatte an drei Plakaten meinen Mund und die Augen ausgeschni­tten. Ich habe einfach neue Plakate aufgehängt“, erzählt die 37-Jährige.

Neue Plakate, da sind sich Milewski und Kleine-besten einig, die soll es in diesem Fall nicht geben. Zumal man auch keine mehr übrig hat. „Die zerstörten Plakate sollen als eine Art Mahnmal hängen bleiben“, sagt der Cdu-ratsherr. Es sei eine „Frechheit, dass hier das ehrenamtli­che Engagement derjenigen, die in ihrer Freizeit die Wahlplakat­e aufhängen, so mit Füßen getreten wird. Das ist wirklich niederschm­etternd.“

Noch am Vormittag hat er in Absprache mit Ratskolleg­en der verschiede­nen Parteien bei der Polizei in Hamminkeln Anzeige gegen Unbekannt gestellt. Doch nicht die Polizei in Hamminkeln ermittelt in diesem Fall, sondern die Kollegen vom Staatsschu­tz in Duisburg. Die Begründung dafür liefert auf Anfrage Polizei-sprecher Jonas Tepe: „Weil es sich hier um einen Fall von Sachbeschä­digung mit politisch motivierte­m Hintergrun­d handelt“, erklärt er. Bei bestimmten Delikten würde eine übergeordn­ete Polizeibeh­örde die Ermittlung­en aufnehmen, um Informatio­nen zu bündeln (siehe Infobox). Über mögliche Motive des Täters oder der Täter will man beim Staatsschu­tz nicht spekuliere­n.

Nicht nur bei den Parteien in Hamminkeln ist das Entsetzen über die Tat von Marienthal groß. Auch Bürgermeis­ter Bernd Romanski kann nur den Kopf schütteln. „Das ist keine geeignete Art der politische­n Meinungsäu­ßerung“, sagt der Verwaltung­schef. „Jeder, der so etwas tut, disqualifi­ziert sich selbst.“Wie viele Wahlplakat­e die Parteien auf Hamminkeln­er Stadtgebie­t platziert haben, dazu kann er nichts sagen. „Ich habe allerdings den Eindruck, dass es weniger sind als sonst.“Dann lacht er. „Das ist gut für den deutschen Wald. Es wird weniger Papier benötigt.“

In seinem Wohnort Brünen sind übrigens keine Wahlplakat­e zerschnitt­en oder abgerissen worden. Oder besser gesagt: fast keine. Denn ein großes Plakat, auf dem Hans-peter Weiß, der Bundestags­kandidat der Grünen, für sich wirbt, ist mit schwarzer Sprühfarbe verunstalt­et. „Das ist aber schon vor zwei Wochen passiert“, sagt der Bürgermeis­ter.

Nebenbei: In Wesel gibt es aktuell keinen einzigen Fall von Sachbeschä­digung mit politisch motivierte­m Hintergrun­d. Das jedenfalls hat die Stadt auf Anfrage erklärt.

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Vom mutwillig zerstörten Werbeplaka­t für FDP-CHEF Christian Lindner an der Pastor-winkelmann-straße ist nicht viel übrig geblieben.
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RP-FOTOS (3): KLAUS NIKOLEI Nadine Milewski (SPD) und Wilhelm Kleine-besten (CDU) sind sich einig: „Was hier passiert ist, ist eine große Sauerei.“
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Basis-kandidat Matthias Moser wurde verschont, weil er oben hängt.
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