Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Wahlplakatezerstört– Staatsschutzermittelt
Unbekannte haben in Marienthal viele Werbetafeln der Parteien und Kandidaten für die Bundestagswahl beschädigt. Nur Plakate der Partei Die Basis sind nicht betroffen. Kommunalpolitiker sind geschockt und haben Anzeige erstattet.
MARIENTHAL Durch die Stirn von Spd-kanzlerkandidat Olaf Scholz geht ein tiefer Riss. Nicht viel besser geht es seinem Kontrahenten Armin Laschet (CDU), nur dass der Riss in seinem Gesicht von der linken Unterlippe bis zum rechten Ohrläppchen reicht. Grünen-hoffnungsträgerin Annalena Baerbock fehlt gar das halbe Gesicht. Und auch den Bundestagskandidaten Sabine Weiss (CDU) und Rainer Keller (SPD) ist im beschaulichen Hamminkeln-marienthal übel mitgespielt worden. Auch deren Wahlplakate sind von einem bislang unbekannten Täter – womöglich auch von mehreren Tätern – in der Nacht von Montag auf Dienstag zerstört worden.
Von diesem Tatzeitraum jedenfalls geht Nadine Milewski aus. „Am Montagabend, als ich hier an der großen Tafel an der PastorWinkelmann-straße vorbeigefahren bin, war noch alles in Ordnung“, sagt sie. Keine zwölf Stunden später sieht das schon ganz anders aus. Da sind gut und gerne zwei Dutzend Wahlwerbeplakate an Bäumen, auf Großtafeln und an Laternenmasten zerstört. Entweder wurden sie abgerissen oder mit einem ( Teppich-) Messer zerteilt.
Von der Zerstörungswut des Täters oder der Täter verschont geblieben ist allein Matthias Moser, der Kandidat der Partei Die Basis. Daraus sollte man allerdings nicht automatisch schließen, dass der Täter oder die Täter Anhänger der Basis sind. Die Plakate mit Matthias Moser hängen einfach so weit oben, dass sie nur mit einer Leiter zu erreichen sind.
Die Empörung in Marienthal war gestern groß – und zwar parteiübergreifend. Nadine Milewski hatte ihrem Ratskollegen Wilhelm Kleine-besten (CDU) am Morgen per Whatsapp einige Fotos der zerstörten Plakate geschickt. Der Christdemokrat war da allerdings schon informiert. Sein Sohn Simon hatte beim morgendlichen Joggen das ganze Ausmaß der Zerstörung gesehen und beim Frühstück davon erzählt.
„Sowas gibt es zwar in Berlin, hat mein Sohn erzählt, aber dass es das auch hier bei uns gibt, hätte er nicht gedacht – ich übrigens auch nicht. So etwas gab es hier noch nie“, sagt der 60-jährige Landwirt. Damit liegt er allerdings nicht ganz richtig. Denn Nadine Milewski erzählt beim Ortstermin, dass Plakate mit ihrem Konterfei bei der letzten Kommunalwahl 2020 beschädigt wurden. „Man hatte an drei Plakaten meinen Mund und die Augen ausgeschnitten. Ich habe einfach neue Plakate aufgehängt“, erzählt die 37-Jährige.
Neue Plakate, da sind sich Milewski und Kleine-besten einig, die soll es in diesem Fall nicht geben. Zumal man auch keine mehr übrig hat. „Die zerstörten Plakate sollen als eine Art Mahnmal hängen bleiben“, sagt der Cdu-ratsherr. Es sei eine „Frechheit, dass hier das ehrenamtliche Engagement derjenigen, die in ihrer Freizeit die Wahlplakate aufhängen, so mit Füßen getreten wird. Das ist wirklich niederschmetternd.“
Noch am Vormittag hat er in Absprache mit Ratskollegen der verschiedenen Parteien bei der Polizei in Hamminkeln Anzeige gegen Unbekannt gestellt. Doch nicht die Polizei in Hamminkeln ermittelt in diesem Fall, sondern die Kollegen vom Staatsschutz in Duisburg. Die Begründung dafür liefert auf Anfrage Polizei-sprecher Jonas Tepe: „Weil es sich hier um einen Fall von Sachbeschädigung mit politisch motiviertem Hintergrund handelt“, erklärt er. Bei bestimmten Delikten würde eine übergeordnete Polizeibehörde die Ermittlungen aufnehmen, um Informationen zu bündeln (siehe Infobox). Über mögliche Motive des Täters oder der Täter will man beim Staatsschutz nicht spekulieren.
Nicht nur bei den Parteien in Hamminkeln ist das Entsetzen über die Tat von Marienthal groß. Auch Bürgermeister Bernd Romanski kann nur den Kopf schütteln. „Das ist keine geeignete Art der politischen Meinungsäußerung“, sagt der Verwaltungschef. „Jeder, der so etwas tut, disqualifiziert sich selbst.“Wie viele Wahlplakate die Parteien auf Hamminkelner Stadtgebiet platziert haben, dazu kann er nichts sagen. „Ich habe allerdings den Eindruck, dass es weniger sind als sonst.“Dann lacht er. „Das ist gut für den deutschen Wald. Es wird weniger Papier benötigt.“
In seinem Wohnort Brünen sind übrigens keine Wahlplakate zerschnitten oder abgerissen worden. Oder besser gesagt: fast keine. Denn ein großes Plakat, auf dem Hans-peter Weiß, der Bundestagskandidat der Grünen, für sich wirbt, ist mit schwarzer Sprühfarbe verunstaltet. „Das ist aber schon vor zwei Wochen passiert“, sagt der Bürgermeister.
Nebenbei: In Wesel gibt es aktuell keinen einzigen Fall von Sachbeschädigung mit politisch motiviertem Hintergrund. Das jedenfalls hat die Stadt auf Anfrage erklärt.