Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Enteignung ist der falsche Weg

- VON GEORG WINTERS

Eine Volksabsti­mmung ist noch kein Gesetz. Deshalb sollten all jene, die das positive Votum von Berliner Bürgern für eine Teilenteig­nung der großen Wohnungsko­nzerne bejubeln, sich nicht zu früh freuen. Nach der Bundestags­wahl gibt es in der Hauptstadt aller Voraussich­t nach eine Regierende Bürgermeis­terin, die sich klar gegen Enteignung ausgesproc­hen hat. Selbst bei einer Fortführun­g der rot-grün-roten Koalition wäre ein solches Gesetz fraglich, weil es auch bei den Grünen nur die Ultima Ratio wäre.

Abseits einer solchen politische­n Einschätzu­ng wäre eine Enteignung ökonomisch fahrlässig. Sie würde keinen Quadratmet­er mehr Wohnraum schaffen, sondern private Investoren vergrätzen. Es stimmt, dass die Mieten deutlich gestiegen sind; es ist richtig, dass manche Familie kaum noch bezahlbare­n Wohnraum findet. Aber das den privaten Vermietern allein zuzuschrei­ben, ist falsch. In Berlin ist der Zuzug groß, die Nachfrage gewaltig. Wenn sich Genehmigun­gsverfahre­n zu lange hinziehen, wird der Druck immer größer. Ein Punkt, den die Initiatore­n des Volksbegeh­rens offenbar ausgeblend­et haben, ebenso wie die Tatsache, dass der Steuerzahl­er bluten soll. Woher sollen die bis zu 36 Milliarden Euro für die Entschädig­ung kommen? Und was passiert in einem jahrelange­n Streit, der sich bis zum Bundesverf­assungsger­icht ziehen würde und bei dem Investitio­nen ausbleiben könnten?

Den Mietern in den Wohnungen, die zur Vergemeins­chaftung anstehen, würde eine Enteignung helfen. Allen anderen würden die Befürworte­r der Enteignung einen Bärendiens­t erweisen. Sie ist falsch. Was hilft: Alle müssen in Berlin an einen Tisch und gemeinsam eine Lösung finden. Das wäre gelebte Demokratie. BERICHT BERLINER STIMMEN FÜR ENTEIGNUNG, WIRTSCHAFT

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