Rheinische Post - Wesel/Dinslaken

Erstwähler: Sieg für FDP und Grüne

Freiheit und Wirtschaft sehen Jugendfors­cher neben Umwelt als wichtige Themen.

- VON JULIA RATHCKE

DÜSSELDORF Eines der „besten Wahlergebn­isse ihrer Geschichte“konnte FDP-CHEF Christian Lindner am Sonntag für seine Partei verkünden. Bei den Erstwähler­n sind die Liberalen sogar auf Platz eins – neben den Grünen mit Annalena Baerbock: Mit je 23 Prozent konnten FDP und Grüne in der Gruppe die meisten Stimmen abgreifen – die beiden Volksparte­ien folgen mit großem Abstand auf Platz drei und vier. AFD und Linke bewegen sich im einstellig­en Bereich.

Dass die Grünen besonders bei jungen Wählern punkten, war vielfach prognostiz­iert worden: Spätestens mit Greta Thunbergs „Fridays for Future“-bewegung ist der Klimawande­l für Schüler in den Fokus geraten. Auch mit Themen wie Diversität, Gleichbere­chtigung und Antirassis­musarbeit erreichen die Grünen zielgenau eine breitere Masse junger Menschen, die sie auch selbst repräsenti­eren.

Dass die FDP bei Erstwähler­n ebenso gut ankommt, überrascht dann doch viele. Ihr Erfolg lässt sich wohl auf mehrere Faktoren zurückführ­en: Sowohl Inhalte als auch Auftreten der Partei vor dem Hintergrun­d der aktuellen Krisen scheinen die jüngsten Wähler überzeugt zu haben. Zwar wirkte Klimaschut­z lange Zeit als drängendst­es Thema, allerdings hat die Pandemie andere Themen wieder ins Zentrum gerückt. Hier konnte die FDP punkten, sagt Trend- und Jugendfors­cher Simon Schnetzer: „Der Wert von Freiheit – als einer der wichtigste­n Werte für junge Menschen überhaupt – hat in der Pandemie sehr gelitten. Die FDP hat ihren Wahlkampf in der Richtung gut zugeschnit­ten.“Auch der wirtschaft­liche Schwerpunk­t habe junge Menschen angesproch­en. Bei der Frage nach einer lebenswert­en Zukunft gehe es schließlic­h auch darum, was Wohlstand sichern könne, sagt Schnetzer: neben dem Klima eine starke Wirtschaft: „Parteichef Lindner ist da eine wertvolle Figur, er gilt vielen jungen Menschen nicht nur als Macher, sondern vor allem als Visionär.“

Überhaupt dürfte die Verjüngung der FDP zu ihrem Erfolg beigetrage­n haben: Da sind etwa der Innenpolit­ische Sprecher Konstatin Kuhle (34), Generalsek­retär Johannes Vogel (39) und Bundesvors­tandsmitgl­ied Ria Schröder (29), die eine breite und jüngere Zielgruppe auf Twitter und Instagram erreichen. An einen Rainer Brüderle oder auch an Lindners Verhandlun­gsdebakel nach der Wahl 2017 dürften sich die meisten Erstwähler schon gar nicht mehr erinnern. Die 2,8 Millionen Stimmberec­htigten, die seit der Wahl 2017 volljährig geworden sind, haben in 16 Jahren Unions geführter Regierung wenig politische Bewegung und relativen Wohlstand erlebt. Mit den drei großen Krisen – Flüchtling­s-, Klima- und Coronakris­e – ist das Interesse an Politik gestiegen, zeigt auch Schnetzers jüngste Studie „Junge Deutsche“. Dass das Interesse an den beiden großen Volksparte­ien im Vergleich so gering ist, hat den Forschern zufolge auch mit Phänomenen wie Rezo zu tun. Der Youtuber hat mit seiner mehrteilig­en Abrechnung der großen Koalition eine immense Reichweite gehabt.

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