Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Die CDU verliert auch Merkels Wahlkreis

Die Wahl hat die Kräfteverh­ältnisse im Bundestag verschoben. Die SPD hat wieder die meisten direkt gewählten Abgeordnet­en.

- VON GREGOR MAYNTZ

BERLIN Wie herb die Niederlage der Union bei der Bundestags­wahl ausgefalle­n ist, lässt sich sowohl an den deutlich veränderte­n Mandatszah­len als auch an den künftigen Gesichtern erkennen. Repräsenta­nt des Verfassung­sorgans Bundestag wird nach Annemarie Renger (1972) und Wolfgang Thierse (1998) zum dritten Mal in der Geschichte der Republik ein Mitglied der SPDFraktio­n sein. Der amtierende Bundestags­präsident Wolfgang Schäuble (CDU) schaffte zwar in Offenburg seine 14. Wahl in den Bundestag und darf damit als mit Abstand dienstälte­ster Abgeordnet­er den neuen Bundestag im Oktober eröffnen. Doch die stärkste Fraktion ist die SPD.

Auf Rügen ging nicht nur die Ära der seit 1990 stets direkt gewählten Abgeordnet­en Angela Merkel zu Ende; der Wahlkreis fiel jetzt auch an die Spd-bewerberin Anna Kassautzki. In Nordrhein-westfalen kamen zwar die Cdu-prominente­n Ralph Brinkhaus, Hermann Gröhe, Günter Krings, Anja Karliczek, Friedrich Merz, Jens Spahn und Paul Ziemiak direkt durch die Erststimme in den Bundestag. Doch wie Hans-georg Maaßen in Thüringen scheiterte in Düsseldorf auch Sylvia Pantel mit dem Versuch, ins Parlament einzuziehe­n. Unions-außenexper­te Jürgen Hardt schaffte es ebenso nicht.

Im Saarland holte die CDU kein Direktmand­at mehr, sodass Nadine Schön nicht mehr dabei ist und sowohl Annegret Kramp-karrenbaue­r als auch Peter Altmaier (der Heiko Maas unterlag) nur über die Reservelis­te einziehen konnten. In Thüringen scheiterte­n Mike Mohring und Marco Wanderwitz.

Das macht an namentlich­en Beispielen deutlich, wie sich das Selbstbewu­sstsein der Fraktionen in ihrer Verwurzelu­ng im direkten Wählerwill­en verändert hat. In der vergangene­n Wahlperiod­e hatte die CDU 184 Direktmand­ate, jetzt sind es nur noch 98. Dagegen gab es in der SPD nur noch 58 Abgeordnet­e, die ihre Wahlkreise direkt gewonnen hatten – deren Zahl ist nun wieder auf 121 gewachsen. Wie sehr sich auch die Kleinen in einzelnen Regionen in Richtung Volksparte­i bewegen, wird an 16 Direktmand­aten für die Grünen deutlich. Sie konnten vor allem in den Großstädte­n wie Aachen, Bonn, Frankfurt, Hamburg, Köln, München und Stuttgart als stärkste Kandidaten einziehen. Allerdings schnellte auch bei der AFD die Zahl der Direktmand­ate auf 16 hoch – im Süden Sachsens und im Süden Thüringens lagen sie nahezu flächendec­kend auf Platz eins.

Das Auftreten der einzelnen Fraktionen im Bundestag wird von ihren Gewinnen und Verlusten geprägt sein. Die CDU verlor 49 Abgeordnet­e, die CSU einen, die AFD hat elf Mandate weniger als 2017 bei ihrem Einzug. Da sie im Laufe der Wahlperiod­e schon geschrumpf­t war, sind es unterm Strich noch vier Abgeordnet­e weniger. Die Linke verlor ihren Fraktionss­tatus, konnte aber wegen dreier gewonnener Direktmand­ate (darunter eines für Gregor Gysi) wieder einziehen, allerdings nicht mehr mit 69, sondern nur noch mit 39 Genossinne­n und Genossen. Die Fdp-fraktion wuchs um zwölf Abgeordnet­e, die der Grünen um 51, die der SPD um 53.

Statt der gesetzlich­en Orientieru­ngsgröße von 598 Abgeordnet­en hat der 20. Deutsche Bundestag 735 Mitglieder. Es kamen 137 Sitze durch Überhang- und Ausgleichs­mandate zusammen. Damit gab es trotz kleiner Wahlrechts­reform einen neuerliche­n Zuwachs um 26 Mandate. Das ist nicht ganz so viel wie befürchtet, da bei der Union auch das Zweitstimm­energebnis absackte. Doch erhöht es den Druck auf eine Neuordnung der Mandatsber­echnung.

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