Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Deichverband fühlt sich im Stich gelassen
RHEINBERG Der Deichverband Duisburg-xanten steht vor der größten Baumaßnahme seiner Geschichte. Zwischen Baerl und Orsoy soll der Deich auf einer Länge von fünf Kilometern komplett abgetragen und erneuert werden. Geschätzte Kosten der Maßnahme: Rund 40 Millionen Euro. Nötig geworden ist diese Maßnahme durch die vom Bergbau verursachten Bodensenkungen. „Die RAG sagt aber jetzt, dass sie sich nicht an den Kosten der Sanierungsmaßnahmen beteiligen wird“, erklärt Viktor Paeßens. „Ein Unding“, findet der Deichgräf und fordert Unterstützung: „Wenn das nicht in Gesprächen mit der RAG zu lösen ist, erwarten wir Hilfe von der Politik.“
Anfang der Woche sollte daher ein Treffen mit der wahlkämpfenden Sabine Weiss am Orsoyer Rheindeich stattfinden. Die Cdu-bundestagsabgeordnete musste allerdings krankheitsbedingt kurzfristig absagen. Paeßens nutzte dennoch die Gelegenheit, um erneut auf die prekäre Situation aufmerksam zu machen, in der sich Rhein-anrainer am Niederrhein befinden. „Durch die Bergsenkungen liegen große Gebiete unterhalb des Niveaus, bei dem Wasser wieder in den Rhein zurücklaufen könne. Hinzu kommt, dass die Pumpen der Lineg bei einem Hochwasser ausfallen würden“, erläutert der Deichgräf.
Das gesamte Ausmaß einer solchen Katastrophe macht Paeßens anhand von Zahlen deutlich: „Wenn hier der Deich bricht, fließen pro Sekunde 14.500 Kubikmeter Wasser ins Land. Das würde innerhalb von nur fünf Tagen dafür sorgen, dass der Niederrhein von Krefeld bis Xanten für immer unter Wasser liegt und unbewohnbar wird.“
Bislang musste der Deichverband sich am Hochwasser von 1926 orientieren, um zu wissen, welche Gebiete er besonders schützen muss. Nach einer von ihm in Auftrag gegebenen Studie haben Experten der RTWH Aachen nun aufgrund der aktuellen topografischen Situation ein aktuelles Hochwasser simuliert und sind dabei zu erstaunlichen Ergebnissen gekommen. Paeßens: „Es würde jetzt auch Kamp-lintfort, Teile von Sevelen, Alpen, Rheinberg, Xanten und Wesel betreffen. Wir wissen jetzt gerichtsfest und auf das Grundstück genau, welche Gebiete wir schützen müssen.“Damit werde sich der Schutzbereich des Deichverbandes um etwa 35 Prozent vergrößern.
Das hat zur Folge, dass künftig Grundstückseigentümer eine Beitragsrechnung bekommen werden, die bislang nicht an den Kosten beteiligt waren. In Rheinberg betrifft das zum Beispiel die Gebiete Annaberg und Millingen. Damit ist Paeßens wieder beim Thema. „Wir werden auch die vielen neuen Mitglieder mit Zwangsbeiträgen belegen, die durch einen Verursacher ausgelöst werden, der dafür nicht bezahlen möchte.“Immerhin könne der Verband durch die Mehrzahler auf Beitragserhöhungen verzichten,
„die Beiträge vielleicht sogar vorrübergehend senken“.
Paeßens beklagt auch, dass das staatliche Umweltamt, Anlaufstelle und Unterstützung zugleich, vor 14 Jahren aufgelöst worden sei, gleichzeitig aber eine ausufernde Bürokratie Baumaßnahmen immer weiter hinauszögere. Er fühlt sich und seine Mitarbeiter im Stich gelassen: „Die Scheinheiligkeit regt mich auf. Alle sagen, wir helfen euch, aber das Gegenteil ist der Fall.“Seine Forderungen an die Politik: „Helft uns in den Gesprächen mit dem Bergbau und sorgt endlich dafür, dass Genehmigungsverfahren schlanker gemacht werden.“Grund zur Panik bestehe trotz allem nicht, versichert der Deichgräf: „Unser Deich ist so sicher, wie wir das verantworten können. Wir haben eine Vorwarnzeit von 36 Stunden und einen festen Maßnahmenkatalog, den wir in dieser Zeit abarbeiten können.“
Für die langjährige CDU-LANDtagsabgeordnete Marie-luise Fasse geht es jetzt darum, ein Bewusstsein für die Gefahren zu schaffen, ohne die Bevölkerung zu verunsichern. Ihr Appell an den Bund: „Zehn Jahre für eine Deichsanierung ist zu lang. Wir brauchen eine Gesetzgebung, die das in fünf Jahren erlaubt.“