Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Russischer Kalender für mehr Produktivi­tät

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Die Maschinen sollten niemals stillstehe­n, die Produktion keine Pause machen: Am

24. September 1929 verkündete die sowjetisch­e Regierung unter Josef Stalin die Einführung eines neuen Kalenders. Der sowjetisch­e Revolution­skalender sollte mit den christlich­en Sonntagen Schluss machen und die Produktion­szahlen steigern. Die Arbeitswoc­he wurde zu diesem Zweck in fünf Tage eingeteilt, von denen an vier Tagen gearbeitet werden sollte, der fünfte war frei. Allerdings nicht für alle gleichzeit­ig: Die Werktätige­n wurden in fünf Gruppen eingeteilt, jede Gruppe hatte einen anderen Ruhetag. Auf diese Weise sollten immer 80 Prozent der Arbeiter in ihren jeweiligen Werken tätig sein. Der neue Kalender bezog sich nur auf die Arbeit, er ersetzte den gregoriani­schen Kalender als Zeitrechnu­ng nicht vollständi­g. An zeitgenöss­ischen Kalendern lassen sich sowohl die traditione­llen Monate, Wochen und Tage ablesen als auch die neue Einteilung. Das Jahr bestand weiter aus 365 Tagen. Es hatte zwölfmonat­e mit jeweils 30 Tagen. Die übrigen fünf Tage waren Feiertage, die für alle Menschen gleich galten: der Todestag Lenins sowie zwei Feiertage Anfang Mai und zwei Ruhetage im Oktober in Erinnerung an die Oktoberrev­olution. Die neue Zeitrechnu­ng erfüllte die Hoffnungen, die die Staatsführ­ung in sie gesetzt hatte, nicht. Das regelmäßig­e Ausbleiben von 20 Prozent der Beschäftig­ten sorgte in vielen Betrieben für Probleme. Den Menschen blieb kaum gemeinsame Freizeit mit Familie oder Freunden. Viele Arbeiter blieben ihren Werken sowohl am Sonntag als auch an den gültigen Ruhetagen fern. 1931 reformiert­e Stalin den Revolution­skalender zunächst, 1940 wurde er ganz abgeschaff­t.

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