Rheinische Post - Wesel/Dinslaken
Trauer, Tränen und ein wenig Trost
Die erste Soirée musicale in der Evangelischen Stadtkirche nach einem Jahr Coronapause stand im Gedenken an Marianne Carl. Die Querflötenlehrerin an der Musikschule Dinslaken ist in der vorletzten Woche verstorben.
DINSLAKEN (bes) Die Musik erklang, aber die Flöte schwieg. Es war „Zufall“– wenn man an „Zufälle“glaubt – dass Elena Lebedeva und Olga Schonurova für die erste Soirée musicale in der Evangelischen Stadtkirche nach einem Jahr das Menuett und die Badinerie aus der h-moll Suite von Johann Sebastian Bach für Klavier vierhändig ausgewählt haben. Denn diese beiden Sätze lassen eigentlich Querflötisten glänzen. Nun wurden die elegant-heiteren Stücke auf dem Klavier zum Nachhall und Andenken an eine Kollegin. Marianne Carl, die viele Jahre lang Querflöte an der Musikschule Dinslaken unterrichtete, ist vorletzte Woche nach langer, schwerer Krankheit verstorben. Musikschulleiter Sebastian Rakow erinnerte zum Beginn des Dozentenkonzerts an sie und verwies auf das schon länger stehende Programm, das nun in einem ganz anderen Licht erschien: „Es ist wie die Beschreibung eines ganzen Lebens“, so Rakow.
Und so wechselten sich musikalisch Freud und Leid ab. Nur auf „Smile“von Charlie Chaplin, das noch im Programm aufgeführt war, musste das Publikum leider verzichten, da der Klarinettist Kyusang Jeong kurzfristig krankheitsbedingt absagen musste.
Der Spätnachmittag begann getragen mit einem Instrumentalstück aus der Trauerkantate von Bach. Doch dann, nach der so munteren Badinerie, stimmte Ekaterina Korotkova tröstliche Klänge an. John Dowlands „Weep you no more sad fountains“ließ die Tränen versiegen. Zu schön die Melodie, zu hell und glasklar Korotkovas Sopran, der im Altarraum zu schweben schien. Nach dem Feiern der Musik als solche mit Purcells „Music for a while“ folgte die Aufforderung „Come all ye songsters“desselben Komponisten: Ein Fest nach langer Coronapause.
Sie wollen wieder auftreten, das Publikum mitreißen. Ekaterina Korotkova blieb nicht die einzige Sopranistin des Konzerts. Franziska Höffkes hatte, begleitet von ihrem Vater Ludger am Flügel, ein kleines Mozart-set vorbereitet. Sie tobte mit Mozarts verfeinerter Wut „als Luise die Briefe ihres ungetreuen Liebhabers verbrannte“, beklagte Goethes „Veilchen“, das vor Liebe blind glücklich unter den Füßen der Angebeteten stirbt und brachte schließlich mit „Un moto di Gioia“Freude.
Ein zweites Set des Duos Höffkes und Höffkes erhielt mit „Flying to paradise“und dem „Domine deus“aus Poulencs Gloria einen besonderen Bezug zum Tod von Marianne Carl. Aber nicht nur die Soprane, auch die Soloviolinen waren doppelt besetzt. „Es ist so schönes Wetter draußen“, meinte Paul Hindemith und ein Werk für Violine Solo, das sozusagen sämtliche Techniken auf dem Instrument zum Gegenstand der einzelnen Sätze macht, bis sie schließlich – bis auf das pizzicato des dritten Satzes – Anwendung in den Variationen auf Mozarts „Komm lieber Mai“finden. Karin Nakayama bot das Werk mit gewohnter Brillanz dar.
Den schönen Ton und das ganze Feuer der Violine pflegte Nachiko Ueno, begleitet von Elena Lebedeva am Klavier, mit Anton Dvoraks Vier romantische Stücke op. 75.
Das Dozentenkonzert ist eigentlich als Werbung für die Musikschule gedacht, doch auch vor Pandemiezeiten sah man selten potenzielle oder tatsächliche Schülerinnen und Schüler. Stattdessen werden die Soiréen eher von Klassikliebhabern besucht, die wissen, dass ihnen bekannte und unbekanntere Stücke in wechselnden Besetzungen und auf einem hohen, professionellen Niveau geboten werden.
Dies war am Sonntag nicht anders. Und so kamen zum Schluss sogar noch die Freunde der Barockoper auf ihre Kosten. Ekaterina Korotkova bot Arien aus gleich vier Händel-opern und ihre Koloraturen können sich hören lassen. „Ombra mai fu“aus Xerxes und „Lascia ch'io pianga“waren dabei die lyrischen „Hits“die fast jeder im Ohr hat, „Da tempeste il legno infranto“aus „Julius Caesar“und „Tornami a vagheggiar“aus „Rinaldo“boten ein Feuerwerkt der Vokalkunst.
Langanhaltender Applaus für alle Mitwirkenden eines denkwürdigen Konzertes.